Der Spaziergang mit Timo Jung führt von der Aussichtsplattform in die Altstadt – vorbei an einem Projekt, das für den 31-Jährigen neben der Gartenschau absolute Priorität in den kommenden Jahren hat: der Gesundheitscampus. Foto: KS-Images.de

Timo Jung will am 24. Januar Rathauschef in Marbach werden. In unserer Serie „Auf einen Spaziergang mit...“ erzählt er, was ihm wichtig ist.

Marbach - Was das Spazierengehen anbelangt, ist Timo Jung inzwischen geübt. Im coronagebeutelten Wahlkampf bietet der 31-Jährige seit Wochen Gartenzaungespräche und eben Spaziergänge an. Und die Bürger greifen zu. An manchen Tagen, erzählt der Stuttgarter, hat er fünf, sechs solcher Spaziergänge und ist stundenlang in der Stadt oder in den Stadtteilen unterwegs. Eine Strecke ist ihm besonders ans Herzen gewachsen: Von der Aussichtsplattform oberhalb des Ärztehauses geht es vorbei an der Alexanderkirche über den Cottaplatz die Altstadt hinauf und über die Fußgängerzone in einem Bogen wieder zurück.

Das stundenlange Stehen beziehungsweise Laufen macht dem ehemaligen Jugendfußballtrainer nichts aus. Jeden zweiten Tag setzt sich Jung für eine Stunde daheim aufs Rudergerät. Das hilft, fit zu bleiben, dient gleichzeitig aber auch als Ventil, um Dampf abzulassen. Wobei, erzählt Jung beim Zwischenstopp in der Nähe der Alexanderkirche, er sei keiner, der sich leicht aus der Ruhe bringe lasse. Ob das schon immer so gewesen ist? Der 31-Jährige überlegt kurz. „Das hat sich im Laufe des Berufslebens verstärkt. Die Arbeit beim Städtetag ist immer mit kurzen Fristen verbunden und mit vielen Projekten, die man priorisieren muss. Ich versuche immer, Stress in positive Energie umzumünzen. Nur allzu frühes Aufstehen bereitet mir manchmal Stress“, sagt er und lacht. Neben dem regelmäßigen Rudertraining stehen auf der Liste der Hobbys Krimis weit oben. Schwedische, um genau zu sein. In Wort und Bild. Und natürlich ist da auch noch die Leidenschaft für die Roten. „Mitglied beim VfB und bei der SPD zu sein – da weiß man nicht immer, wer die Nase vorn hat, was das Leiden betrifft“, sagt er und schmunzelt.

Apropos SPD. Jung ist Mitglied der SPD geht aber unabhängig ins Rennen, wie er betont. Von den Sozialdemokraten im Gemeinderat wird er mehrheitlich nicht unterstützt, wohl aber von der Basis des Marbacher Ortsvereins. Und von den Grünen und der CDU. „Die Unterstützung der CDU hat eine Dynamik ausgelöst“, so Jungs Beobachtung. „Die Menschen beschäftigten sich danach mehr mit der Bürgermeisterwahl.“ Natürlich freue man sich als Bewerber über eine Empfehlung. „Das ist eine Aufwertung der eigenen Kandidatur und man spürt das Zutrauen in einen, dass man dieses Amt ausführen kann. Aber ich will es nicht überbewerten. Ich möchte nicht der Kandidat der Parteien sein. Der Bürger entscheidet am Ende selbst, wen er wählt, und das ist gut so.“ Und noch ein Hinweis ist ihm wichtig. Er habe sich von sich heraus zu einer Kandidatur entschieden. „Ich bin nicht geholt worden, und ich habe übrigens auch keinen professionellen Kampagnenberater. Das läuft alles ehrenamtlich mit Familie und Freunden“, widerspricht er Gerüchten.

Dass es am Ende sieben Bewerber sein würden, sei recht ungewöhnlich, aber ihm sei klar gewesen, dass er nicht der einzige sein werde, der gegen den Amtsinhaber in den Ring steigt. „Das Amt ist sehr reizvoll, es lässt sich viel bewegen.“ Was er selbst bewegen möchte, das hat Timo Jung in dieser Woche in die Briefkästen der Bürger verteilen lassen. Er habe von Anfang an gesagt, dass die konkreten Inhalte Anfang Januar kommen, weil er zuvor auf die Bürger hören wolle, erklärt er den auf den ersten Blick späten Zeitpunkt. „Mir war ganz wichtig, dass die Bürger beteiligt werden. Ich wollte zeigen, dass auch im Wahlkampf unter Pandemiebedingungen ein Bürgerdialog möglich ist.“ Die Kernthemen der Bürger hätten sich mit seinen Ideen zum großen Teil gedeckt, so Jung.

Wie sieht der Herausforderer das Bürgermeisteramt und wie will er die Mitarbeiter führen? „Der Bürgermeister ist mehr als ein Verwaltungsbeamter. Er muss Projekte initiieren, steuern und sie klar priorisieren“, betont der Leiter der Stabstelle Zentrale Dienste beim Städtetag Baden-Württemberg. Seinen Führungsstil beschreibt er als empathisch, wertschätzend und klar. Er sei entscheidungsfreudig und nicht sprunghaft. „Mitarbeiter müssen wissen, woran sie sind, und sie müssen sich darauf verlassen können, dass ich hinter ihnen stehe.“ Außerdem sei es ihm wichtig, Kreativität zu fördern. „Der Bürgermeister muss zwischen den Polen laissez faire und autoritärem Führungsstil einen gesunden Mittelweg finden, denn beide Extreme lähmen eine Verwaltung.“

Die Schillerstädter hat er bisher im Wahlkampf als sehr offen, engagiert und meinungsfreudig erlebt. „Ich bin vielen Bürgern begegnet, die nicht nur stolz auf ihre Stadt sind, sondern auch eine eigene Vorstellung für sie mitbringen und diese auch vermitteln wollen.“ Eine gute Basis für einen Punkt, der Jung besonders am Herzen liegt: eine breite Bürgerbeteiligung. Dass die leicht zu Enttäuschung und Frust führen kann, ist dem Stuttgarter bewusst. „Es geht immer darum, zu erklären, wie und wo und warum eine Entscheidung zustande kam.“ Bürgerbeteiligung ende nicht mit einer Veranstaltung, bei der jeder seine Ideen eingebracht habe. Es müsse von Anfang an deutlich gemacht werden, dass nicht alle Ideen eins zu eins umgesetzt würden, so wie sich das der Einzelne vorstellt – sonst sei Frust vorprogrammiert. „Die Transparenz der Entscheidungen bedeutet natürlich einen großen Aufwand, aber wenn ich Bürgerbeteiligung ernst nehme, muss ich diesen Weg konsequent beschreiten, und da muss der Bürgermeister in die Arena steigen.“

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