Am Sonntag wird der neue Bürgermeister gewählt.. Foto: dpa

Drei Marbacher SPD-Räte haben ohne Genehmigung des Ordnungsamtes einen offenen Brief verteilt.

Marbach - Der Wahlkampf um das Bürgermeister-Amt in Marbach sorgt für immer mehr Brisanz. Nicht nur, dass sich die Ratsfraktionen von CDU und Grünen zusammen mit zwei SPD-Räten hinter Herausforderer und SPD-Mitglied Timo Jung gestellt und in einer Zeitungsannonce zusammen mit 74 Bürgern bekundet haben, ihn wählen zu wollen. Jetzt haben sich auch die SPD-Stadträte Ernst Morlock, Jürgen Schmiedel und Heinz Reichert aktiv in den Wahlkampf eingeschaltet. Die Drei haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie nicht nur bekunden, Trost wählen zu wollen. Sie rufen die Marbacher auf, es ihnen gleich zu tun – und gehen damit noch einen Schritt weiter, als Union und Grüne. Unterschrieben haben auch der SPD-Gemeinde- und Ortschaftsrat Lothar Sondermeyer, die SPD-Ortschaftsräte Uli Lauterwasser und Christiane Scheuing-Bartelmess sowie Puls-Stadtrat Hendrik Lüdke.

Am Samstag standen Morlock, Schmiedel und Reichert sogar in der Marbacher Fußgängerzone am Wahlkampfstand von Jan Trost. Sie trugen Schilder mit der Aufschrift „Vielen Dank, Herr Trost“ um den Hals und verteilten ihren offenen Brief. Da die Marbacher Zeitung sie als Gemeinde- und Ortschaftsräte nicht in einem Leserbrief zu Wort kommen lasse, gingen sie nun diesen Weg, heißt es in dem Schreiben, das am Wochenende auch in vielen Briefkästen landete. Zur Erinnerung: Die Statuten unserer Zeitung besagen seit vielen Jahren, dass sich Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden, nicht in Leserbriefen äußern dürfen.

Auf Facebook macht die Frage die Runde, ob die Verteil-Aktion auf dem Markt genehmigt war. Offensichtlich war sie es nicht. Laut Franziska Wunschik, die Erste Beigeordnete der Stadt, sind „Verstöße gegen das Straßenrecht Baden-Württemberg“ begangen worden. „In dieser Angelegenheit werden wir gegen die jeweiligen Betroffenen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten.“ Sprich: Gegen die drei SPD-Räte, die ihre Aktion nicht beantragt hatten und sie daher auch nicht genehmigt bekommen haben. Jan Trost hatte hingegen für seinen Stand eine Sondernutzungserlaubnis.

„Nachdem wir einige falsche Behauptungen in Leserbriefen in der Marbacher Zeitung nicht auf dem gleichen Weg richtigstellen konnten, was wir akzeptieren, haben wir uns für diesen Weg entschieden, um dazu Stellung zu beziehen“, erklärt Ernst Morlock. „Wir wussten allerdings nicht, dass wir dafür eine Genehmigung gebraucht hätten. Ich bin jeden Samstag auf dem Marktplatz und sehe dort oft Leute, die Flyer verteilen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die alle eine Genehmigung haben. Allein deshalb war mir nicht bewusst, dass man das braucht“, so Morlock weiter. Er betont aber: „Wir haben einen Fehler gemacht. Das bedauern wir, und wir werden die Konsequenzen tragen.“ Wie diese aussehen könnten, erklärt Franziska Wunschik: „Das Straßengesetz Baden-Württemberg sieht einen Bußgeldrahmen bei vorsätzlicher Tatbegehung von bis zu 500 Euro, bei fahrlässiger Tatbegehung von bis zu 250 Euro vor. Vorsatzbegründende Indizien haben wir derzeit keine.“ Man nimmt den drei Räten offenbar ab, dass ihnen nicht bewusst war, dass sie eine Genehmigung benötigt hätten.

Nun hätte die ganze Geschichte schon in normalen Zeiten die eingangs bereits erwähnte Brisanz. Allerdings sind dies keine normalen Zeiten. Und so stellt sich auch die Frage, ob die Aktion einen Verstoß gegen die Corona-Auflagen darstellt. Morlock, Schmiedel und Reichert gehören nicht zum Hausstand von Jan Trost. War es also coronakonform, dass sie sich am Stand des Schultes aufhielten? „Diese Problematik war uns natürlich bewusst, und wir haben uns bemüht, die Abstände immer einzuhalten“, sagt Morlock, fügt jedoch hinzu: „Das ist schwierig, und es wird sicherlich auch Situationen gegeben haben, in denen wir etwas enger zusammen standen. Es haben ja auch mal Passanten mit uns diskutiert. Aber wie gesagt: Wir haben uns um den nötigen Abstand bemüht.“ Ob zu dem Ordnungswidrigkeitenverfahren noch weiterer Ärger auf die drei Räte zukommt, wird aber an anderer Stelle entschieden: „Was die Verstöße gegen die CoronaVO anbelangt, so werden wir den Sachverhalt zuständigkeitshalber nach entsprechender Ermittlung an das Landratsamt Ludwigsburg zur Ahndung abgeben“, heißt es dazu von Wunschik.