Duda, Scholz und Macron (v. l.) treten nach dem Treffen vor die Presse. Foto: AFP/THIBAULT CAMUS

In der Not findet der deutsch-französisch-polnische Gesprächskreis wieder auf Chefebene zusammen. Scholz’ Regierung will ihn trotz der Schwierigkeiten mit Warschau im Sinne einer neuen europäischen Stärke auf der Weltbühne ohnehin wiederbeleben.

Berlin - Olaf Scholz, gerade auch G-7-Präsident, ist aus Washington zurück, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der zurzeit den EU-Ratsvorsitz führt, kam frisch aus Moskau und Kiew – dazu noch mit der angeblichen Zusicherung des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Gepäck, auf weitere Eskalationen im Grenzgebiet zur Ukraine zu verzichten, die von einem Kremlsprecher jedoch gleich dementiert wurde. Was also lag näher, als nach den beiden Krisenmissionen Präsident Andrzej Duda aus Polen dazu zu bitten? Sein Land steht derzeit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor, die sich ebenfalls um eine Befriedung zwischen ihren beiden Mitgliedern Russland und Ukraine bemüht.

Aus der diplomatischen Not geboren wurde mit dem Treffen im Kanzleramt am Dienstagabend eine Konstellation, die sich auf höchster Ebene schon lange nicht mehr zusammengefunden hat. Der bis dato letzte Gipfel des sogenannten Weimarer Dreiecks hatte vor ziemlich genau elf Jahren stattgefunden, am 7. Februar 2011 in Warschau – Anlass war das 20. Jubiläum.

Hans-Dietrich Genscher stand Pate

Im Jahr 1991, kurz nach der Wiedervereinigung, vom damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) in Weimar ins Leben gerufen, sollte der Gesprächskreis helfen, auch mit Polen zu einer Versöhnung nach deutsch-französischem Muster zu kommen und die junge Demokratie an die Gemeinschaft heranzuführen – nach dem polnischen EU-Beitritt diente er dann der Abstimmung in der Europapolitik. Es kam schon Sand ins Getriebe, als die Kaczyński-Brüder Mitte der Nullerjahre an die Macht kamen, es folgten jedoch lange Jahre europafreundlicher Politik unter dem späteren EU-Ratschef Donald Tusk.

Seit der Rückkehr von Kaczyńskis PiS-Partei an die Macht und der Migrationskrise haben sich die innereuropäischen Beziehungen jedoch verschlechtert – gerade an diesem Dienstag kündigte die Brüsseler EU-Kommission an, Polen die Fördermittel zu kürzen, weil es ein europäisches Gerichtsurteil nicht umsetzt. Bei Scholz’ Antrittsbesuch in Warschau Anfang Dezember kam bei der Pressekonferenz mit Ministerpräsident Mateusz Jakub Morawiecki gleich die Forderung nach Reparationszahlungen für das „Meer aus Blut und Tränen“ während der Nazi-Besatzungszeit auf den Tisch.

Um auch wieder anders miteinander umzugehen, haben sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, das Dreieck wiederzubeleben und „mit konkreten Projekten voran zu bringen“. „Gerade jetzt könnte Deutschland mit einem ambitionierten Plan fürs Weimarer Dreieck punkten“, so der FDP-Europaexperte Michael Link: „In Polen warten Oppositions- und Regierungsparteien gleichermaßen auf eine die Interessen der Mittelosteuropäer stärker respektierende Haltung Berlins als unter der Groko.“

„Eine neue europäische Ostpolitik“

Zu den Ideen gehören eine intensivierte Zusammenarbeit in den Grenzregionen, „etwa über sogenannte Grenzscouts, Regionalräte oder Experimentierklauseln“, wie der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Christian Petry, sagt. Man werde aber auch „die parlamentarische Dimension stärken. Nach den Wahlen in Frankreich sollte so schnell wie möglich wieder ein Treffen von Abgeordneten aus allen drei Ländern stattfinden“.

Seinem Parteifreund Michael Roth, der in der alten Regierung Europastaatsminister war und nun den Auswärtigen Ausschuss leitet, schwebt noch Größeres vor. „Wir brauchen eine neue europäische Ostpolitik, die auch die historischen Erfahrungen und die konkreten Bedrohungsängste weiter Teile der Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa mitdenkt“, so Roth, „und die können wir nur gemeinsam entwickeln!“ Dass sich das Trio Scholz/Macron/Duda trifft, hält er deshalb für „überfällig und notwendig“. Das Format könne „dabei helfen, dass die EU auf der Weltbühne endlich geschlossener und entschlossener auftritt“.

Scholz, Macron und Duda versuchen am Dienstagabend zumindest diesen Eindruck zu erwecken. Duda freut sich über die Einladung zu dem „historischen Treffen“ und betont die Gemeinsamkeit gerade im Ukrainekonflikt: „Wir müssen zeigen, dass wir mit einer Stimme sprechen und eine Gemeinschaft sind.“ Scholz sagt, in West- wie in Osteuropa seien sowohl die Lageanalyse wie die Haltung dazu „identisch“. Macron verweist auf den Frieden als „größter Schatz Europas“, den zu bewahren man alles tun werde. Er deutet dann noch an, dass für eine Lösung des Konflikts „in den vergangenen Tagen neue Ansätze entstanden sind“.

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