Noch ist unklar, wo Flüchtlinge in Höpfigheim unterkommen. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Es wird nun doch kein Gebäude für die Unterbringung von Asylbewerbern in den Oberen Seewiesen 45 geben. Der Eigentümer in Höpfigheim ist kurzfristig abgesprungen.

Steinheim - Vergangenen Freitag flatterte die Nachricht ins elektronische Postfach von Bürgermeister Thomas Rosner. Der Besitzer des Gebäudes Obere Seewiesen 45 wird nicht verkaufen. Die dort für 70 Personen geplante Flüchtlingsunterkunft kann an diesem Standort also nicht umgesetzt werden.

Vergangene Woche hatte Thomas Rosner in der Gemeinderatssitzung noch erklärt, die Stadt habe das Gebäude erworben. Auf Nachfrage am Freitagmittag, kurz bevor ihn die E-Mail erreichte, präzisierte er: Er habe eine schriftliche Bestätigung der Verkaufsabsicht, formal sei der Verkauf aber noch nicht abgeschlossen, der Notartermin finde aber noch im Januar statt. Ebenfalls am Freitag sollten die Details des Notartermins zum Verkauf des Anwesens abgesprochen werden, teilte der Stadtchef am späten Montagabend in einer Pressemitteilung mit. Doch dazu sei es nicht gekommen, stattdessen gab’s die Absage.

In seiner E-Mail nennt der Verkäufer mehrere Gründe für seine Entscheidung: Die Berichterstattung sei unseriös gewesen und habe ihn unnötig in Gefahr gebracht. Er habe Drohungen und Beschimpfungen erdulden müssen, angestachelt durch „die allzu offene Nennung der Adresse, als auch durch die definitiv falsche Berichterstattung“. Darüber hinaus hätten ihn die Ereignisse der letzten Wochen, nicht nur in Köln, sowie die dadurch veröffentlichten Rahmenbedingungen des Asylrechts, als auch die manipulative Berichterstattung in den Medien extrem nachdenklich gestimmt. Außerdem sei ihm klar, dass vornehmlich finanzielle Interessen aller Beteiligten den Verlauf der Verhandlungen eines möglichen Asylbewerberheims in den Oberen Seewiesen 45 gestaltet hätten. „Weder das Landratsamt, noch die Stadt wollten mein damaliges Angebot (Oktober 2015) der Vermietung auf mindestens fünf Jahre akzeptieren, da sich dies für die Interessenten nicht rechne“, führt er aus. „Der von mir, in der Not und Eile genannte mögliche Verkaufspreis meiner Immobilie spiegelt nicht den realen Wert wider. Es gibt auf dem Markt keine, auch nur annähernd vergleichbare Immobilie zu diesem Preis, mit der sich mein Projekt realisieren ließe.“

Bürgermeister Rosner hatte am Montag, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er die Absage bereits auf dem Tisch hatte, auf eine Anfrage unserer Zeitung, ob der Erwerb denn sicher sei und wann der Notartermin denn stattfinde, nichts von der Absage verlauten lassen. Man habe eine schriftliche Bestätigung der mündlich gegebenen Verkaufsabsicht, betonte er da erneut. Wirklich sicher sei ein Grundstückskauf aber erst nach der Unterschrift beim Notar, so Rosner. Hierfür gebe es aber eine gesetzliche Erfordernis einer 14-tägigen Prüfmöglichkeit der beteiligten Parteien. Insgesamt sei sehr viel Dynamik in diesen Themen, so dass sich laufend Änderungen ergeben würden. Schließlich seien nicht nur Stadt und Verkäufer beteiligt. Gerade um die Weihnachtszeit gebe es zusätzliche Verzögerungen, weil zum Jahresende überall Hektik herrsche und gleichzeitig viele Leute Urlaub hätten. Manchmal spielten auch steuerliche Überlegungen eine Rolle, so dass es für eine Partei sinnvoller sein kann, einen Grundstücks- beziehungsweise Immobilienvertrag erst im neuen Jahr umzusetzen.

Am Abend kurz vor 22 Uhr schwenkte Rosner dann um und ließ die Katze aus dem Sack. Damit steht die Kommune bei der Suche nach Möglichkeiten für Flüchtlingsunterkünfte im Stadtteil Höpfigheim wieder am Anfang. Beim ersten in Betracht gekommenen Gebäude im Höpfigheimer Gewerbegebiet in den Oberen Seewiesen 28 seien im Rahmen der Planungsarbeiten komplizierte und schwerwiegende baurechtlichen Probleme aufgetaucht, so Rosner in seiner E-Mail. Selbst ein externer Baurechtsexperte habe nicht gänzlich ausschließen können, dass mögliche Anträge vor Gericht zu erheblichen Verzögerungen des Vorhabens führen könnten.

Nach der Rücknahme der Verkaufsabsicht für das Anwesen Obere Seewiesen 45 hat die Stadt Steinheim nun momentan keine kurzfristige Möglichkeit zur Unterbringung von Flüchtlingen im Stadtteil Höpfigheim. Die Stadtverwaltung sehe sich deshalb veranlasst, nach weiteren Möglichkeiten zu suchen. Dies bedeute auch, dass bereits verworfene Möglichkeiten noch einmal gründlich unter die Lupe genommen werden müssen, so Thomas Rosner.

