Feuerwehr und Rettungsdienst arbeiten bei Notfalltüröffnungen Hand in Hand. Auch die Polizei fordert dazu oft die Feuerwehr als fachkundige Unterstützung an. Foto:  

Immer mehr Menschen leben allein, auch ältere. Bei einem medizinischen Notfall kann das gefährlich werden. Denn Arzt oder Sanitäter müssen erst einmal in die Wohnung kommen.

Region - Eine 93-Jährige liegt hilflos in ihrem Haus. Sie ist mit ihrem Rollator die Treppe hinuntergestürzt und kann nicht mehr alleine aufstehen. Schon seit Stunden wimmert sie vor sich hin, ohne dass irgendjemand die leisen Klagelaute hört. Aber endlich naht doch noch Hilfe. Jemand hat den Rettungsdienst alarmiert, der gleich die Feuerwehr mitgebracht hat. Denn die ist nicht nur für Brände, sondern auch für Türöffnungen speziell ausgebildet und in solchen Fällen, wo Gefahr für Leib und Leben droht, unabhängig von Wochentag und Uhrzeit schneller vor Ort, als es ein Schlüsseldienst sein könnte.

Eine Statistik gibt es nicht

Den geschilderten Fall habe er aus mehreren ähnlichen, aber allesamt tatsächlich vorgekommenen Situationen zusammengestellt, sagt Sascha Hänig, der Kommandant der Affalterbacher Feuerwehr. Das anonymisiert nicht nur den Einzelfall, sondern zeigt auch, dass solche Einsätze nicht selten sind. Und: Sie nehmen sogar zu, so die Einschätzung nicht nur von Hänig, sondern auch beispielsweise seines Benninger Kommandanten-Kollegen Alexander Essig. Der führt den Anstieg vor allem auf die Alterung der Gesellschaft zurück.

Eine genaue Statistik über solche Einsätze gibt es jedoch nicht. Der Kreisbrandmeister Andy Dorroch erklärt auch, warum: „Für eine Türöffnung gibt es kein explizites Alarmstichwort.“ Auch Dorroch kann jedoch bestätigen, dass die Zahl der Notfall-Türöffnungen steigt. Grund dafür sei zum einen der von Essig angeführte demografische Wandel, vor allem jedoch die gesellschaftliche Veränderung: „Großfamilien, bei denen mehrere Generationen unter einem Dach wohnen, werden weniger; auch dass der Nachbar für Notfälle einen Schlüssel hat, kommt immer seltener vor.“

Gesellschaft wird egoistischer

Hänig meint zudem, die Gesellschaft sei egoistischer geworden, und man kümmere sich nicht mehr so wie früher umeinander. „Wenn man sieht, dass bei dem allein lebenden Nachbarn der Rollladen nicht mehr hochgeht und der Briefkasten nicht geleert wird oder das gelieferte Essen auch am späten Nachmittag noch unberührt vor der Tür steht, kann man das ignorieren oder vielleicht auch einfach mal klingeln und fragen, ob alles in Ordnung ist“, nennt der Affalterbacher ein Beispiel. Und die Entwicklung betreffe nicht nur die Städte, wo schon vor Jahren eine Zunahme der Türöffnungen zu beobachten gewesen sei: „Das ist inzwischen auch im ländlichen Raum angekommen.“

So weit wie in der Landeshauptstadt ist es im Landkreis Ludwigsburg indes noch nicht. „In Stuttgart gibt es zwei Fahrzeuge, die nur bei Türöffnungen zum Einsatz kommen“, weiß Dorroch. Der Kreisbrandmeister nennt übrigens noch einen weiteren Grund für die zunehmenden Anforderungen der Feuerwehr: „So etwas wie einen Hausnotruf gab es früher nicht. Auch der generiert Türöffnungen.“

Aufmerksame Nachbarn sind Gold wert

Das bestätigt auch der Marbacher Kommandant Alexander Schroth. Einen exorbitanten Anstieg solcher „Personennotlagen“, wie es im Fachjargon heißt, sieht er aber dennoch nicht: „In einem Jahr ist es mehr, im anderen weniger.“ Generell gebe es viele Auslöser für Notöffnungen – „von suizidalen Geschichten bis hin zu einer versehentlichen Auslösung des Hausnotrufs.“ Es sei auch schon vorgekommen, dass jemand verreist gewesen sei, ohne dass der Alarmierende dies mitbekommen habe. Das wiederum spricht dafür, dass es doch noch Menschen gibt, die sich um ihre Hausmitbewohner oder Nachbarn kümmern. Der Marbacher Ekkehard Graf, der nicht nur Feuerwehrmann, sondern hauptberuflich Pfarrer und Dekan im Kirchenbezirk Marbach ist, hofft, „dass uns das nicht abhanden kommt. Durch aufmerksame Nachbarn kann sehr viel vermieden werden.“


Muss ich den Einsatz bezahlen?
Viele Leute zögern, die Notrufnummer zu wählen, obwohl sie den Verdacht haben, beim Nachbarn könnte etwas nicht in Ordnung sein. Manche möchten nicht unnötig die Pferde scheu machen, andere haben Angst vor möglichen Kosten, die auf sie oder den Nachbarn zukommen, wenn es sich dann doch nicht um einen Notfall handelt. Doch das ist falsch, sagen die Feuerwehrleute. Wie bei einem Brand sollte man lieber einmal zu viel als einmal zu wenig anrufen. Es entstehen auch keine Kosten, wenn es dann doch kein Notfall war. Rechtlich geregelt ist das durch die sogenannte „Anscheingefahr“, das heißt, der Anschein einer Gefahr genügt.  Nur wer böswillig oder aus Übermut die Rettungskräfte alarmiert, bekommt eine Rechnung.

Ist die Tür danach zerstört?
Die Feuerwehr geht bei der Türöffnung normalerweise nicht mit brachialer Gewalt zu Werke. Die Ehrenamtlichen sind speziell ausgebildet und setzen auch Spezialwerkzeuge ein, damit die Tür nach dem Einsatz wieder verschlossen werden kann.