Saša Stanišić hat für sein Werk „Herkunft“ unter anderem den Deutschen Buchpreis erhalten. Foto: privat

Die Jury hat sich bei ihrer Wahl erstmals für einen Schriftsteller entschieden.

Marbach - Der Schillerpreis der Stadt Marbach wird 2021 an Saša Stanišić verliehen. Die Entscheidung für den Schriftsteller, die die Jury unter dem Vorsitz von Bürgermeister Jan Trost im März traf, begründete diese wie folgt: „Als Dramatiker, Philosoph und Historiker setzte sich Friedrich Schiller mit Macht und Herrschaft, Krieg und Revolution und dem Kampf um individuelle Freiheit auseinander. Themen, die auch den Lebensweg und das Schaffen des diesjährigen Preisträgers kreuzten.“

Für Saša Stanišić, geboren 1978 in Višegrad im damaligen Jugoslawien, war der Bürgerkrieg in Bosnien und Herzegowina ein prägendes Erlebnis. Als 14-Jähriger flüchtete er mit seinen Eltern nach Heidelberg, lernte die deutsche Sprache, auch mit Hilfe von Literatur – Kafka und Brecht, Eichendorff und Hölderlin. Den Krieg und die Flucht machte er zum Gegenstand seines Debütromans „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ (2006), der in 31 Sprachen übersetzt wurde und weltweit Anerkennung fand. Frei nach Schillers „Räubern“ verfasste er eine dramatische Szene und nannte sie „Die Vampire“ (2009). Sein Roman „Vor dem Fest“ (2014), ein literarisches Mosaik, in der Uckermark verortet, wurde unter anderem mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

Zwischen Komik und Tragik

Erfindungsreich und virtuos erzählt Stanišić Geschichten von Abschied und Ankunft zwischen Komik und Tragik. Sein Werk ist voll ruheloser Gestalten, viele von ihnen sind stets unterwegs, einige freiwillig, andere wären es lieber nicht. Sein bislang letztes Buch für Erwachsene, das autobiografische „Herkunft“ (2019), ist ein meisterhaftes Spiel um Zugehörigkeit und Selbstbestimmung, Erinnerung und eine Aral-Tankstelle. Saša Stanišić erweist sich darin einmal mehr als origineller Grenzgänger zwischen Fantasie und Konvention. Seine Stimme ist prägend in den künstlerischen und gesellschaftspolitischen Debatten unserer Zeit.

Zum ersten Mal seit Bestehen des Schillerpreises reiht sich mit Stanišić nun ein Schriftsteller in die Riege der Preisträger ein. Dass die Ehrung dieses Mal auf einen Kollegen fällt, dürfte sicher auch Schiller gefallen haben, der schon 1788 bemerkte: „Du weißt, wie wohl einem bei Menschen ist, denen die Freiheit des anderen heilig ist.“ (Schiller, F., Briefe. An Gottfried Körner, 14. November 1788)

Preis ist mit 10 000 Euro dotiert

Der mit 10 000 Euro dotierte Preis wird am 10. November, dem 262. Geburtstag Friedrich Schillers, von Bürgermeister Jan Trost überreicht. Ob die Verleihung und der Empfang im Anschluss im gleichen Umfang wie seither üblich beibehalten werden können, steht aufgrund der Corona-Pandemie noch nicht fest. Die Rahmenbedingungen können demnach erst später unter Berücksichtigung der dann gültigen Vorgaben erörtert werden.

Der Schillerpreis der Stadt Marbach wurde erstmals zum 200. Geburtstag Friedrich Schillers im Jahr 1959 verliehen. Bis zum Jahr 2007 wurde mit ihm alle zwei Jahre eine hervorragende Arbeit auf dem Gebiet der Landeskunde von Württemberg ausgezeichnet.

Verleihkriterien geändert

Anlässlich des Schillerjahres 2009 veränderte der Gemeinderat die Verleihungskriterien. Der Preis geht nun an Persönlichkeiten, die in ihrem Leben oder Wirken der Denktradition Schillers verpflichtet sind. Preiswürdig ist der Einsatz für einen ethisch verantwortbaren Freiheitsbegriff im Sinne des Dichters. 2009 wurde erstmals nach den neuen Kriterien der Molekularbiologe und DDR-Bürgerrechtler Jens Reich ausgezeichnet, im Jahr 2019 ging der Preis an die Entwicklungsbiologin Christiane Nüsslein-Volhard.