Auf der nassen Fahrbahn hat Aleko Vangelis die Kontrolle verloren. Zum Glück wurden alle nur leicht verletzt. Foto: Archiv (7aktuell.de)

Sarah und Aleko Vangelis hatten sich an Heiligabend mit ihrem Auto zweimal überschlagen. Das Erlebte hat den Blick der fünfköpfigen Familie aufs Leben verändert

Der 24. Dezember 2019 wird Aleko Vangelis immer im Gedächtnis bleiben. Der Tag hat das Leben der fünfköpfigen Familie verändert. „Wir waren auf der Autobahn Richtung Karlsruhe unterwegs, weil wir die Familie meiner Frau in Lörrach besuchen wollten“, erinnert sich der Steinheimer. Es war ein trüber, wolkenverhangener Tag und goss aus Kübeln. Für Sarah Vangelis eine schwierige Situation, denn eine Kollegin hatte bei ähnlichem Wetter aufgrund von Aquaplaning einen Unfall und liegt noch immer im Koma. „Ich wusste um die Angst meiner Frau und hatte auch das Unglück ihrer Kollegin im Kopf“, erzählt Aleko Vangelis. „Aber ich fühlte mich – typisch Mann – in unserem Auto sicher. Ich bin auch nicht gerast, sondern war auf der linken Fahrbahn mit 120 km/h unterwegs.“ Dass bei Aquaplaning schon eine weitaus geringere Geschwindigkeit zu hoch sein kann, weiß der Steinheimer. Der Bruder eines guten Freundes ist mit 80 Stundenkilometer gegen einen Baum gefahren und war tot.

Wasserteppich zieht sich über zwei Fahrspuren

Zwischen Pforzheim und Karlsruhe, auf Höhe der Anschlussstelle Remchingen, nimmt Vangelis plötzlich einen Wasserteppich wahr, der sich über zwei Autobahn-Spuren zieht. Der 41-Jährige geht reflexartig vom Gaspedal, doch es ist zu spät. „In dem Moment sind wir mit dem Auto schon nach rechts geglitten und haben uns auf der mittleren Spur um die eigene Achse gedreht“, erinnert er sich. Der Peugeot überschlägt sich zwei Mal und bleibt ganz rechts zwischen den Leitplanken auf den Rädern stehen. Ein anderes Auto ist nicht involviert. Alle sind unversehrt. Es ist wie ein Wunder.

Was bleibt in der Erinnerung hängen von solch einem schrecklichen Erlebnis? Aleko Vangelis hält inne. Die Schreie von Frau und Kindern haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt – Momente der Todesangst, die die fünf erleben. Aber der Steinheimer erinnert sich auch daran, dass gleich nach dem Unfall Menschen am Fahrzeug waren und geholfen haben. „Einer hat meine Frau und die Kids in sein Auto gesetzt und sich um sie gekümmert.“ Er selbst habe derweil – beinahe in Trance – die Konsole des total demolierten Familienautos mit einem Handtuch vom umgeschütteten Kaffee gesäubert. „Ich stand unter Schock.“

Auch Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen seien schnell vor Ort gewesen. „Alle haben einen super Job gemacht. Die Kinder haben sogar Stofftiere bekommen.“ Hängen geblieben ist auch die Reaktion des neunjährigen Sohnes, als dieser mit Mutter, Bruder und Schwester in dem fremden Auto auf die Rettungskräfte wartete. „Meine Frau stand unter Schock und hat geschrien und geweint. Da hat Louis sie am Kopf gepackt und geschrien: Mama, raff dich mal.’“

Alle kommen mit leichten Blessuren davon

Die Familie wird in zwei verschiedene Krankenhäuser gebracht. Aleko Vangelis ist bei den beiden Jungs, Louis und dem vierjährigen Elia-Noah, Sarah Vangelis ist bei der zwölfjährigen Sophia. Ein befreundetes Paar aus Steinheim hat sich derweil in zwei Autos gesetzt, um der Familie beizustehen und ihnen dann auch ein Auto zu überlassen. „Unseres war ja nur noch Schrott.“

Wie durch ein Wunder kommen alle fünf mit leichten Blessuren davon. Sarah Vangelis hat es mit einem Schleudertrauma am schlimmsten erwischt, alle anderen tragen äußerlich nur Schürfwunden davon. Die Ärzte und Sanitäter konnten es kaum glauben, dass nicht mehr passiert war, erinnert sich der 41-Jährige. Nachdem das Gepäck umverstaut ist, setzt sich Aleko Vangelis wieder hinters Steuer und fährt wie geplant zur Familie nach Lörrach, um dort Weihnachten zu feiern. „Natürlich bin ich extrem vorsichtig gefahren und die Jungs und Sarah haben bei jedem Bremsmanöver reagiert, aber es ging insgesamt besser als ich gedacht hatte.“ Im Kreise der Familie wird an dem Abend noch begonnen, das Erlebte zu verarbeiten. Und doch geht es nicht nur um den Unfall, erinnert sich Aleko Vangelis. „Wir haben auch miteinander gelacht, gespielt und einfach Weihnachten gefeiert.“ Vier Tage später fährt die Familie, ebenfalls wie geplant, mit eine großen Gruppe von Steinheimern in den Skiurlaub.

Inzwischen hat die fünf der Alltag wieder. Und doch ist nichts so wie es war. Mit Dankbarkeit und Demut nimmt das Paar das Geschenk des Lebens an. „Während des Unfalls war es so, als ob Schutzengel den Korridor freigehalten haben, dass uns kein anderes Auto erwischt“, beschreibt Sarah Vangelis das Erlebte. „Ich bin sehr dankbar, dass wir noch leben dürfen – miteinander als Familie. Und diese Dankbarkeit verändert nicht nur den Blick aufs Leben, sondern hilft auch, wenn der Alltag über einen kommt.“

Traumatherapie hilft den Kindern

Für Louis und Sophia ist der Unfall die erste „krasse Erfahrung mit dem Leben“, wie Aleko Vangelis es ausdrückt. Panikattacken sind die Folge. Doch das Reden über das Erlebte hilft den Kindern – ebenso wie regelmäßige Traumatherapiestunden. Und die Angst beim Autofahren ist inzwischen auch verblasst. „Wir haben gelernt, jeden Tag ganz bewusst zu erleben und zu leben und ganz bewusst darauf zu achten, was wertvoll für uns ist“, erzählt der 41-Jährige. Was ist wichtig im Leben? Lohnen sich Sorgen? Lohnt sich Streit? Mit welcher Haltung geht man in den Alltag? Was tut einem gut? Fragen, die sich das Paar seit dem 24. Dezember 2019 immer wieder ganz bewusst stellt.

Die Antworten sind vermeintlich simpel: Das Leben ist ein wunderbares, aber kein selbstverständliches Geschenk, denn von einer Sekunde auf die andere kann alles anders sein. Wichtig sind bewusst erlebte Momente mit der Familie und mit Freunden.

Den 24. Dezember feiern die gläubigen Christen seit letztem Jahr nicht nur als den Geburtstag von Jesus, sondern als eigenen zweiten Geburtstag und als den Tag, an dem auf der A 8 am späten Vormittag ein Weihnachtswunder geschah.