Martin Kuhn und Verena Staack haben zu einer virtuellen Führung eingeladen. Foto: avanti

Führungen durchs Deutsche Literaturarchiv haben am Schillersonntag Tradition. Dieses Mal musste allerdings der heimische Computer als Übermittler einspringen.

Marbach - In die kühle Stille des Literaturarchivs der Moderne hinein ertönt die Stimme von Verena Staack. Die Museumspädagogin am DLA, die für den Bereich Literaturvermittlung zuständig ist, hat am Schillersonntag die dann kostenlose Führung durch die Dauerausstellung „Die Seele“ übernommen. Keine gewöhnliche Führung, sondern eine, die im Schatten von Corona steht und die keine Besucher erlaubt. Deshalb hat sich das Deutsche Literaturarchiv zu einem digitalen Programm entschlossen, das zur Feier von Schillers Geburtstag mit diversen virtuellen Zoom-Führungen eben doch noch etwas vom Glanz der Vorjahre mitgeben kann. Und damit die Möglichkeit, „miteinander kommunizieren zu können, was wiederum mehr Nähe zulässt“, als es der aktuelle Kontaktverzicht vielen Veranstaltern aufnötigt. Fünf Themen bietet der Sonntag den virtuellen Besuchern, die im Chat Fragen in schriftlicher Form stellen können. Martin Kuhn, wissenschaftlicher Volontär im Museum, sorgt derweil dafür, dass während der Führung alles bestens koordiniert läuft. Kuhn zeigt sich als wahres Multitalent, denn seine Aufgaben bestehen darin, die Web-Kamera zu führen, auf die Bildqualität zu achten, dafür zu sorgen, dass am Ende der Führung die Fragen beantwortet werden, und vieles mehr. So kümmert er sich auch darum, dass später hinzugekommene Teilnehmer stumm geschaltet werden, um etwaige Geräusche im privaten Umfeld nicht in das Geschehen einfließen zu lassen. Schließlich soll jeder Teilnehmer den Ausführungen mühelos folgen können. Denn die haben es in sich: Wer virtuell geführt durch das Museum läuft, wird quasi an die Hand genommen und profitiert vom veritablen Wissensschatz der DLA-Mitarbeiter. Da spielt die individuelle Persönlichkeit durchaus eine Rolle: Hintergrundwissen, Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit für die diversen Exponate bekommen die Teilnehmenden als Mehrwert geschenkt.

Neun Teilnehmer sind es, die sich für die rund 50-minütige virtuelle Führung mit Verena Staack angemeldet haben und das Ganze bequem von zu Hause aus genießen können. „Dazu braucht es keinen Account, man muss nicht zwingend die Zoom-App installieren, sondern sich einfach nur über einen Web-Browser zuschalten“, erklärt Martin Kuhn, der schließlich seiner Kollegin das Signal zum Start gibt. Von da an ist Verena Staack quasi auf Sendung und beginnt in der chronologisch aufgebauten und mit 280 Exponaten bestückten „Dauerausstellung zum 20. Jahrhundert“ mit jener Vitrine, die sehenswerte Stücke ab 1900 zeigt. Etwa die Totenmaske von Friedrich Nietzsche, „die eine leicht verschobene Nase zeigt“, wie die Fachfrau mit tiefer gehenden Erklärungen deutlich macht. Die Herausforderung für Martin Kuhn zeigt sich im möglichst lautlosen Manövrieren eines Regaltisches mit Rädern, auf dem der Laptop steht, an den wiederum die Web-Kamera angeschlossen ist. Denn zahlreiche Glasvitrinen beherbergt die Dauerausstellung, und der Filmer muss nicht nur der Sprecherin geschmeidig und leise auf den Fersen bleiben, sondern auch das gerade besprochene Exponat jeweils in den Fokus nehmen. Dabei muss Kuhn auch mit Spiegelungen der Vitrinenscheiben kämpfen, um dennoch ein optisch ästhetisches Ergebnis ins Internet zu stellen. Und damit er sich nicht in den vielen Schnüren verfängt, die wie Fangarme von der Decke hängen und Textauszüge diverser Autoren in Griffhöhe bereitstellen, begleitet auch die Volontärin Alina Palesch sein Tun und räumt für ihn rechtzeitig die Hindernisse aus dem Weg.