Wer auf Gas oder Öl angewiesen ist und die Heizung voll aufdreht, muss derzeit von einer saftigen Rechnung ausgehen. Foto: dpa/Fabian Sommer

Die Stadt Steinheim möchte ein ganzes Wohnquartier nachhaltig mit Energie versorgen. Die Haushalte dort hätten die Chance, so von zwei teuren Brennstoffen wegzukommen.

Alle Haushalte, die mit Öl und Gas heizen, müssen den Geldbeutel immer weiter öffnen. Vor allem die Ukraine-Krise treibt die Preise in bisher kaum für möglich gehaltene Höhen. Vor diesem Hintergrund müsste es fast mit dem Teufel zugehen, wenn das Steinheimer Vorzeigeprojekt Solnet in den nächsten Wochen daran scheitern sollte, dass sich zu wenige Hausbesitzer an das Wärmenetz rund ums Schulzentrum und das Wellarium andocken wollen. Denn unter anderem in eben diesem Wohnquartier wird vornehmlich mit fossilen Brennstoffen geheizt, während Solnet über einen nachhaltigen Energiemix betrieben wird.

Ziel ist der Klimaschutz

„Wir waren aber auch unabhängig von der Ukraine-Krise von dem Projekt überzeugt und schon vorher optimistisch, was die Anschlussquote angeht, weil wir hier ein richtig gutes Paket anbieten können“, sagte Bürgermeister Thomas Winterhalter am Dienstagmorgen im Rahmen eines Pressegesprächs. Der Rathauschef hob hervor, dass es bei dem Vorhaben schließlich auch um den Klimaschutz gehe, den man forcieren wolle. Die Themen Versorgungssicherheit und die Preissprünge im Öl- und Gassektor seien erst zuletzt virulent geworden, befeuerten aber sicher die Bereitschaft der Anwohner, sich über Alternativen Gedanken zu machen.

Stadt hat die Fäden in der Hand

Wie groß der Wille der Steinheimer tatsächlich ist, sich in das neue Wärmenetz einzuklinken, wird sich schon in naher Zukunft zeigen. Denn die Stadt möchte nun mit dem Vorhaben, das vom Bund mit mehr als fünf Millionen Euro gefördert wird, richtig durchstarten. In einem ersten Schritt soll eine kommunale Gesellschaft gegründet werden, die sich um Bau und Betrieb des innovativen Heizsystems kümmert. Man habe dann stets die Fäden in der Hand, erklärte Winterhalter. Zudem hätten die Bürger mehr Vertrauen in ein Programm, bei dem die zuständigen Akteure lokal verankert sind.

Auftaktveranstaltung im April geplant

Anschließend soll eine Informations- und Vermarktungsoffensive ins Rollen kommen, kündigte Raphael Gruseck von der Ludwigsburger Energieagentur (LEA) an, die das Konzept zu Solnet entworfen hat. Geplant sei eine Auftaktveranstaltung am 8. April, möglichst in Präsenz, notfalls online. Man werde die Interessenten in der Folge intensiv beraten und maßgeschneiderte Sanierungsfahrpläne für die Häuser entwickeln, versicherte Gruseck. Letzteres deshalb, weil die Temperatur in dem Netz aus Effizienzgründen vergleichsweise niedrig gehalten wird. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Immobilien selbst entsprechend gedämmt sein sollten oder größere Heizkörper brauchen. Bis Herbst wolle man eine Anschlussquote von 55 Prozent erreicht haben, sagte Gruseck. Heißt: Etwas mehr als die Hälfte des Wärmebedarfs in dem Quartier muss als Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Betreib über die Nahwärmeleitung abgedeckt werden.

Ambitionierter Zeitplan

Wird dieses Ziel erreicht, soll das Projekt schon 2023 ausgeschrieben und die Arbeiten vergeben werden, die Bagger dann 2024 anrücken. Wenn nichts dazwischenkommt, wird der Schalter Ende 2025 umgelegt. Obwohl der eine oder andere wahrscheinlich lieber heute als morgen von seiner Öl- oder Gasheizung loskommen würde, machte der Bürgermeister klar, dass sich das Ganze nicht noch zügiger umsetzen lässt. „Der Zeitplan ist ohnehin schon sehr ambitioniert. Wir werden da sicher nicht schneller werden können“, sagte Winterhalter.

Gasanteil soll so gering wie möglich sein

Möglich sei indes, den Ansatz auf andere Wohngebiete und andere Kommunen zu übertragen, betonte Raphael Gruseck. „Alles, was wir hier vorhaben, kann man überall machen“, erklärte er. Es sei auch angedacht, dass sich Interessenten später in Steinheim umschauen können, um das modellhafte System vielleicht zu adaptieren, ergänzte der Rathauschef. Angedacht ist, den Anteil von Gas beim Energiemix im Netz so gering wie möglich zu halten. Man strebe zunächst eine Zielgröße von 5 Prozent an, sagte Gruseck. 20 Prozent der Wärme sollen über das Verfeuern von Holzhackschnitzeln gewonnen werden, weitere 45 über eine Wärmepumpe. Den Rest wird eine Solarthermieanlage beisteuern, die über dem Parkplatz beim Wellarium aufgeständert werden könnte.

Fraktionen in Marbach machen auch Druck

Im Werden
 In Marbach wird ebenfalls an einem Nahwärmenetz gearbeitet, das einmal vom Schulzentrum bis hinunter in die Fußgängerzone reichen wird. Die ersten beiden Abschnitte sind schon verwirklicht. Außerdem soll das geplante Neubaugebiet in Rielingshausen über ein zentrales System mit Heizenergie versorgt werden.

Anträge
Doch das geht einigen Fraktionen nicht weit genug. Die Grünen fordern, dass die Stadt 2023 einen kommunalen Wärmeplan entwickelt. Besonders viel Potenzial für eine nachhaltigere Energieversorgung sehen sie im Hörnle und in Marbach-Ost. „In beiden Stadtteilen herrscht hohe Konzentration an Wohneinheiten gepaart mit alten Heizanlagen, die vor der Erneuerung stehen“, betonen die Grünen. Einen ähnlichen Antrag hat die SPD gestellt, die eine „Strategie für eine langfristige, zukunftsfähige, klimafreundliche Wärmeversorgung für alle Stadtteile“ einfordert.