Der Dachstock ist freigelegt und der Rohbau mittlerweile so gut wie fertig. Foto: Architekturbüro Ludwig + Ulmer

Den schwierigsten Teil bei der Umgestaltung des Marbacher Pfundhauses haben Architekten und Baufirmen gemeistert. Jetzt geht es schneller vorwärts – aber immer mit Bedacht.

Marbach - Die Kernsanierung samt Umgestaltung des Marbacher Pfundhauses gestaltete sich in der Anfangsphase nicht nur schwierig, sondern war vor allem auch zermürbend. Man hat geschafft und geschafft, aber kein richtiges Stück gesehen. Das zehrte bei den Bautrupps an den Nerven. „Wir mussten praktisch jeden Tag neu überlegen und neu entscheiden, wie wir weiter vorgehen“, erinnert sich Peter Ludwig vom zuständigen Architekturbüro Ludwig + Ulmer an die Zeit zurück, als die Gründungsarbeiten auf dem Programm standen. Im März war bei diesem Gewerk dann das Gröbste erledigt und die Decke zum Untergeschoss drauf, sagt Projektleiterin Kerstin Buck. Seitdem geht es mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts. Der Rohbau steht schon weitgehend. Das Ziel ist nun, die Einweihung Ende Juni oder Anfang Juli 2021 feiern zu können.

Der Knackpunkt bei den Gründungsarbeiten war, dass sich die Situation in der Realität anders darstellte, als die Planer am Reißbrett angenommen hatten. Man war davon ausgegangen, dass die alten Wände runter bis in den angeschlossenen Gewölbekeller reichen. „Aber das war ein Trugschluss“, sagt Peter Ludwig. Das Pfundhaus und die beiden ehemals angrenzenden Gebäude, die für die Umgestaltung abgerissen wurden, seien nach dem Marbacher Stadtbrand 1693 direkt auf dem Schutt der Vorgänger-Bauten errichtet worden. Fundamente hätten praktisch gefehlt. Darüber hinaus waren die Wände der einzelnen Trakte wild verkuddelt und oft in einem desolaten Zustand. Insgesamt also eine komplizierte und nicht zuletzt gefährliche Mixtur. Mit allergrößter Vorsicht mussten Peter Ludwig und Kerstin Buck deshalb bei den Gründungsarbeiten für den zweiten Verwaltungssitz agieren, der aus dem Pfundhaus selbst als Herzstück und zwei Neubauten drum herum bestehen wird. „Da konnte man nur in kleinen Abschnitten vorgehen, um die Standsicherheit des Gebäudes nicht zu gefährden“, betont Ludwig.

Diese Phase haben die Architekten und die Firmen vor Ort aber nun schon einige Monate hinter sich. Und inzwischen kann man schon ganz gut erahnen, wo die Rathausmannschaft einmal Akten wälzen, über Anträgen brüten und Bürger empfangen wird. Über das wohl schönste Büro darf sich der künftige stellvertretende Bauamtsleiter und Nachfolger von Ralf Lobert freuen, der demnächst zur Stadt Waiblingen wechseln wird. Von diesem Arbeitsplatz aus kann man ein grandioses Panorama genießen und bis hinüber zu den Weinbergen blicken. Die Kollegen des stellvertretenden Bauamtschefs werden sich über die übrigen Räume im Dach- und zweiten Obergeschoss verteilen. Auf der Eingangsebene und im Stock darüber sollen die Mitarbeiter vom Bürger- und Ordnungsamt einziehen. Gleich im Erdgeschoss werde zum Beispiel das publikumsträchtige Einwohnermeldeamt untergebracht, erklärt Markus Kaiser, der das Projekt für die Stadt begleitet. Allerdings können auch die oberen Etagen barrierefrei erreicht werden. Denn in dem Gebäude wird ein Aufzug fahren. Der Schacht ist schon eingezogen.

Dieser Mix aus modernen Elementen und dem Bewahren der stilistischen Tradition im Pfundhaus ist es auch, der das Projekt auszeichnet. Wo immer es geht, versuchen die Architekten die alte Substanz zu erhalten – ob bei den Holzböden, den 300 Jahren alten Balken unterm Dach oder den Stuckdecken. Eine Wand im Erdgeschoss war zwar mürbe und nicht mehr zu retten, wurde dann aber aus Bruchsteinen neu gemauert. „Man sollte das historische Haus im Haus immer ablesen können“, sagt Markus Kaiser. Insgesamt orientiere man sich bei der Sanierung daran, wie das Gebäude gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausgesehen hat, ergänzen Peter Ludwig und Kerstin Buck.

Dazu gesellen sich gestalterische Merkmale, die heutzutage beim Bauen angesagt und gefragt sind. In den Sichtachsen der Flure werden zum Beispiel zur Außenwand jeweils Glasfronten eingezogen, sodass die Fassade von einer durchsichtigen Fuge durchzogen ist. Auch bei den technischen Standards ist man auf dem neuesten Stand. Das Flachdach zwischen Pfundhaus und den beiden Anbauten bekommt eine Fotovoltaikanlage. Geheizt werden soll über Fernwärmeleitungen vom Schulzentrum aus.

Einige Stadträte hätten sich diesen Spagat lieber erspart und das Pfundhaus abgerissen, um den zweiten Verwaltungssitz komplett frei und wohl auch günstiger neu gestalten zu können. Doch da spielte der Denkmalschutz nicht mit. Und die Pflege der in Bauwerke gegossenen Geschichte hat schon ihre Berechtigung, findet Buck. „Das Haus hat einen stadtbildprägenden Faktor“, betont sie. So diffizil der Umbau damit auch sein mag: „Wenn es erst mal saniert ist, werden alle sagen: Schön habt ihr das gemacht“, prognostiziert sie. „Und wenn der Denkmalschutz gegeben ist, dann hat eine Stadt auch eine gewisse Vorreiterrolle“, findet Ludwig.