In Marbach ist Wohnraum für Familien knapp. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Gemeinderat will so Wohnraum für Familien schaffen. Genaue Regularien sind aber noch unklar.

Marbach - Vor drei Jahren hat Robert Feiger, der Vorsitzende der IG Bau, einen Vorschlag unterbreitet, der für einige Diskussionen und noch mehr Empörung sorgte. Feiger hatte angeregt, Senioren eine Umzugsprämie zu zahlen, wenn sie ihre bisherigen vier Wände gegen ein kleineres Zuhause tauschen. Damit sollte Platz für junge Familien geschaffen werden. Seniorenverbände und Vertreter aus der Politik kritisierten, dass der Markt kein entsprechendes Angebot für ältere Bürger hergebe, und wenn doch, dann zu kaum erschwinglichen Preisen. Ungeachtet dieser Diskussion und der Bedenken von vor drei Jahren entschied der Marbacher Gemeinderat nun, eine solche Umzugsprämie für Senioren einzuführen.

Die Initiative dafür war von der Gruppe Puls ausgegangen. Deren Vertreter Hendrik Lüdke und Benjamin Flaig waren wohl selbst überrascht, dass sie für ihren Antrag eine Mehrheit fanden. Damit war im Vorfeld nämlich eher nicht zu rechnen, weil sich die Verwaltung gegen den Vorstoß ausgesprochen hatte. Im Laufe der Diskussion bildete sich aber eine klare Mehrheit für die Idee. Damit werden ältere Damen und Herren, die eine für Familien geeignete Immobilie zugunsten einer kleineren Wohnung aufgeben, künftig mit einer Prämie von 2500 Euro belohnt.

Der Erste Beigeordnete Gerhard Heim hatte vor dem abschließenden Votum betont, dass die Verwaltung es auch begrüße, wenn Senioren sich zu diesem Schritt durchringen. Allerdings werde die Entscheidung kaum durch eine Zahlung von 2500 Euro beschleunigt. „Der Schlüssel zum Erfolg ist einfach, dass man entsprechende Bauflächen entwickelt, wo solche Wohnungen entstehen können. Dann wird dieser Automatismus automatisch eintreten“, betonte er. „Das ist der springende Punkt. Wenn es kein Angebot an solchen Wohnungen gibt, wird man mit dieser Prämie auch nichts erreichen. Wo sollen die Leute hinziehen, wenn es keine seniorengerechten Wohnungen gibt?“, pflichtete der Bürgermeister Jan Trost bei.

Hendrik Lüdke wunderte sich, dass die Verwaltung den Vorschlag abblocken wollte. Es gebe doch kein Risiko, meinte der Puls-Mann. Geld fließe schließlich nur im Erfolgsfall. Barbara Eßlinger von den Grünen zeigte sich ebenfalls irritiert über die Haltung der Rathausspitze. „Wir gehen immer davon aus, dass wir neuen Wohnraum brauchen. Ich kann Wohnraum aber auch einfach tauschen“, erklärte sie.

Jan Trost wandte ein, dass für das Modell genaue Kriterien benötigt würden. Was passiere, wenn jemand in ein Altenheim umziehe?, fragte der Bürgermeister rhetorisch. Solle derjenige dann auch in den Genuss des Bonus kommen? „Das müsste man ein bisschen entwickeln“, machte auch Martin Mistele von den Freien Wählern keinen Hehl daraus, dass man über das exakte Prozedere noch diskutieren müsse. Grundsätzlich halte er das Ganze aber für einen überlegenswerten Ansatz. Jürgen Schmiedel von der SPD plädierte dafür, im Verwaltungsausschuss eine Lösung mit verbindlichen Richtlinien zur Abstimmung vorzulegen. Ein Vorschlag, mit dem am Ende alle leben konnten. Der Antrag von Puls wurde im Grundsatz bei zwei Enthaltungen abgesegnet.

Damit dürfte Marbach landesweit zu den Vorreitern gehören. Gerhard Heim hat jedenfalls bislang keine Kommune ausfindig machen können, die die Bonuszahlung bereits eingeführt hätte, wie er auf Nachfrage sagt. „Uns ist bisher nicht bekannt, dass Kommunen eine Umzugsprämie für Senioren als Anreiz bezahlen“, sagt auch Iris Bohlen, Leiterin des Präsidentenbüros des Gemeindetags Baden-Württemberg. Mindestens eine gibt es aber doch. In Lörrach setzt die städtische Wohnbau auf dieses Instrument, berichtet Christiane Conzen, Referentin für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Städtetag Baden-Württemberg. „Das ist ein gutes Instrument, um große Wohnungen frei zu machen“, ergänzt Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags und ehemalige Oberbürgermeisterin von Lörrach.

Falk Dieter Widmaier vom Landesseniorenrat bricht ebenfalls eine Lanze für die Prämie – auch wenn es aus seinem Verein vor einigen Jahren noch kritische Stimmen zu dem Thema gab. „Es ist gut, wenn sich jemand zu einem Umzug durchringen kann“, erklärt Widmaier. Die Pflege des Gartens oder das Inschusshalten des Hauses könnten mit der Zeit zum Problem werden. Der Schorndorfer rät aber davon ab, zu große Abstriche zu machen und als Paar in eine Zwei-Zimmer-Wohnung zu ziehen. Vor allem, wenn einer der Partner pflegebedürftig werde, sei es sinnvoll, einen zusätzlichen Raum zur Verfügung zu haben. „Wenn man umzieht, sollte man das auch rechtzeitig machen“, betont der Wohnbeauftragte des Landesseniorenrats. Je älter ein Mensch werde, umso schwerer sei es, die gewohnte Umgebung zu verlassen.

Aufmerksam verfolgt man auch bei der Stadt Ludwigsburg die aktuelle Entwicklung in der Schillerstadt. „Der Beschluss in Marbach ist eine interessante Idee, die wir gerne beobachten“, sagt Pressesprecher Peter Spear. Allerdings sei derzeit nicht daran gedacht, dem Beispiel zu folgen. „Aus unserer Beratungsarbeit wissen wir, dass die meisten älteren Menschen in ihrer Umgebung bleiben wollen. Oft ist eine Beratung zur Wohnungsanpassung wichtiger, also eine seniorengerechte Umgestaltung der Wohnung“, erklärt er. Eine Prämie würde in vielen Fällen den Wechsel einer Wohnung nicht beschleunigen, sondern könnte vielmehr zu einem nicht gewünschten Mitnahmeeffekt führen.