Maximal fünf Kinder dürfen zusammen trainieren – aber mit mehr Abstand als hier im Sommer 2020 beim FC Marbach. Foto: Archiv (avanti)

Zumindest eingeschränkt ist der Spielbetrieb im Fußball wieder möglich. Wirklich begeistert sind die Verantwortlichen jedoch nicht.

Marbach - Im März gab es mal eine kurze Phase, in der zumindest der Freiluftsport und hier insbesondere der Fußball wieder möglich war. Bis zu einer Inzidenz von 100 durfte im Altersbereich bis einschließlich 14 Jahre in Gruppen von bis zu 20 Personen „kontaktarmer Freiluftsport“ ausgeübt werden. Doch mit dem Überschreiten der 100er-Marke war es damit schnell wieder vorbei. Jetzt gehen die ersten Vereine langsam aber sicher wieder auf die Plätze.

„Das wirkt etwas planlos“

So startete der FC Marbach am Freitag wieder ins Training: „Bis zum Alter von einschließlich 13 Jahren darf laut Bundesnotbremse in Gruppen von bis zu fünf Kindern trainiert werden“, erklärt FC-Jugendleiter Björn Schmidt. Warum die Altersgrenze nun im Vergleich zum März übrigens ein Jahr niedriger ist, dafür hat auch er keine Erklärung. „Das wirkt etwas planlos.“ Immer zwei Fünfer-Gruppen sind bei der jetzigen Regelung auf dem Platz, die Trainer müssen einen tagesaktuellen, negativen Schnelltest haben. „Das ist natürlich ein hoher Aufwand und kostet die Trainer das Doppelte an Zeit, da man ja immer nur zehn Kinder parallel auf dem Platz hat, während die Mannschaften meist aus etwa 20 Spielern bestehen. Aber dennoch überwiegt natürlich die Freude, dass zumindest ein Teil wieder auf den Platz darf.“

Eltern am Spielfeldrand wären ein Problem

Bereits am Donnerstag ging es beim SGV Murr wieder los, „testweise mit der D-Jugend“, erklärt Jugendleiter Jürgen Schlimgen. „In der Folge sollen dann alle von neun bis 13 Jahren den Betrieb unter den aktuellen Vorgaben wieder aufnehmen.“ Die ganz Kleinen sind wie auch beim FC Marbach zunächst noch außen vor. „Da müssen wir erst einmal schauen, wie die Erfahrungen mit den Fünfer-Gruppen sind. Bei dieser Altersgruppe ist es ja oft auch üblich, dass die Eltern am Rand stehen. Das wiederum soll momentan eben nicht der Fall sein, da würden wir dann Probleme mit der Gemeinde bekommen“, so Schlimgen weiter.

Der Startschuss hängt von der Gemeinde ab

Nicht ganz so schnell geht es beim TSV 1899 Benningen und beim GSV ErdmannhausenBeide Vereine bereiten den Wiedereinstieg ins Training vor. „Wir sind gerade in der Planung und im Kontakt mit der Gemeinde“, sagt TSV-Jugendleiter Ulf-Peter Schmeling. Ähnlich sieht es beim GSV aus: „Wir erarbeiten derzeit zusammen mit dem Gesamtverein ein Hygienekonzept. Wann es dann los geht, hängt letztlich von der Gemeinde ab“, erklärt der Erdmannhäuser Jugendleiter Bernd Petruzzelli.

„Das ist uns zu viel Aufwand“

Beim TSV Affalterbach verzichtet man hingegen vorläufig noch auf eine Rückkehr auf den Platz. „Das Training wäre nur in Fünfer-Gruppen erlaubt, das zudem kontaktlos, außerdem müssten sich die Trainer jedes Mal testen lassen – das ist uns zu viel Aufwand, deshalb haben wir es erst einmal verworfen“, sagt Jugendleiter Alexander Junger, betont aber: „Wir stehen in den Startlöchern, alle haben große Lust. Daher hoffen wir, dass wir spätestens nach den Pfingstferien wieder loslegen können. Sollten die aktuellen Regeln aber darüber hinaus noch gelten, müssten wir uns doch überlegen, unter diesen Bedingungen zu starten.“

Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation

Gezwungenermaßen bleiben dagegen die Fußballer des TSG Steinheim bis auf weiteres noch untätig: „Die Stadt Steinheim hat nach wie vor die Vorgabe, dass die Sportanlagen bei einer Inzidenz über 100 geschlossen bleiben. Lediglich ein paar wenige Kader-Leichtathleten dürfen derzeit im Stadion trainieren“, berichtet Abteilungsleiter Thomas Joos. „Wir sind zwar mit der Stadt in Kontakt, ob die Vorgaben gelockert werden, es gibt aber noch nichts Offizielles. Zudem die Geschichte mit den Tests für die Trainer ja auch eine Kostenfrage wäre, da ja nur es ja nur einen kostenlosen Bürgertest pro Woche gibt. Alles darüber hinaus müsste der Verein bezahlen.“

