Physiotherapeuten gehören zur Gruppe der systemrelevanten Berufe. Foto: Archiv (dpa/Armin Weigel)

Krankengymnasten verlieren in der Corona-Krise zwischen 20 und 50 Prozent ihrer Patienten.

Marbach - Auch Physiotherapeuten gehören zur Gruppe der systemrelevanten Berufe, die laut der Corona-Verordnung der Landesregierung ihre Praxen weiterhin öffnen dürfen. Die Praxis-Inhaber in Marbach und im Bottwartal wollen auch weiterhin für ihre Patienten da sein, doch die leereren Auftragsbücher verändern den Alltag in den Praxen, und für viele ist Kurzarbeit zumindest teilweise unausweichlich.

„Wir haben Kurzarbeit beantragt, hoffen aber, dass wir die Corona-Phase mit unseren Arbeitszeitkonten und vorgezogenem Urlaub überstehen“, sagt beispielsweise Isabel Schneider vom ImPuls in Marbach. Eine auf Wellness-Massagen spezialisierte Kollegin dürfe in ihrem Bereich nicht arbeiten und sei freigestellt. Chronisch erkrankte Dauerpatienten hätten ihre Termine für zwei bis vier Wochen ausgesetzt, im Schnitt werde jeder dritte Behandlungstermin abgesagt.

Noch bitterer trifft die Corona-Krise Holger Danko von der Physiotherapie Dankomed in Murr. „Wir stehen kurz vor der Kurzarbeit“, sagt der Chef von drei Mitarbeitern, etwa die Hälfte aller Termine werde abgesagt. Derzeit versuche man es noch mit dem Abbau von Überstunden, oder Mitarbeiter würden später kommen und früher gehen. „Unsere Praxis gibt es jetzt seit drei Jahren, und unsere Angebote wurden immer besser angenommen. Corona macht unser Geschäft jetzt richtig zunichte“, bedauert er. Richtig blöd sei es, wenn Patienten zwei Stunden vor ihrem Termin absagen würden. Das sei von der Planung her nicht mehr zu kompensieren.

Nicht ganz so dramatisch sieht es bei Stephan Schäfer von der gleichnamigen Physio-Praxis in Kirchberg aus. „Wir haben noch eine Auslastung von 80 bis 90 Prozent“, berichtet er. Dies sei aber nur so, weil es bis vor zwei Wochen noch eine Warteliste mit 30 Personen gegeben habe und die Lücken im Terminplan nach Absagen damit aufgefüllt worden seien. „Gewinn werde ich in den nächsten drei Wochen nicht machen, aber ich will Kurzarbeit so lange es geht vermeiden“, erklärt Schäfer.

In vielen Praxen haben sich die Abläufe seit der Corona-Krise verändert. „Wir haben mehrmals täglich Pausen für unsere Therapeuten eingeplant, um die Kontaktflächen in unserer Praxis desinfizieren zu können“, erzählt Isabel Schneider vom Marbacher ImPuls. Neben Flächen, Liegen und Trainingsgeräten, die bisher schon nach jeder Benutzung gereinigt worden seien, würden nun auch Türgriffe und Handläufe an Treppen mehrmals täglich desinfiziert.

Damit zusammen hängt ein weiteres Problem, vor dem viele Physiotherapiepraxen derzeit stehen: Nachschub von Desinfektionsmitteln, Mundschutzmasken und Handschuhen sei nur schwer zu bekommen. „Und das, obwohl wir zum niedergelassenen medizinischen Dienst gehören“, bedauert Isabel Schneider.

Holger Danko hat allerdings festgestellt, dass die hohen Hygiene-Standards in seiner Praxis wohlwollend zur Kenntnis genommen werden. „Früher sind wir oft belächelt worden, weil wir im Eingangsbereich einen Desinfektionsspender stehen haben und die Patienten gebeten haben, ihre Schuhe auszuziehen“, erzählt er. Inzwischen beruhige es die Patienten, dass die Therapeuten bei allen Anwendungen einen Mundschutz tragen – „auch wenn es keinen Spaß macht und wir dadurch zehn Stück pro Tag verbrauchen“, führt Danko weiter aus.

Wegen der schwierigen Nachschubsituation hat seine Frau Tanja Danko-Böhler, die sich neben dem Terminmanagement für die Praxis auch noch um die zwei kleinen Kinder zu Hause kümmern muss, mit der Nähmaschine vier Mundschutzmasken selbst genäht. „Mehr geht allerdings gerade nicht, die Nähmaschine hat ihren Geist aufgegeben“, sagt Danko-Böhler mit einem Anflug von Sarkasmus.

Immerhin einen kleinen Lichtblick sieht Isabel Schneider: Die Krankenkassen hätten die Not der Physiotherapeuten erkannt und würden jetzt erlauben, dass auch Teile einer Therapie abgerechnet werden und nicht erst ganz am Ende.

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