Liebevoll von Angehörigen gepflegte Gräber werden immer seltener. Der Trend geht zu Gemeinschaftsgräbern. Foto: Werner Kuhnle

Früher waren vor allem Friedhöfe Orte des Trauerns. Doch klassische Gräber verlieren an Bedeutung, neue Formen des Gedenkens entstehen. Es gibt aber immer noch Unterschiede zwischen Stadt und Land.

Marbach und Bottwartal - Der November ist die Zeit der Totengedenktage. Doch wenn man heutzutage über einen Friedhof geht, stellt man fest, dass sich beim Gedenken an die Toten manches geändert hat. Immer mehr Gräber werden aufgelöst, und das oft schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit.

In Marbach darf ein Grab, das für 20 Jahre gekauft wurde, frühestens nach 15 Jahren aufgelöst werden. In Ludwigsburg wurden in diesem Jahr bereits 16 Gräber vorzeitig aufgelöst, zum Teil schon nach zehn Jahren.

Ruhezeiten werden selten verlängert

In Großbottwar dagegen ist es nicht gestattet, Grabstätten vorzeitig aufzugeben. Doch auch im Bottwartal gibt es Veränderungen. Eine Verlängerung von Ruhezeiten sei selten geworden, sagt Großbottwars Bürgermeister Ralf Zimmermann. Das führt dazu, dass ganze Abteilungen nicht mehr nachbelegt werden. So wurde etwa schon vor zehn Jahren ein Belegungsstopp für den historischen Teil des Friedhofs verhängt. Wenn dort dann alle Gräber aufgegeben sind, könne man langsam daran denken, den Friedhof den neuen Anforderungen entsprechend umzugestalten, sagt Zimmermann: „Früher hat man nicht an Rollatoren und Rollstühle gedacht.“

Ähnlich wird auch in Steinheim und in Marbach verfahren. „Es gibt Abteilungen, die nicht mehr nachbelegt werden“, sagt Steinheims Bürgermeister Thomas Winterhalter. Zum Teil werden die frei gewordenen Flächen auch für neue Bestattungsformen umgestaltet, Gräberfelder, Grabstelen oder Urnenwände, sogenannte Kolumbarien, werden errichtet.

Hoher Pflegeaufwand oft nicht zu leisten

Doch woran liegt es, dass das klassische Familiengrab ausgedient hat? Die Kosten spielen keine so große Rolle, wie man erwarten könnte. Urnengräber sind zwar in der Regel günstiger zu haben als Erdgräber, doch werden Urnen in Stelen oder in Urnenwänden beigesetzt, ist dies oft sogar teurer, da deren Herstellung sehr aufwendig ist. Dabei werden die Kosten dafür nur zum Teil an die Angehörigen weitergegeben.

Norbert Fischer, Leiter des Instituts für empirische Kulturwissenschaft an der Universität Hamburg, stellt fest: „Trauerkultur beschränkt sich nicht länger nur auf den Friedhof.“ Die Gründe dafür seien vielfältig. So seien beispielsweise in Großstädten wie Hamburg oder München bis zu 50 Prozent aller Haushalte Singlehaushalte. Hinzu komme eine wachsende gesellschaftliche Mobilität. „Wenn die nachfolgenden Generationen vor Ort nicht mehr da sind, das Grab nicht mehr besuchen und pflegen können, macht es eigentlich keinen Sinn, ein aufwendiges Familiengrab auf dem Friedhof zu errichten“, so Fischer. So seien ganz neue Formen der Trauer- und Erinnerungskultur entstanden. Gemeinschaftsgrabanlagen, die gemeinsam gepflegt werden, zählten zu den wichtigsten Trends aktueller Friedhofs- und Bestattungskultur.

Gärtner entwickeln mit Kommunen neue Konzepte

Die gemeinschaftliche Pflege bietet übrigens auch eine Chance für die Friedhofsgärtner, denn Urnenwände, Stelen oder Grabinseln dürfen nicht mit Blumen geschmückt werden. Doch: „Wir entwickeln gemeinsam mit den Kommunen neue Konzepte“, sagt Thorsten Baege, Geschäftsführer der Genossenschaft Württembergischer Friedhofsgärtner in Kornwestheim. Unabhängig davon würden sich viele ältere Menschen schon zu Lebzeiten um ihre Grabpflege kümmern und Vorsorgeverträge abschließen. „Ein Rückgang der Aufträge ist nicht zu bemerken“, resümiert er.

Für die Angehörigen verringern Gemeinschaftsgrabanlagen aber den Pflegeaufwand. Ein weiterer Vorteil: „Die Namensnennung der bestatteten Personen ist gewährleistet, teilweise über Gemeinschaftsdenkmäler“, macht Norbert Fischer deutlich. Eine weitere Neuentwicklung seien Naturbestattungen in Wäldern. Zudem hätten sich aber auch Formen der Trauer- und Erinnerungskultur im Internet ausgebildet, etwa in sogenannten virtuellen Friedhöfen und in speziellen Foren, die auch der Trauerbegleitung gewidmet sind. Und auch Grabkreuze am Straßenrand seien Trauerorte.

Immer mehr Feuerbestattungen auch auf dem Land

Während in Ludwigsburg anonyme Bestattungen möglich sind, ist dies beispielsweise in Großbottwar ausgeschlossen. „Eine Grabplatte mit Namen ist bei uns Bedingung“, so Bürgermeister Zimmermann. „Denn die Würde des Menschen ist unantastbar – das wirkt auch in den Tod hinein.“

Das ist aber nicht der einzige Unterschied zwischen Stadt und Land. So hat etwa Franziska Wunschik, die Erste Beigeordnete der Stadt Marbach, den Eindruck, dass im dörflich geprägten Marbacher Stadtteil Rielingshausen Gräber seltener aufgegeben werden als in der Kernstadt. Hier lebten noch viele Angehörige im Ort, glaubt sie. Dennoch nehmen auch hier Grabalternativen langsam zu. Das deckt sich mit der Beobachtung von Norbert Fischer: „Die Feuerbestattung ist historisch gesehen eher eine Angelegenheit der Städte gewesen und greift erst jetzt langsam auf das Land über.“ Auch die Frage der Religion spiele eine Rolle dabei, ob eine Feuer- oder eine Erdbestattung gewählt werde.