Auf einen Spaziergang mit Jan Trost geht es von der Gartenstraße durch den Friedhof, vorbei am Gesundheitscampus in die Weinberge. Der Campus ist neben der Gartenschau für den 45-Jährigen eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahre. Foto: KS-Images.de

Der Wahlkampf für das Amt des Bürgermeisters in Marbach ist in vollem Gange. Der Platzhirsch Jan Trost plaudert beim Spaziergang aus dem Nähkästchen. Bei Stress hilft schon mal ein Stück Schokolade.

Marbach - Die Schillerstadt hat sich über Nacht in winterliches Weiß gekleidet. Perfektes Wetter für die Trost’sche, rund einstündige Familienroute. Los geht’s in der Gartenstraße Richtung Aussichtsplattform oberhalb des Ärztehauses durch Weinberge und über Felder wieder zurück zum bürgermeisterlichen Domizil. „Das ist unser erster Stopp mit den Kindern“, erzählt Jan Trost an der Aussichtsplattform. „Da wird gegessen und getrunken und natürlich auf den Neckar geschaut. Wenn noch eine S-Bahn über das Viadukt fährt, ist es perfekt.“

Zeit für die Familie – im Coronajahr hatte der 45-Jährige mehr als sonst. Kraft für die Herausforderungen, vor die er durch die neue Situation als Stadtchef gestellt war, zog er aus dem Miteinander mit Ehefrau Claudia und den drei Kindern. „Sonst ist man von morgens bis abends und an den Wochenenden durchgetaktet, aber das war plötzlich weg“, schaut er zurück. „Gerade beim ersten Lockdown wusste keiner, wie es weitergeht, und das war sehr belastend.“

Die Familie als Kraftort – das gilt für Jan Trost unabhängig von Corona. Denn Zeit für sein Hobby Tischtennis blieb nach der Wahl 2013 nicht wirklich. „Wenn man Mannschaftssport macht, muss man es richtig machen, und das ging nicht.“ Stattdessen setzt sich der Marbacher gerne auf sein Rad und erkundet die Gegend. Das bringt nicht nur Spaß, sondern hält fit und macht den Kopf frei bei Stress, den jeder individuell empfindet. Für Jan Trost bedeutet Stress, wenn viele Sachen gleichzeitig auf einen zukommen und man schauen muss, wie man das Ganze sortiert bekommt. „Ich versuche, im Büro alle Aufgaben zu erledigen und Probleme zu lösen, damit ich dann zuhause auch wirklich abschalten kann“, beschreibt er seine Strategie. Und wenn es dann richtig stressig ist, hilft auch noch der Griff in die Schokoladen-Schublade. „Da bin ich – abgesehen von Zartbitter – für alles offen“, verrät Trost und lacht.

Apropos Stress. Sechs Männer wollen ihm seinen Platz im Rathaus streitig machen. Braucht es da mehr Nervennahrung als gedacht? Jan Trost überlegt kurz. Es sei üblich, dass es Mitbewerber bei einer Bürgermeisterwahl gebe. „Ich habe mit drei oder vier gerechnet, aber es hat mich in der Tat überrascht, dass zum Ende hin der ein oder andere dazukam.“ Ob der fehlende Hinweis in der Stellenausschreibung, dass der Amtsinhaber wieder antritt, mehr Bewerber animiert hat, hält Trost für reine Spekulation. „Vielleicht ein bisschen, aber ich würde es nicht daran festmachen.“ Beeinflussen lassen will er sich von der stattlichen Zahl aber nicht. „Ich präsentiere mich so, wie ich es für richtig halte, und bin fest davon überzeugt, den Weg weiterzugehen – egal, wie viele Kandidaten es sind, aber klar wünscht man sich als Mensch, dass es ohne viele Mitbewerber geht.“

Punkten will Jan Trost auch mit seinen Stärken. „Ich bin fleißig, tatkräftig, versuche Interessen auszutarieren und bin kooperativ. Ich lehne nicht gleich alles ab – was vielleicht aber neben meiner Ungeduld gleichzeitig auch meine Schwäche ist: Ich kann nicht nein sagen.“ Eine andere Schwäche ist eher privater Natur. Der 45-Jährige ist ein schlechter Einparker, erzählt er und lacht. „Das hab’ ich nicht erfunden.“

Seit acht Jahren hält der 45-Jährige in der Schillerstadt die Fäden in den Händen. Gibt es etwas, das er rückblickend bereut? Beim Projekt Neubaugebiet Kreuzäcker wäre es wichtig gewesen, von Anfang an klar festzulegen, dass man einen gewissen Anteil bezahlbaren Wohnraum will, räumt er beim Spaziergang über die Felder ein. „So hat sich das Verfahren in die Länge gezogen. Das würde ich heute viel kompakter mit klarem Vorschlag machen“, betont er. Denn Trost sieht sich als Verwalter und Gestalter. „In den vergangenen acht Jahren wurde unheimlich viel bewegt in unserer Stadt. Das Gestalten macht mir Spaß“, betont er.

CDU und Grüne haben sich dennoch für einen Mitbewerber ausgesprochen. Vor allem die Empfehlung der CDU hat Trost überrascht. Und „menschlich auch etwas enttäuscht“, weil er zuvor nicht angehört worden war. „Eine Empfehlung steht aber jedem frei. Ich muss mit der Situation umgehen. Entscheiden werden es die Bürger – und das ist auch gut so. Ich denke, bei einer Bürgermeisterwahl steht die Person im Mittelpunkt. Man hat das in Stuttgart gesehen: Schreier hatte so gut wie keine Unterstützung und hätte es fast geschafft. Nopper hatte ein breites Bündnis hinter sich.“

Was die Arbeit im Rathaus angeht, sei es ihm wichtig, die Mitarbeiter einzubeziehen, sodass sie möglichst selbstständig Projekte abschließen können. „Es ist wichtig, zu delegieren, nur wenn es manchmal nicht ganz so läuft, bin ich etwas ungeduldig.“ Oder aber, wenn es Probleme gibt – dann müsse der Bürgermeister Themen zur Chefsache machen und vermitteln. Siehe Marbacher Holdergassenfest. „Dass man bei einer Wahl die Ernte für solche Bemühungen einfahren kann, hofft man immer. Ein Wahlkampf dauert ja nicht nur ein paar Wochen. Man muss acht Jahre lang kooperativ und vertrauensvoll mit den Bürgern zusammenarbeiten und auch für kleine Belange ein offenes Ohr haben, und darum habe ich mich bemüht. Das sehen hoffentlich viele.“

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