Der Kampf gegen Obdachlosigkeit gehört zu den Aufgaben einer Kommune. Foto: dpa/Matthias Balk

Manche gekündigte Mieter stehen vor der Obdachlosigkeit. Kommunen wollen mit einer Fachstelle präventiv gegensteuern.

Kreis Ludwigsburg - Kürzlich kam es im Oberstenfelder Gemeinderat zu einem Wortgefecht, das viel über die aktuelle Wohnungsmisere im Landkreis Ludwigsburg aussagt. Die Räte standen vor dem Beschluss, der Fachstelle Wohnungssicherung beizutreten, die präventiv Menschen berät, die wegen einer Kündigung von Obdachlosigkeit bedroht sind. Als einziger stimmte der CDU-Fraktionschef Oliver Beck nicht zu – und machte aus seinem Argwohn gegen die Beschlussvorlage für den Gemeinderat keinen Hehl.

Die Oberstenfelder Verwaltung wollte sich mit fünf Prozent und jährlichen Kosten von etwa 4000 Euro für die Fachstelle an einer Vollzeitstelle beteiligen, die im Mai 2022 entstehen soll. Oberstenfeld folgt damit dem Beispiel von 24  Kreiskommunen, in denen die Sozialarbeiter allein im Jahr 2020 in 284  von 332  Fällen eine positive Wendung herbeiführten. Erfolge erzielen die Mitarbeiter etwa, wenn sich die Vermieter auf ein ratenweises Begleichen der Mietschulden einlassen. Dadurch konnten im vergangenen Jahr 93  Haushalte in ihrer Wohnung bleiben. Insgesamt hat die Fachstelle in dem Jahr 684  Menschen vor der Obdachlosigkeit bewahrt, darunter 248 Minderjährige.

Der CDU-Fraktionschef will lieber Vermieter beraten lassen

Zwar gebe es solche Schicksale, argumentierte der Oberstenfelder CDU-Mann Beck, doch sollte die Gemeinde „solche Problemfälle nicht noch mehr in Watte packen“. Er komme viel rum und sehe, wie manche Wohnungen runtergewirtschaftet würden, dadurch hohe Kosten entstünden und Vermieter letztlich ihren Wohnraum aus Angst nicht mehr weitervermieteten. Die Wohnungsnot hänge damit zusammen. Beck regte an, doch besser Vermieter zu beraten.

Nicht einverstanden mit dem Einwand Becks zeigte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Lutz, der den präventiven Charakter der Maßnahme lobte: Reale Obdachlosigkeit würde die Gemeindefinanzen stärker belasten als die Präventivarbeit. Lutz warf dem CDU-Mann vor, zu pauschal zu argumentieren: „Nicht jeder Mieter ist ein Mietnomade.“ Letztlich bräuchten diese Menschen eine Unterstützung – andernfalls müsse die Gemeinde ihnen am Ende ein Dach über dem Kopf besorgen.

Das Projekt „Türöffner“ will möglichen Vermietern die Angst nehmen

Eine steigende Akzeptanz gegenüber seiner Fachstelle beobachtet Heinrich Knodel, Geschäftsführer der Wohnungslosenhilfe im Landkreis Ludwigsburg gGmbH. Das Projekt sei im Jahr 2016 mit vier Kommunen gestartet worden. Die Europäische Union (EU) habe es bis auf einen Eigenanteil von fünf Prozent gefördert. In einer zweiten Phase seien 19  weitere Städte und Gemeinden im Jahr 2019 beigetreten. Jetzt laufe die EU-Förderung aus. „Erfreulicherweise übernehmen alle Kommunen die Kosten in ihren Haushalten.“ Angesichts der Sparwelle nach Corona sei das alles andere als selbstverständlich.

Eng arbeitet die Fachstelle Wohnungssicherung mit der Caritas-Regionalstelle Ludwigsburg-Waiblingen-Enz zusammen. Sie betreibt das Projekt „Türöffner“, bei dem es gerade darum geht, Eigentümern von leer stehendem Wohnraum Ängste zu nehmen und ihnen Mut für Vermietungen zu machen. „Wir als Caritas treten als Mieter auf, übernehmen das komplette Immobilienmanagement inklusive der Schäden und zahlen notfalls auch die Miete“, sagt Ellen Eichhorn-Wenz, Leiterin der Stabstelle Strategische Projekte bei der Caritas. Die Vermieter verzichteten im Gegenzug auf zehn Prozent der Mietobergrenze. Im Vorjahr kamen auf diese Weise 110 Personen in 35 Wohnungen unter.

Manche Kommunen zahlen einen Zuschuss für Vermietungen

Die Kommunen Ludwigsburg, Freiberg, Gerlingen, Ditzingen und Murr kooperieren, sie zahlen der Caritas für jede neue Vermietung 2000 bis 2500 Euro. „Wir haben auch schon Wohnungen an Bewerber vermietet, die von der Fachstelle Wohnungssicherung kamen“, erklärt Ellen Eichhorn-Wenz.

Fachstelle Wohnungssicherung

Teil der Wohnungslosenhilfe
Die Fachstelle ist seit 2016 sukzessive gewachsen. Zu den bisher 24 Kommunen im Landkreis Ludwigsburg werden Eberdingen, Gerlingen, Oberstenfeld und Großbottwar sicher beitreten, berichtet Heinrich Knodler, Geschäftsführer der gemeinnützigen Wohnungslosenhilfe im Landkreis Ludwigsburg gGmbH. Mit Vaihingen/Enz verhandele man.

Noch nicht beigetreten Der Markgröninger Bürgermeister Rudolf Kürner hält einen Beitritt für sinnvoll. Die Stadt Bietigheim-Bissingen hat mit dem Familienbüro ein eigenes Hilfsangebot. Auch Schwieberdingen hilft eigenständig, schließt einen späteren Beitritt aber nicht aus. Insgesamt gibt es 39 Kreiskommunen.

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