Zurücklehnen und die Beine waagerecht in die Luft. Foto: Werner Kuhnle

Die Familie Lindemann aus Steinheim betreibt in ihrer Freizeit Rennsport – auf Bobbycars.

Steinheim - Noch einmal tief durchatmen, bevor sich die Startrampe öffnet. Der Puls steigt, drei, zwei, eins – los! Jetzt gibt es kein Zurück mehr, es geht auf die Straße. Die Rennstrecke ist Steffen Lindemann vorher abgelaufen, er weiß um die steilen Kurven, Schachtdeckel und die Stellen, an denen Asphalt zum Kopfsteinpflaster wird. Dort ist besondere Vorsicht geboten. Er hält beide Hände am Lenker, lehnt sich zurück, die Beine waagerecht in der Luft – jederzeit bereit, um mit den verstärkten Gummisohlen zu bremsen.

So sieht die optimale Rennhaltung auf einem Bobbycar aus. Ja, dem Mini-Mobil der Marke BIG auf vier Rädern, das man in bunten Farben von der Spielstraße kennt. Ein Spielzeug nur für Kinder? Von wegen. Auf Bobbycar-Rennen in und um Deutschland treffen sich Rennställe von überall her, um gemeinsam die Straßen unsicher zu machen. Vorne mit dabei ist die Familie Lindemann aus Steinheim. Die fünf treten für die „Bobbycar-Speed-Elite Meimsheim“ zu Rennen an – und fahren damit sehr erfolgreich. Geschwindigkeiten von bis zu 98 Kilometer pro Stunde sind schon mal drin, erzählt Lukas Rischer, Vorsitzender der BSE Meimsheim, von besonders rasanten Fahrten. „Alles Speed aus natürlichem Gefälle“, stellt er fest, „aber Chaotengene braucht man schon irgendwo.“ Mittlerweile verfolgt der 55-Jährige die Rennen vom Straßenrand, als Moderator, statt vom Bobbycar aus.

Bekommt man es bei diesen Spitzengeschwindigkeiten nicht mit der Angst zu tun, so unmittelbar am Boden? Steffen Lindemann schüttelt den Kopf. „Angst nicht, höchstens Respekt“, erklärt der 35-Jährige. Seine Frau Jasmin Lindemann hat darauf eine sehr klare Antwort: „Man muss wissen, wie viel man riskiert – auf der Rampe pocht das Herz schon auch mal ordentlich.“

Es ist üblich unter den Rennfahrern, ihr Gefährt zu „tunen“, sie werden tiefer gelegt, mit speziellen Rollen aus der Boarderszene ausgestattet, mit Sitzschalen aus Metall windschnittig gemacht – alles für mehr Speed. Sicherheit wird aber groß geschrieben, deshalb werden die Bobbycars vor jedem Rennen einem Check unterzogen. Keine spitzen Kanten dürfen auftauchen, das Höchstgewicht von 20, 30 oder 40 Kilogramm, je nach Klasse, muss stets eingehalten werden. Was erlaubt ist und was nicht, legt ein eigenes Reglement fest.

Lederkombination und Vollschutzhelm sind in jedem Fall Pflicht. „Manchmal passiert es, dass man mit dem Helm den Boden streift“, berichtet Tochter Cleo von waghalsigen Erlebnissen. Ihr voller Einsatz zahlt sich aus: 16 Pokale zählt die Elfjährige, die auf Platz zwei der Weltrangliste in ihrer Altersklasse steht. Die beiden dreijährigen Zwillinge Lotte und Romy fahren dieses Jahr zum ersten Mal bei den Kleinen mit. Dafür haben sie einen extra Bobbycar-Führerschein absolviert, richtig Bremsen und Fahren in Kurven gelernt. Auf die Frage, was am Bobbycar-Fahren Spaß macht, antwortet Lotte: „Wenn’s quakt“, drückt auf die Hupe und rollt gleich darauf rückwärts ein Stück bergab. Sie landet in der Wiese und plumpst auf den Po – der Spaß steht vor dem Ehrgeiz.

So ist sie auch begeistert von der Idee ihres Papas: „Schuckst du mich an?“, fragt Steffen Lindemann, klappt sein Helmvisier herunter und nutzt den Schwung den seine Tochter ihm gibt, um die Steinheimer Trainingsstrecke oberhalb des Schützenhauses herunter zu rollen. Cleo und ihre Mutter Jasmin nehmen die Aufforderung zum Wettrennen an.

Und so dauert es nicht lange, bis die drei in ihrer grünen und roten Ausrüstung nur noch als drei Punkte in der Ferne zu erkennen sind, die sich auf dem Asphaltweg entlang der Felder schlängeln. Kurze Zeit später schleppen sie die beschwerten Bobbycars wieder bergauf zurück – die mit ihren 40 Kilogramm gar nicht so einfach zu transportieren sind, jedenfalls nicht mit einer Hand. Das sind sie anders gewohnt, denn normalerweise, bei den Rennen, steht ein Shuttle am Ende der Strecke bereit. Auf das laden alle ihr Mobil auf und fahren gesammelt wieder zurück. „Das ist schön, dann kann man dem Publikum aus dem Auto winken“, findet Steffen Lindemann. Und so können die treuen Fans die Fahrer aus nächster Nähe sehen, „nicht nur im Vorbeizischen“.

Oben angekommen stellt der Lagerarbeiter fest, dass sich eine seiner Longboardrollen gelöst haben muss. Er weiß sich zu helfen, klappt einen Keyboardständer auf, um das Fahrzeug „aufzubocken“. Es liegt am Radlager, erkennt er schnell. Ein paar Handgriffe später ist das Problem gelöst. Und wenn das im Rennen passiert? „Dann geht es eben nur auf drei Rädern weiter, vorsichtig.“