Auf dem Podium diskutieren Stefan Baltensperger, David Siepert, Karin Götz, Christof Martin und Friedemann Kuttler (von links). Foto: Werner Kuhnle

Talk mit Kultur, Kunst und Kirche: Beim Leserforum der Marbacher Zeitung ist es um Werte gegangen.

Marbach - Die Bedeutung von Werten wird vor allem dann gern zitiert, wenn es im Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu Konflikten kommt. Doch was sind uns Werte überhaupt noch wert? Dieser Frage ist am Dienstagabend das Leserforum der Marbacher Zeitung vor stark sechzig Besuchern im Schlosskeller auf den Grund gegangen. Angeregt hatte es Melanie Salzer vom Kulturamt. Denn das städtische Kunstprojekt der beiden Schweizer Stefan Baltensperger und David Siepert „Der Marbach“ – eine Wertmarke, die man für ganz verschiedene Dinge in der Schillerstadt einlösen kann – stellt genau die Frage, was uns etwas wert ist. Eine einfache Antwort auf ein schwieriges Thema hat es nicht gegeben. Aber interessante Aspekte und Lösungsansätze.

Den Fragen der Leiterin der Lokalredaktion der Marbacher Zeitung, Karin Götz, stellten sich außer den beiden Schweizer Künstlern auch Christof Martin, der Leiter des Friedrich-Schiller-Gymnasiums, und Friedemann Kuttler, evangelischer Pfarrer in Großbottwar.

Wie man auf die Idee komme, Zigtausende von „Marbachs“ prägen zu lassen, wollte Karin Götz von den Künstlern wissen. Gute Ideen entstünden meistens beim Spielen, entgegnete Stefan Baltensperger. Und als sie per Zufall von dem nie genutzten Münzprägerechts Marbachs erfahren hätten, sei die Idee geboren worden. „Geld hat selbst keinen Wert, nur dadurch, dass alle es einsetzen und daran glauben“, sagte Baltensperger.

Und David Siepert ergänzte, es sei ihnen wichtig gewesen, den Begriff „Wert“ mit einem kulturellen Wert zu unterlegen. Ebenso, dass die Werte verhandelt werden müssten.

Sie habe den Eindruck, dass der Begriff „Wert“ gerade im Bereich des Immateriellen fast schon inflationär eingesetzt werde, sagte Karin Götz. Friedemann Kuttler bestätigte, dass jede Partei von Werten rede und jede etwas anderes meine. Inflation sei in diesem Bereich aber an sich nichts Negatives. Denn jeder sei bereit, sich für seine Werte einzusetzen. David Siepert meinte, man bekomme von seinem Elternhaus einen Werterucksack mit, über den man sich normalerweise keine Gedanken mache. Und Christof Martin erklärte, die Werte einer Familie müssten nicht identisch sein mit denen in der Schule: „Da gibt es Reibungen.“ Wichtig sei daher ein Konsens bei Sekundärtugenden wie Respekt, Toleranz und Achtung vor dem anderen.

Friedmann Kuttler betonte, es sei wichtig, Vorgaben zu haben, weil Jugendliche bei zu viel Freiheit oft hilflos seien, doch: „Wer darf sagen: Das ist richtig? Wir Pfarrer sind’s nicht mehr, und die Lehrer leider auch nicht mehr.“ Er kam zu dem Schluss, dass man sich eine Vorbildfunktion erarbeiten müsse, indem man Werte vorlebe. Auch Christof Martin war der Ansicht, man müsse sich Respekt verdienen.

Ob die Tendenz zur Individualisierung von Werten eine Chance für die plurale Gesellschaft sei oder nicht, wollte Karin Götz wissen. David Siepert sagte, die Abgrenzung zu anderen Kulturen und die Konflikte, die sich daraus ergäben, würden viele Kunstprojekte anstoßen. Der Künstler Stefan Baltensperger hat „das Gefühl, dass wir gesellschaftlich in einer Art Adoleszenz stecken.“

Auf die Frage, wie man es schaffen könne, mit unterschiedlichen Kulturen auf ein Mindestmaß an gemeinsamen Werten zu kommen, entgegnete Friedemann Kuttler, früher sei die christlich-abendländische Tradition die Basis gewesen, heute sei er etwas ratlos: „Vielleicht ist es nur der Wille, hier gemeinsam leben zu wollen.“

Auch die Neugier und Offenheit spiele ebenso wie der Respekt eine Rolle, ebenso die Bereitschaft zum Zuhören, fanden mehrere Redner. Für Friedemann Kuttler ist sein Glaube ganz zentral, „weil sich daraus alles andere ableitet.“

Von einem Werteverfall mochte übrigens keiner reden, nur von einem Wertewandel. Und den habe es immer schon gegeben.

SWR2 hat einen kurzen Beitrag zu der Veranstaltung produziert (ab Minute 2:20).