Grabmale sind nach wie vor das wichtigste Geschäft eines Steinmetz. Foto: KS-Images.de

Der Steinmetz Andreas Bertele in Marbach erlebt einen tiefgreifenden Wandel seiner Geschäfts.

Marbach - In Stein gemeißelt“ – damit meint man: Das ändert sich nicht mehr. Doch genau das Handwerk, das diese Fertigkeit beherrscht – die Steinmetze – erlebt derzeit einen Wandel im Geschäft, das früher einmal auf Dauer angelegt schien. Denn heute wird buchstäblich viel nicht mehr in große Steine gemeißelt. Andreas Bertele kann davon erzählen. Der kräftige Mann, der mit ruhiger, nachdenklicher Stimme spricht, ist Inhaber der „Bertele und Söhne GmbH“. Ein Steinmetz-Betrieb in der fünften Generation, als Unternehmen bereits seit 114 Jahren registriert. Leicht findet man es in der Marbacher Kirchenweinbergstraße, die parallel zu den Bahngleisen verläuft. Vor dem Gebäude stehen Grabsteine verschiedener Färbungen und in unterschiedlichen Formen in Gruppen zusammen. Ein Ensemble, das die gesamte Vielfalt der Produkte eines Steinmetzen zeigt.

„Wir Steinmetze arbeiten in einem der ältesten Gewerbe der Welt,“ erklärt Bertele. Das zeigten Faustkeile und andere frühgeschichtliche Funde. Doch aktuelle Faktoren wirken massiv auf das Geschäft ein. Allen voran die Veränderung der Begräbniskultur, der Trend weg von der Erdbestattung mit Grabstein hin zur Feuer- und Urnenbestattung in Kolumbarien, Grabkammern mit übereinander angebrachten Nischen für Urnen. „Grabmale sind nach wie vor unser wichtigstes Geschäft,“ sagt Bertele. „Das können Sie gleich hier sehen.“

Er führt in seine Werkstatt, zum Schneideplotter, einer Schneideplattform. Auf einer Unterlage liegt ein massiver viereckiger Stein, vornehm dunkelrot gemasert, bereit. Eine dunkelgrüne Folie bedeckt einen Teil und ein beweglicher Schreibarm zeichnet summend Buchstaben, Zahlen und Muster auf diese Folie. Der Name einer Frau erscheint, Daten eines langen Lebens. Daneben ein Kreuz, umrankt von Rosen. Das Muster wurde vorher am Computer erstellt. In der Regel erarbeitet mit dem Kunden, der den Stein in Auftrag gegeben hat. Der Schneidearm, entsprechend programmiert, setzt die Darstellung präzise um, Größe, Schriftart, alle Informationen und zusätzliche Elemente. Das Erstellen der Grabinschrift ist für Andreas Bertele immer etwas ganz Besonderes. Mitunter kommt dabei eine ganze Lebensgeschichte zur Sprache: „Es ist für mich ein gutes, befriedigendes Gefühl, wenn ich gemeinsam mit dem Kunden eine persönliche, individuelle Grabinschrift entwickeln kann.“

Das ist der allererste Arbeitsgang. Der zweite folgt am Schneideplotter. Die Folie ist nötig, weil man auf dem glatt polierten Stein nicht schreiben kann. Sie dient dann als Abdeckung, wenn die Markierungen im nächsten Gang mit dem Sandstrahler herausgearbeitet werden. Dazu wird das Grabmal in einem gesonderten kleinen Raum mit Absaugeinrichtung fixiert, vom Nachbarraum aus wird der Stein dann mit dem Sandstrahler quasi beschossen.

Klar, dass dafür nun nicht irgendeine beliebige Substanz verwendet werden kann. „Wir nehmen Korundsand,“ erklärt Bertele. Korund gehört zu den härtesten Mineralien überhaupt, seine Härte, gemessen auf der so genannten Mohs-Skala, beträgt 9 – Diamant, als das härteste aller Materialien, hat die Härte 10. „In etwa einer halben bis dreiviertel Stunde ist eine Inschrift fertig,“ erklärt der Steinmetz. In seiner Jugend, als er das Handwerk lernte, „habe ich noch selbst gekratzt“.

Das ist auch das Hauptgeschäft: das Anbringen der Inschrift auf Grabmälern. Die Steine werden dagegen oft schon fertig geliefert: Meist aus Indien, teils auch China. „Das läuft alles über den Preis, und die sind am günstigsten“, erklärt Bertele. Er verhehlt nicht, dass ihm diese Entwicklung missfällt: „Das Motto ‚Geiz ist geil’ ist der Tod beim Grabmal.“ Der Wandel wird konkret: Bertele zeigt eine Verschlussplatte für ein Kolumbariengrab, 30 auf 30 Zentimeter groß. Der Steinmetz bringt die Inschrift darauf an. Klar, dass der Umsatz mit dieser Arbeit sich nicht mit dem beim herkömmlichen Grabstein vergleichen lässt. „Früher haben wir im Jahr an die 100 bis 110 große Grabsteine gemacht,“ weiß der Meister. Dazu kamen Zweit- und Nachbeschriftungen, wenn eine weitere Person bestattet wurde. „Heute haben wir noch 25 bis 30.“ Auch die Statistik ist eindeutig. In Deutschland geht der Trend eindeutig hin zu weniger betreuungsintensiven Grabstätten.

Das liegt daran, dass die Mobilität wächst. Angehörige leben oft nicht mehr am Ort. Manchmal erfolgt ein Bruch auch schon früher: „Wir haben immer mehr Auflösungen von Gräbern noch vor Ablauf der Belegungsfrist.“ Das sei zwar auch eine Verdienstmöglichkeit, allerdings sieht der Steinmetz diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. „Wir bringen den Grabstein zu einer Firma, die diesen dann schreddert und für den nicht qualifizierten Wegebau verwendet.“ Die Zukunft der Steinmetze stecke voller Herausforderungen. Eine Chance für das Handwerk bestünde eventuell in Spezialisierungen, etwa für Arbeiten im Innenausbau. Trotz allem gewinnt Bertele seinem Beruf unverändert viel Positives ab. Er hat früher, als die Kommunen mehr Geld übrig hatten, an Denkmälern und Restaurierungen mitgearbeitet, unter anderem auch am Marbacher Rathaus. Ein Highlight sei auch der Obelisk in der Schlossanlage Monrepos gewesen.

In einer Ecke der Werkstatt findet sich, in Stein, der Spruch „Ecken und Kanten sind des Steinmetzen Anverwandten“. Ecken und Kanten musste Bertele in seinen vielen Berufsjahren einige meistern. Doch sein Handwerk verschafft in allem Wandel weiterhin eine ganz besondere Befriedigung. Andreas Bertele blickt über die Steine: „Das Schöne ist: Alles, was du machst, kannst du deinen Enkeln noch zeigen. Etwas, das bleibt.“