Gemeinsam ein Team (von links): Sigrid Böhle aus Steinheim, Nicole Breuer aus Oberstenfeld, Ines Pantle aus Großbottwar und Angela Tremmel aus Oberstenfeld Foto:  

Der Beruf der Hebamme ist in der Krise. Eine Hilfe ist die Gemeinschaftspraxis für das Bottwartal. Sie hat seit wenigen Wochen in Oberstenfeld ihren Betrieb aufgenommen.

Oberstenfeld - Mit einer Gemeinschaftspraxis wollen vier Hebammen im Bottwartal ihre Arbeit entscheidend verbessern. Die mit öffentlichen Geldern geförderte Praxis ist seit April in Betrieb. Wir haben uns darüber mit der Hebamme Ines Pantle unterhalten.

Wie geht es dem Hebammen-Team im neuen Haus?

Es war ein anstrengender Weg. Zum Glück wussten wir dies nicht vorher, sonst hätten wir es uns vielleicht doch nicht getraut. Da wir unbedingt als Team arbeiten und wahrgenommen werden wollen, war die Voraussetzung die Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft.

Wie schwer war das?

Da alle damit noch keine Erfahrung hatten, war es das größte Stück Arbeit. Es gibt auch noch nicht viele Hebammengemeinschaften in Deutschland, die diese Form wählen. Jetzt sind wir glücklich, dass wir das geschafft haben. Nun können wir als Team die Frauen und Familien gemeinsam betreuen.

Wie wichtig sind die neuen Räume?

Die Einrichtung haben wir mit viel Bedacht gewählt, was sich nun im angenehmen Arbeiten in den Räumlichkeiten bemerkbar macht. Alles ist auf unsere Bedürfnisse – und letztendlich auf die der Frauen – zugeschnitten. Die Räume fördern das Miteinander: Jede von uns hat vorher für sich gearbeitet mit losem kollegialem Austausch. Nun stärkt uns die neue Gemeinschaft enorm.

Welche konkreten Vorteile bringt das Haus verglichen mit früher?

Vor allem bringt sie uns Zeitersparnis: Alle, die können, kommen nun zu uns, das sind Schwangere und Familien mit größerem Baby. Wir verbringen die Zeit nicht auf der Straße, sondern mit oder an der Frau. Mit Hilfe einer neuen Software können sich Frauen selber zu Terminen oder Kursen anmelden. Dies spart uns die Zeit beim Schreiben von E-Mails oder beim Beantworten von Telefonaten. Außerdem gibt es jetzt feste Telefonsprechzeiten. Gleichzeitig müssen die Frauen nicht mehr bei jeder Hebamme einzeln anrufen, was sehr frustrierend sein kann.

Frust und Hektik können Schwangere und Frauen kurz nach der Geburt überhaupt nicht gebrauchen.

Absolut nicht. Ganz wichtig dabei ist uns, dass wir aber alle Frauen, die sich rechtzeitig um eine Hebammenbetreuung gekümmert haben, in den ersten 14 Tagen zu Hause besuchen. Da sollte sich die Frau nicht weit vom Bett wegbewegen müssen.

Der Großteil Ihrer Arbeit findet aber nicht am Bett statt?

Richtig. Es wird immer noch Frauen geben, die wir nicht zu Hause betreuen können, etwa in den Ferien- und Urlaubszeiten, weil sie zu weit weg wohnen oder weil es unsere Kapazitäten übersteigt. Für diese Frauen besteht aber nun die Möglichkeit, in die Hebammensprechstunde zu kommen. Sie können kurzfristig Termine vereinbaren und sich bei der Telefonsprechstunde beraten lassen. Dies ist das eigentlich Neue und wir hoffen, dass wir so viel wie möglich Frauen im Bottwartal und darüber hinaus betreuen können. In der Hebammensprechstunde können wir auch die Urlaubsvertretung für andere Kolleginnen anbieten.