Hatte der Stadtchef am Montag noch erklärt, dass man aus der vorliegenden schriftlichen Bestätigung der mündlich gegebenen Verkaufsabsicht ebenso wie aus einem Vorvertrag Schadensansprüche ableiten könnte, ruderte er gestern zurück. „Ob es die Möglichkeit des Anspruches aus einer vorvertraglichen Pflichtverletzung auch bei Grundstücksverträgen gibt, habe ich bei unseren Rechtsanwälten bereits angefragt. Nach ersten Rückmeldungen dürfte das aber eher nicht zutreffen beziehungsweise sehr schwierig sein. Wenn doch, dann ginge es um die Honorare des Architekten, der die Vorplanungen erstellt hat. Wir bleiben da aber in einem mittleren vierstelligen Bereich. Ob es sich lohnt, deswegen einen Rechtsstreit einzugehen, ist für mich sehr fraglich. Schließlich würde eine gerichtliche Auseinandersetzung auch wieder Zeit und Geld kosten und nicht gerade zur Beruhigung beitragen.“

Die Argumente des Eigentümers seien sehr glaubhaft. Thomas Rosner: „Ich war lange Zeit in engem Kontakt mit ihm gestanden.“ Letztendlich habe man selbst dazu beigetragen, indem man die Entscheidung verschleppt habe, da erst eine Vergleichsberechnung habe erstellt werden müssen, obwohl klar gewesen sei, dass das Objekt Obere Seewiesen 28 extrem problembehaftet ist, verwies der Stadtchef auf die Forderung seitens der Gemeinderäte aus dem November, die wissen wollten was der Umbau des Gebäudes Seewiesen 28 und 45 kosten würde. „Wir haben dadurch rund vier Wochen Zeit verloren. Hätten wir in dieser Phase den Vertragsabschluss vorangetrieben, wäre es auch dazu gekommen.“ Dies habe der Eigentümer ihm gegenüber in einem abschließenden Gespräch noch einmal betont. „So aber haben die Ereignisse uns eingeholt und dazu geführt, dass der Eigentümer umdenkt. Es bringt jetzt nichts, Schuldige zu suchen. Wir müssen nach vorne schauen und andere Lösungen finden.“

Dazu der Kommentar von Karin Götz:

Auf Anfang

Bei der Suche nach Standorten für Flüchtlingsunterkünfte
in Höpfigheim ist man keinen Schritt weiter.Karin Götz

Alles auf Anfang. Das kann mitunter befreiend und richtig sein. Das Zerplatzen der Pläne um den Umbau des Gebäudes Obere Seewiesen 45 zu einer Flüchtlingsunterkunft, die zum einen von der Kommune für die Anschlussunterbringung und zum anderen vom Landkreis für die Erstunterbringung genutzt werden kann, ist keines von beidem. Im Gegenteil: Es stellt die Stadt vor große Probleme.

Es bringe jetzt nichts, Schuldige zu suchen, betont Bürgermeister Thomas Rosner. Man müsse nach vorne schauen und andere Lösungen finden. Da hat er Recht. Gleichwohl hat Rosner selbst schon einen Schuldigen ausgemacht. Natürlich ohne ihn direkt zu benennen. Man habe die Entscheidung des Kaufs zu lange verschleppt, da eine Vergleichsberechnung erstellt werden musste, formuliert Rosner. Die hatten im November die Räte gefordert und damit ist klar, wer nach Ansicht des Stadtchefs für die Verzögerung in großem Maße verantwortlich ist, die seiner Meinung nach den Erwerb verhindert hat. Also wieder einmal: Die anderen haben es verbockt.

Dabei hatte Rosner das Thema Höpfigheimer Flüchtlingsunterkunft zur Chefsache gemacht. Für den Erwerb des Gebäudes 28 stand der Preis, ebenso waren die notariellen Notwendigkeiten eingeleitet. Lediglich baurechtliche Probleme galt es noch zu lösen. Seine Amtsleiter hatten alles eingetütet und ihre Arbeit erledigt, doch Rosner grätschte dazwischen, legte alles auf Eis und nahm die Zügel in die Hand. Die Verhandlungen mit dem Besitzer des Gebäudes 45 führte ausschließlich er. Insofern dürfte es eigentlich nicht überraschen, dass das Vorhaben in den Sand gesetzt worden ist. Überraschen dürfte es auch nicht, dass der Rathauschef noch am Montag, also drei Tage nach der klar formulierten Absage, die Neuentwicklung trotz Nachfrage verschweigt und suggeriert, es komme zu einer Vertragsunterzeichnung. Und auch den Gemeinderäten die Nachricht erst am späten Montagabend in einer Pressemitteilung, die diesen Namen nicht verdient, vor die Füße wirft. Überraschen dürfte auch nicht, dass Rosner am Montag davon spricht, dass aus der schriftlichen Bestätigung Schadensansprüche ableitbar sind. Einen Tag später jedoch erklärt, dass dies wohl eher schwierig sei. Und der Verkäufer? Der hat auch schnell Schuldige ausgemacht. Die Presse hat’s mit verbockt. Unter anderem habe diese die Adresse genannt. Dass besagte Adresse jedoch von Thomas Rosner schriftlich bestätigt und damit freigegeben worden ist? Geschenkt. Und was die Unwahrheiten sein sollen – auch das bleibt im Verborgenen.

Alles auf Anfang – bei einem Thema, bei dem die Zeit drängt. Schlechter hätte es für die Urmenschstadt nicht laufen können. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt Steinheim nicht irgendwann zu Notlösungen gezwungen wird, die verhindert hätten werden können.