Das rot umrandete Gebiet soll einmal klimaneutral werden. Foto: LEA

Ein großes Quartier in Steinheim mit hunderten Haushalten soll zentral mit Wärme versorgt werden. Dafür gibt es aber eine entscheidende Voraussetzung.

Steinheim - Es ist ein Projekt, das weit und breit seinesgleichen sucht. Die Stadt Steinheim möchte praktisch das ganze Quartier im Nordwesten rund um den Schulcampus mit seinen rund 1500 Bewohnern an ein umweltschonendes Wärmenetz andocken. Eben jenes Energiesystem ist zugleich der wohl wichtigste Baustein, um perspektivisch ein ehrgeiziges Ziel in dem größtenteils aus Wohngebäuden bestehenden Areal zu verwirklichen: die Klimaneutralität. Folglich gehört das Leitungsnetz auch zu dem umfangreichen Gesamtkonzept, mit dem die Ökowende in dem Gebiet bewerkstelligt werden soll und das der Gemeinderat nun einmütig verabschiedet hat. Damit kann das Ganze nun richtig ins Rollen kommen.

Projektgesellschaft als städtische Tochter

Der nächste Schritt werde sein, eine Projektgesellschaft zu gründen, erklärt Bürgermeister Thomas Winterhalter. „Das müssen wir zügig im neuen Jahr anpacken“, sagt er. Bei besagter Gesellschaft soll es sich zunächst um eine 100-prozentige Tochter der Stadt handeln, die Eigentümerin des Wärmenetzes sein und Lieferverträge mit den Kunden abschließen wird. Das von der Ludwigsburger Energieagentur (LEA) entwickelte Konzept sieht aber auch eine Prüfung vor, ob sich Bürger per Genossenschaft beteiligen können.

Anschlussquote muss bei mindestens 40 Prozent liegen

Wichtig sei überdies, in die Vorvermarktung einzusteigen, betont der Rathauschef. Schließlich müsse man zum Start mindestens eine Anschlussquote von 40 Prozent in dem Gebiet erreichen, in dem rund 400 Gebäude als potenzielle Abnehmer bereitstehen. Winterhalter vergleicht das mit Vorhaben von Telekommunikationsunternehmen. Telekom und Co. investierten in der Regel auch erst dann in den Ausbau von Glasfaserleitungen, wenn sich eine bestimmte Anzahl von Haushalten für das neue Angebot entscheidet. Signalisieren also genügend Haushalte in dem Gebiet, dass sie über das Wärmenetz heizen wollen, könne der Bau der Infrastruktur geplant und ausgeschrieben werden, erläutert der Bürgermeister.

Stadt steht unter Zeitdruck

Er macht auch klar, dass man unter einem gewissen Zeitdruck stehe: „Bis Ende 2025 muss das Projekt abgerechnet sein und das Netz muss laufen.“ Diese Deadline ist in den Förderbedingungen verankert. 5,3 Millionen Euro kann die Kommune an Zuschüssen für das Programm vom Bund abrufen, nachdem man mit der Idee für das Wärmenetz bei einem deutschlandweiten Wettbewerb die Nase vorn hatte. Wenn sich die Vorstellungen der LEA realisieren lassen, wird der erste Netzabschnitt im März 2025 seinen Betrieb aufnehmen. Die Fachleute der LEA sind auch zuversichtlich, dass sich nach und nach weitere Haushalte für die Technik begeistern, und erwarten perspektivisch eine Anschlussquote von mehr als 90 Prozent. Dieser Optimismus rührt auch daher, dass die meisten Häuser in dem Quartier in den 70er- und 80er-Jahren errichtet wurden und somit fast durchweg mit Öl- und Gasheizungen ausgestattet sind. Viele Haushalte, die über einen Umstieg auf eine umweltschonende Technik nachdenken, kommen ergo als potenzielle Abnehmer für das Wärmenetz infrage. Zumal sich die Bürger in dem Fall auch nicht selbst um eine alternative Heizung kümmern müssten, sondern sich direkt andocken könnten, betont Winterhalter.

Gebiet mit vielen Öl- und Gasheizungen

Raphael Gruseck von der LEA machte im Gemeinderat bei der Vorstellung des Konzepts jedoch keinen Hehl daraus, dass die Hausbesitzer dafür in aller Regel ihre eigenen vier Wände energetisch in Schuss bringen müssen. Denn der Clou bei dem Wärmenetz in Steinheim liegt vor allem darin, dass das Wasser mit relativ niedrigen Temperaturen in den Gebäuden ankommen wird. Damit sind nicht zuletzt die Energieverluste im Gesamtsystem geringer. Bedeutet aber eben auch: Die Vorlauftemperatur ist niedriger. Die Abnehmer brauchen also entweder flächigere Heizkörper oder müssen beispielsweise in die Dämmung investieren. Informationen darüber erhalten Eigentümer über Beratungen. Es werde für jeden ein individueller Sanierungsfahrplan erstellt, betonte Raphael Gruseck. Hilfe soll es zudem bei der Beantragung von Fördermitteln für eine anstehende Gebäudesanierung geben.

Konzept soll übertragen werden

Profitieren sollen von dem Modell auf Sicht jedoch nicht nur die Bewohner in dem Areal. Mit den Erfahrungen, die hier gesammelt werden, möchte man untersuchen, wie sich das System auf weitere Teile Steinheims, aber auch auf Kleinbottwar und Höpfigheim übertragen lässt. Doch damit nicht genug: „Durch den Leuchtturmcharakter des im Rahmen des Quartierskonzepts begleiteten Wärmenetz-Modellprojekts ist zu erwarten, dass sich die Wirkung des Quartierskonzepts nicht auf das Stadtgebiet begrenzt, sondern es im Landkreis und darüber hinaus klimaneutrale Wärmeversorgungssysteme im Gebäudebestand anregt und zur Umsetzung führt“, resümiert die Ludwigsburger Energieagentur in ihrer umfangreichen Studie zum Thema.

Wie Solnet funktionieren soll

Die Idee
Das Wärmenetz in Steinheim hat sogar einen Namen: Solnet wurde das Projekt getauft. Der Grundgedanke ist, auf dem schon vorhandenen Wärmeverbund im Schulzentrum aufzubauen, weitere Bausteine hinzuzufügen und am Ende ein ganzes Quartier mit Wärme zu versorgen. Als Energiequelle soll der bestehende Holzhackschnitzelkessel um einen weiteren ergänzt werden. Herzstück des System soll eine Solarthermieanlage werden, die vor allem auf dem Parkplatz des Wellariums aufgeständert werden könnte. Zusätzlich ist angedacht, eine große Luft-Wärmepumpe zu installieren. Ein Blockheizkraftwerk könnte ebenfalls hinzukommen.

Fotovoltaik
Weil bei dem Projekt ganzheitlich gedacht wird, will man auf dem Weg zur Klimaneutralität in dem Quartier auch auf Elemente wie das Casharing oder Ladepunkte für E-Autos setzen. Eine große Rolle soll zudem die Fotovoltaik spielen, für die Fachleute von der Ludwigsburger Energieagentur (LEA) enormes Potenzial sehen. Derzeit werden rund 525 Megawattstunden Sonnenstrom pro Jahr auf den Dächern des Gebiets produziert. Möglich wäre laut LEA eine Steigerung auf 5100 Megawatt.