Bilden Sie auch Nachwuchs aus?

Wir wollen uns an der Ausbildung der Hebammenstudentinnen beteiligen. Diese Studierenden müssen ein Externat bei freiberuflich tätigen Hebammen absolvieren. Da sehr genau festgelegt ist, was die Studentin in dieser Zeit zu lernen hat, ist es für einzelne Hebammen oft nicht machbar. Im Team kann eine Studentin bei uns einen sehr vielfältigen Einblick bekommen und die geforderte Stundenzahl ableisten. Diese Externatsplätze sind sehr gefragt.

Welchen Anteil haben Gemeinde und Landkreis, dass es zu der Praxis kam?

Ohne die Zuschüsse in Aussicht zu haben, hätten wir den Schritt wohl nicht gewagt. Die Gemeinde und der Landkreis teilen sich die Förderung. Es gibt einen einmaligen Einrichtungszuschuss in Höhe von 10 000  Euro. Dazu kommt ein jährlicher Mietkostenzuschuss, der von der Größe der Praxis und der geleisteten Sprechstundenzahl abhängig ist. Das sind in unserem Fall 7200  Euro. Dies deckt aber bei Weitem nicht unsere Ausgaben. Da wir vorher zum Teil keine oder nur eine kleine Praxis hatten, sind es jetzt monatliche Fixkosten, mit denen wir planen und rechnen müssen.

Wie sehen Sie Ihre gemeinsame Zukunft nach der öffentlichen Förderung, die ja mal enden könnte?

Der Förderzeitraum von Gesundheitsamt und Gemeinde streckt sich zunächst nur über fünf Jahre. Wir planen aber auf jeden Fall mit einem längeren Bestehen des Hebammenhauses und hoffen, dass noch die eine oder andere Kollegin dazukommt. Natürlich hoffen wir auch, dass das Projekt weiterhin förderwürdig bleibt. Das Hebammenhaus soll im Bottwartal zu einem lebendigen Zentrum werden, für alle mit Kinderwunsch, in der Schwangerschaft, bei Geburt, im Wochenbett und im ersten Lebensjahr.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach noch verbessern, damit der Beruf der Hebamme weiter bestehen kann?

Eigentlich hat der Beruf ja die größte Zukunft: Selbst in diesen schwierigen und sorgenvollen Pandemiezeiten werden Kinder gezeugt und geboren. Woran man doch sehen kann, wie die Menschen trotz allem an eine gute Zukunft glauben.

Trotzdem gibt es ganz offensichtlich Probleme, Menschen für den Beruf zu begeistern.

Wie bei allen Gesundheitsberufen ist die Bezahlung in Bezug auf Arbeitszeiten und Verantwortung nicht im Gleichgewicht. In unserem Fall gibt es etwa für eine Frau, die in die Hebammensprechstunde kommt, weniger Geld als für einen Hausbesuch. Auch eine Materialpauschale können wir mit den Krankenkassen nicht abrechnen, obwohl das gleiche Material gebraucht wird. Das ist nur ein Beispiel für manche Ungereimtheiten.

Was sind Wege aus dem Dilemma?

Für freiberuflich tätige Hebammen ist auf jeden Fall die Vereinbarkeit von Beruf und Leben ein wichtiger Punkt. Geburten sind nicht planbar – und sollen es auch nicht sein –, aber dadurch sind auch unsere Arbeitszeiten oft nicht planbar. Durch das Anbieten von festen Sprechzeiten und Sprechstunden für vor und nach der Geburt wird die Arbeit geregelter.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit den Ärzten?

Wir erhoffen uns durch die Akademisierung der Hebammenausbildung einen kollegialen Austausch mit den Ärzten auf Augenhöhe. Wir Hebammen sind Expertinnen für den normalen Verlauf von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, die Mediziner sind Fachleute für pathologische Auffälligkeiten. Wir arbeiten gemeinsam für die Gesundheit von Frauen, Kindern und Familien.