In der Tiefgarage der Gemeinde Murr am Dorfplatz wird die erste Wallbox montiert. Foto: Ralf Poller/avanti

Die Gemeinde Murr ermöglicht Mietern von Parkplätzen den Anschluss von Wallboxen. Damit tun sich manche Eigentümergemeinschaften noch schwer.

Murr - Alfred Kraski ist umgestiegen. Er fährt seit zehn Monaten einen Elektrowagen. Nur mit dem Aufladen tut sich der Rentner aus Murr noch schwer. „Meistens lade ich an öffentlichen Säulen – doch das dauert lange und ist in der Regel teuer.“ Besser soll es mit einer Wallbox auf einem Stellplatz in der Tiefgarage unter dem Murrer Bürger- und Rathaus laufen. Alfred Kraski und seine Ehefrau Ursula haben dort einen Platz gemietet. Und den stattet die Gemeinde Murr nun mit einer Wallbox aus – wobei die Kommune gleich Nägel mit Köpfen macht und die Garage für weitere künftige E-Mobilisten zukunftsfähig ausrüsten will.

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Noch sind die Kraskis Vorreiter in der Garage. Offenbar hat sonst niemand Interesse an einer Wallbox. Doch das kann sich ändern. Dank Förderprogramme sind Elektromobile lukrativ geworden. Knackpunkt sei aber nach wie vor die Lade-Infrastruktur. Ein System mit mehreren Wallboxen ist in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern nur schwer zu errichten. Viele der Eigentümer und Mieter wollen nämlich ihren Verbrenner noch lange fahren. Sie würden daher oft nicht daran, sich an den Kosten zu beteiligen. Schließlich würde der Invest nur den Fahrern der oft nagelneuen E-Autos nutzen.

Der Bürgermeister will Stückwerk vermeiden

In den Tiefgaragen trennt sich also die Spreu vom Weizen. Das weiß auch Torsten Bartzsch, Bürgermeister der Gemeinde Murr. Er ist durch die Anfrage der Kraskis in Zugzwang geraten. Denn seit Dezember 2020 hat jeder Mieter oder Eigentümer das Recht auf einen Stromanschluss für ein E-Fahrzeug – und das völlig unabhängig vom Willen der Mehrheit oder, wie im Falle der Murrer Rathausgarage, des Eigentümers. „Wir stehen noch am Anfang“, sagt Bartzsch, aber es stehe für ihn fest: Stückwerk darf es nicht geben. Denn wenn nach und nach weitere Mieter ihren Stellplatz mit einer eigenen Wallbox ausstatten, könne das Stromnetz leichter überlastet sein als mit einem Lademanagement-System, das von vornherein darauf ausgerichtet ist, Wallboxen und deren Ladungen miteinander abzustimmen.

Die Gemeinde zahlt die Wallboxen und vermietet sie

Im Laufe der Zeit will Bartzsch für die Gemeinde als Eigentümerin der Garage einige Wallboxen nachträglich anschaffen und vernetzen können. Die Stellplatzmieter würden sie dann gegen eine Monatsgebühr nutzen und den Strom aus dem Netz von einem Anbieter erwerben. „Das müsste mit einem personalisierbaren Code möglich sein.“ Acht bis zehn Wallbox-Stellplätze schweben dem Rathauschef vor. Um die Installationskosten in der Garage niedrig zu halten, könnten die Plätze an einer Wand konzentriert werden.

Elektroinstallateur empfiehlt, sich untereinander abzustimmen

Die Murrer Garage könnte damit zum Modellfall für private Objekte werden. „Ich bekomme zurzeit viele Anfragen“, erzählt Uwe Riedel, Elektroinstallateur in Murr, der das Projekt begleitet. Er rät Eigentümergemeinschaften zu einem koordinierten Vorgehen. Denn es könnte ärgerlich sein, wenn die erste Wallbox montiert worden sei, weitere folgten und sich dann herausstelle, dass die Ladeleistung im Haus nicht ausreiche. „Man kommt leicht auf fünfstellige Beträge, wenn man später bestehende Wallboxen abmontiert und ein neues System installiert.“ Es gebe Wege, sich im Vorfeld miteinander zu arrangieren. „Wenn 11 Kilowattstunden nachts zur Verfügung stehen, könnten die Wallboxen so eingestellt sein, dass sie untereinander festlegen, welches Auto wann in der Nacht aufgeladen wird.“ Mit den aufeinander abgestimmten Wallboxen könnten Hausgemeinschaften mit den vorhandenen Stromkapazitäten auskommen.

Der Netzbetreiber Syna bietet eine Beratung an

Wenn Wallboxen in den Tiefgaragen der Mehrfamilienhäuser wie Pilze aus den Boden schießen, seien Hausverwalter und Elektroinstallateure wichtige Ansprechpartner, erklärt Michael Meyle, Regionalleiter der Syna GmbH in Pleidelsheim. „Eigentümer in Mehrfamilienhäusern sollten eine mittelfristige Planung vornehmen.“ Wallboxen würden den Wert der Immobilie steigern. Gerne entsende die Syna auch Berater, die Eigentümer genauer informierten.

Die Syna selbst beobachte die Gesamtsituation des Netzes, besonders in der Nachtladezeit zwischen 23 und 5 Uhr. „Bei uns wird jede Wallbox gezählt“, sagt Meyle. Trafo-Stationen würden bei Bedarf errichtet. Die spannende Frage sei, wie die E-Mobilität sich in den nächsten Jahren weiterentwickele.

Recht auf eine Ladestation

Gesetz
 Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt seit 1951 die Belange und Interessen von Vermietern sowie Eigentümern. Die Bundesregierung hat das WEG zum 1.  Dezember 2020 geändert. Mieter oder Miteigentümer haben seitdem einen Rechtsanspruch auf die Installation einer E-Ladebox in einer Garage.

Mitbestimmung
 Die Miteigentümer und der Vermieter müssen zustimmen, aber dürfen bei der technischen Ausführung mitentscheiden. Nach einer ADAC-Umfrage vom November 2021 gibt es bisher aber nur sehr wenige Anschlüsse in Mehrfamilienhäusern.