Joos betont aber ebenso: „Wir würden lieber heute als morgen wieder auf die Plätze gehen. Wenn man sieht, was alles erlaubt ist – aber die Kinder dürfen nicht Fußball spielen“, fällt es ihm schwer, Verständnis für diese Maßnahme zu haben. „Im Freien ist ja offenbar der sicherste Platz, aber man drängt die Leute nach drinnen“, sagt er mit Blick auf die Aussagen der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) und fügt hinzu: „Die umliegenden Vereine sind mehr als unzufrieden mit der aktuellen Situation.“

Keine Auswirkungen auf den Sport

Die GAeF hatte am 12. April in einem offenen Brief an die Politik unter anderem geschrieben: „Die Übertragung der SARS-CoV-2 Viren findet fast ausnahmslos in Innenräumen statt.“ Im Freien werde das Virus nur „äußerst selten“ übertragen und führe nie zu sogenannten Clusterinfektionen, also breit gefächerten Ansteckungen. Auf die Coronamaßnahmen hatten diese Aussagen bislang weder für den Sport noch für andere Bereiche irgendwelche Auswirkungen. „Wenn diese Aussagen stimmen, was ich mir gut vorstellen kann, dann müsste man den Freiluftsport ja eigentlich freigeben“, findet Alexander Junger, sagt aber auch: „Ich mache mich wegen solcher Dinge inzwischen nicht mehr verrückt.“

Enttäuschung über die Verbandsbosse

Bei Björn Schmidt herrscht zudem auch noch Unverständnis über die vielen unterschiedlichen Auslegungen der Verordnung sowie die immer wieder neuen Regelungen. „Ich kann meinen Kids nicht mehr erklären, warum im März alle bis 14 Jahre trainieren durften, jetzt aber nur noch bis 13. Ein anderes Beispiel ist bei meinem Sohn, der in der U15 der Stuttgarter Kickers spielt. Die dürfen aufgrund der Spitzensportverordnung voll trainieren, fünfmal die Woche, lediglich die Trainer müssen getestet sein. Ich freue mich einerseits natürlich, aber eigentlich ist das nicht zielführend.“

Enttäuscht ist er auch von den Verbandsbossen. Denn von der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sei bislang zu wenig zu hören, dass sie von der Politik eine Öffnung für das Freilufttraining fordere. „Ich hätte schon gedacht, dass da mehr kommt.“ Bernd Petruzzelli ist hingegen „nicht überrascht. Natürlich gibt es genügend sachliche Ansatzpunkte gegen die Verordnungen. Aber es will sich doch niemand in die Nesseln setzen.“

Vertrauen in Amateursportler und Vereine

Dabei äußern die DFB-Funktionäre durchaus diese Forderungen. So sagt DFB-Präsident Fritz Keller in einem Artikel vom 22. April zur Bundesnotbremse: „Unsere Amateursportler*innen und Vereine haben mehr Vertrauen und Unterstützung verdient. Sie benötigen klare Perspektiven und keine schwer nachvollziehbaren Entscheidungen allein auf der Basis von Inzidenzwerten.“ Und der für den Amateursport zuständige Vizepräsident Rainer Koch erklärt im gleichen Artikel: „Der Amateur- und Jugendfußball stellt kein pandemisches Problem dar, sondern ist vielmehr fixer Teil der Lösung. Das muss endlich auch so akzeptiert werden.“ Um aber diesen und andere Berichte zum Thema auf der DFB-Homepage zu finden, muss man schon ein wenig suchen. Im oberen Bereich der Startseite geht es vielmehr um die Frauen-Bundesliga, die WM-Qualifikation, die Aufstiegsspiel zur 3. Liga oder um die Verlosung von fünf Trikots der Nationalmannschaft.

Zweieinhalb Absätze an Hinweisen

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG)
erklärt auf unsere Anfrage, dass man sich „streng an der wissenschaftlichen Expertise“ orientiere. Es folgen zweieinhalb Absätze Hinweise des Robert-Koch-Instituts über Infektionsgefahren in geschlossenen Räumen, wonach jedoch gar nicht gefragt war. Am Ende der Antwort steht dann: „Übertragungen von SARS-CoV-2 im Freien über Distanzen von mehr als 1,5 Meter und außerhalb von größeren Menschenansammlungen sind bisher nicht beschrieben. Das Einhalten eines Abstands von mindestens 1,5 Meter und die Vermeidung von größeren Menschenansammlungen werden daher auch im Freien empfohlen, um eine direkte Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen zu minimieren.“

Keine belastbaren Angaben zu Fallzahlen

Im Umkehrschluss ist also eine Gruppe von mehr als zwei Personen im Alter von mindestens 14 Jahren laut BMG offenbar eine größere Menschenansammlung. Denn ab diesem Alter ist Sport im Freien ja nur für maximal zwei Personen zulässig. Im Übrigen hat das Ministerium „keine belastbaren Angaben zu Fallzahlen“ von Ansteckungen im Freien. Das Robert Koch-Institut berichtet von „mindestens einen Fall im Freien“, bei dem es bei einer Unterhaltung zu einer Ansteckung kam. Beim Sport sei ein Fall dokumentiert, bei dem sich zwei Handballspieler angesteckt hätten. Die Aussage der GAeF, dass die Übertragung von Covid-19 fast ausnahmslos in Innenräumen stattfinde, wollte das RKI auf Nachfrage nicht kommentieren.

Siehe Kommentar: #stinksauer