Für die öffentliche Fläche vor der Garage von Hedi Triemer ist sie mit ihren Nachbarn zuständig. Foto: Oliver von Schaewen

Hedi Triemer schippt bei Schnee die öffentliche Fläche vor ihrer Garagenzufahrt. Dazu ist sie gesetzlich verpflichtet.

Oberstenfeld - Schnee kann schön sein, aber auch zum ärgerlichen Ballast werden. Dabei zählt Hedi Triemer nicht zu den Zeitgenossen, die kneifen. Im Gegenteil. Die 74-Jährige aus Oberstenfeld ist morgens zur Stelle, wenn die weiße Pracht auf den Weg vor ihrem Haus im Hagstolz rieselt. Sie räumt dann gleich auch noch die Zufahrt zu den Garagen frei, in denen sie und ihre Nachbarn parken.

So weit, so gut, könnte man meinen. Allerdings fällt der Rentnerin die Arbeit dann schwer, wenn viel Schnee fällt und sie mit der Schubkarre agieren müsse. „Früher hat mein Mann sich morgens betätigt und es als eine Art Frühsport angesehen“, erzählt die Oberstenfelderin. Doch sei ihr Ehemann im vergangenen Jahr schwer erkrankt und im Januar gestorben. Weil ein Schneepflug des Bauhofes morgens beim Räumen der Straße große Haufen ausgerechnet auf der „Wendeplatte“ vor ihrer Garage hinterlasse, schrieb sie der Gemeinde, ob die Kommune nicht diese Fläche miträumen könnte. „Wir zahlen schließlich Grundsteuer und kümmern uns seit fast 40 Jahren um den Versorgungsstreifen vor unserem Haus, der uns auch nicht gehört.“

Es kam zum Schriftwechsel, in dem Hans-Dieter Helber, der stellvertretende Bauamtsleiter, erklärte, dass nicht die Gemeinde, sondern Privatleute eine öffentliche Fläche räumen müssten, wenn diese Straßenstücke nicht mehr als zehn Meter von ihrem Grundstück entfernt seien. „Das ist geltendes Straßenrecht“, erklärt der Beamte im Gespräch mit unserer Zeitung und wiederholt das im Vor-Ort-Termin am Nachmittag im Hagstolz. Der Gesetzgeber ziehe bewusst die Bürger zum Schneeräumen heran, weil die Mitarbeiter eines Bauhofes morgens genug damit zu tun hätten, die Hauptstraßen und andere größere Straßen zu räumen. „Die sind da sehr in Eile“, wirbt Helber, der mit der Ordnungsamtsleiterin Diana Dubb zum Termin gekommen ist, um Verständnis.

Hedi Triemer, die zunächst noch sehr verärgert darüber schien, dass die Gemeinde ihr nicht entgegengekommen war, reagiert im Verlauf der Begegnung verständnisvoll. Es stellt sich heraus, dass Hans-Dieter Helber im Schriftwechsel auf die Gesetze hingewiesen hatte, nach denen es der Gemeinde nicht erlaubt ist, eine solche öffentliche Fläche für die Privatleute zu räumen. Helber will aber den Bauhof anweisen, er möge vor der Zufahrt möglichst keine Schneehaufen aufbauen, weil es besonders anstrengend ist, diese wegzuräumen.

Mit dieser Zusage kann Hedi Triemer etwas anfangen. Sie hatte im Schriftwechsel Helber so verstanden, dass er sich um eine Räumung der öffentlichen Fläche durch den Bauhof kümmern wolle und sich gewundert, dass nichts passiert. Dass die „Wendeplatte“ hinsichtlich der Räumpflicht ihr „gehöre“, wie Helber es im direkten Gespräch formuliert, sei für sie nach 39  Jahren eine Neuigkeit. „Jetzt werde ich jeden Morgen beim Schneeräumen damit an die Arbeit gehen, da dieses Stück mir gehört“, scherzt sie und erwähnt, „dass wir Nachbarn hier zusammenhalten“. Das heißt, man schiebe für den anderen an den Zufahrten gleich mit. „Wir sind eben so erzogen, dass wir die Straßen in Ordnung halten“, erzählt sie. Trotz der guten Vorsätze sei es aber auch so, dass nicht immer jeder Nachbar da sei. Langfristig müsse sie sich überlegen, ob sie einen professionellen Räumdienst beauftrage. Eine Flatrate findet sie jedoch überteuert: „Es gibt private Anbieter, die einen Jahresvertrag anbieten – aber dann zahlt man mehrere hundert Euro, auch wenn es überhaupt nicht schneit.“ Weiter entfernt wohnende Nachbarn hätten sich offenbar schon zu diesem Schritt entschieden, um die Gehwege vor ihren Häusern zuverlässig frei zu bekommen. Hans-Dieter Helber weiß um diesen Dienstleistungssektor: „Wir als öffentliche Hand dürfen diesen privaten Wettbewerb nicht durch eigene Angebote unterlaufen.“