Das Gelände wird nach und nach saniert und modernisiert. Die Fassade kommt erst noch an die Reihe. Foto: Werner Kuhnle

Der Zinsser Gewerbepark in Murr ist heute Herberge für ganz unterschiedliche Firmen. Früher gehörte das Gelände zu einer Holzmehl-Fabrik. In den 50ern war hier sogar die größte Holzmühle Europas zu finden. Die Geschichte einer Entwicklung.

Murr - Florian Gärtner lehnt sich zurück und blickt sich um. Er sitzt im Biotop auf dem Zinsser Gelände auf einer Bank unter einem Holz-Pavillon. Um ihn herum zwitschern Vögel, es ist ruhig, ganz idyllisch – und der perfekte Rahmen, um zurückzublicken auf eine Zeit, in der das Areal in Murr noch Schauplatz einer besonderen Produktion war. Einer Zeit, in der noch ein Kanal durch genau dieses Biotop führte und das Gelände über einen eigenen Anschluss an die Bottwartalbahn verfügte. Eine Zeit, die 1973 mit einer kontrollierten Betriebsaufgabe endete. Heute beherbergt das Gelände zahlreiche Firmen ganz unterschiedlicher Art und ist zu einem Gewerbepark gewachsen. An die Zeiten von damals, als in der Holzmehl-Fabrik noch bis zu 50 Menschen angestellt waren, erinnert aber immer noch vieles.

Florian Gärtner ist Miteigentümer und zugleich Verwalter des heutigen Gewerbeparks. Bereits seit 1901 ist das Gelände im Besitz seiner Familie. „Mein Urgroßvater Ludwig Zinsser hat damals die Hahn’sche Mühle gekauft, eine Holzmehlmühle, und das Gelände anschließend nach und nach um- und aufgebaut zu einer Holzmehl-Fabrik“, berichtet er und blickt auf die Rückseite des großen Backsteingebäudes, von dem an vielen Stellen der Putz bröckelt und bei dem man eindeutig sieht: Es hatte schon einmal bessere Zeiten. Welche, in denen Holzmehl mega gefragt war. In denen Bakelit-Schalter, Linoleum und Raufasertapeten Hochkonjunktur hatten. In den 50er Jahren stellte man mit der Mühle in Murr gar die größte Holzmühle Europas – und produzierte, was das Zeug hielt. Damit die Ware am Ende auch zum Kunden kam, verlegte man ein eigenes Schienennetz durch das Areal, die eigene Schlosserei baute gar eine eigene Rangiermaschine, sodass die Jutesäcke schließlich voller Holzmehl direkt vom Speicher aus in die Waggons rutschen konnten. „Damals gab es hier sogar eine eigene Betriebsfeuerwehr. Die hat man aber auch gebraucht, denn es kam hier auch zu Holzstaub-Explosionen. Insgesamt gab es zwei Großbrände mit Verpuffungen, bei denen auch Menschen ums Leben gekommen sind“, blickt Florian Gärtner zurück.

Der große Einschnitt kam dann in den 70er Jahren, als „PVC groß rausgekommen ist und Linoleum abgelöst hat“, berichtet Gärtner. Innerhalb von kürzester Zeit brach der Absatz ein und Florian Gärtners Vater Manfred Gärtner, der die Fabrik zwischenzeitlich von seinem Vater Richard Zinsser übernommen hatte, musste eine Entscheidung treffen. Eine schmerzliche. Was folgte war die Betriebsaufgabe 1973 – „damals war ich gerade ein Jahr alt“, sagt Florian Gärtner.

In der Folge wurde der Kanal zugeschüttet und erste Mieter zogen in die ehemalige Fabrik ein. Nach und nach kamen immer mehr dazu. Heute beherbergt das rund 30 000 Quadratmeter große Areal rund 25 Unternehmen und Selbstständige, die jeweils eine Fläche von 10 bis 250 Quadratmetern nutzen. Wichtig war Florian Gärtner und den anderen Eigentümern bei all der Weiterentwicklung immer eines: „Wir wollten das Gelände in diesem alten Stil erhalten. Der Fabrik-Charme ist es, was das Gelände ausmacht“, sagt er. Was aber nicht heißt, dass nicht ordentlich modernisiert und saniert wurde. Ein Großprojekt jagt seit Jahren das nächste – durchweg umrahmt von kleinen Reparaturen und Schönheits-OPs. Und von denen wird es noch viele geben, da braucht sich Florian Gärtner nur umzublicken. Die Freude und der Spaß, die ihm dies jedoch macht, ist ihm anzumerken. Kein Wunder, erzählt das Gelände doch nicht nur seine eigene, sondern letztlich auch seine Familiengeschichte.