Eine Darmspiegelung wird unter Narkose vorgenommen. Foto: KS-Images.de / Karsten Schmalz/Karsten Schmalz

Viel zu wenige unterziehen sich in Baden-Württemberg einer Darmspiegelung. Dabei ist die Vorsorgeuntersuchung bei Ärzten Routine. Eine Reportage aus dem Krankenhaus.

Marbach - Für die Helferin Renate Wolz ist vieles schon Routine. Der erste Patient liegt an diesem Dienstagmorgen gegen 8 Uhr bereits behandelt in einer Ruhezone. „Er kam schon um 6.30 Uhr – wir müssen vor der Darmspiegelung viel überprüfen: die Räume, die Apparate und die Papiere“, erzählt die Assistentin im Marbacher Krankenhaus. Die Routineuntersuchung, die Männer vom 50. Lebensjahr an unbedingt einmal in einem Jahrzehnt machen lassen sollten, kann Leben retten. Kleine, gutartige Polypen im Dickdarm früh genug erkennen und gleich entfernen, bevor sie zu bösartigen Tumoren werden: Diese Chance will der Marbacher Facharzt Dr. Dirk Weimann an diesem Vormittag sechs Patienten eröffnen.

Etwa 20 Minuten später liegt Herbert Müller (Name geändert) auf der Behandlungsliege. „Dann kommt auch schon gleich das Spritzle“, flötet Renate Wolz ihm zu. Wenig später ist Müller ins Reich der Träume versunken. Etwa 80 Prozent der Patienten lassen sich betäuben. Aber auch für die betäubten Patienten gilt: „Seitdem Kohlendioxid in den Darm geblasen wird, ist die Behandlung erträglicher geworden“, weiß Wolz. Trotzdem schrecken immer noch viel zu viele vor der Früherkennung zurück. Nach einer Statistik aus dem Jahr 2016 liegt die Quote bei den behandlungsberechtigten Patienten über 50 Jahren in Baden-Württemberg bei nur 16 Prozent. Damit ist das Ländle bis dahin Schlusslicht im Bundesvergleich gewesen, hat der behandelnde Arzt Dr. Dirk Weimann herausgefunden.

Inzwischen hat Weimann den Monitor des medizinischen Apparateturms eingeschaltet. Während Renate Wolz über die Anästhesie wacht, führt ihre Kollegin Ellinor Ahnert den 1,60 Meter langen Schlauch mit der Endoskopspitze in den After des Patienten ein. „Man muss hier Hand in Hand arbeiten – der eine muss wissen, was der andere macht“, hat Ahnert vorher erklärt. Und ihr Chef bestätigt: „Ohne ein erfahrenes Team wäre das hier nicht zu leisten.“ Insgesamt sind an diesem Vormittag sechs Assistentinnen im Einsatz. Unter anderem muss das Behandlungsbesteck in zwei Waschmaschinen nach der Behandlung sorgsam gereinigt und desinfiziert werden.

Auf dem Monitor tauchen die ersten Bilder auf. Das Innere des Darms ist zu erkennen. Die rosafarbene Schleimhaut dominiert. „Alles, was nicht dieser Farbe entspricht, ist erst mal von vornherein verdächtig“, sagt Weimann. Doch noch bewegt sich die Kamera vorwärts, erst bei der rückwärtigen Bewegung entstehen verlässliche Aufnahmen. „Man muss bis zum Übergang vom Dickdarm zum Dünndarm kommen – das ist eine der Qualitätsvorschriften und wird per Foto dokumentiert“, erklärt der 49-jährige Weimann, der jährlich derzeit rund 200  solcher Koloskopien vornimmt und auch nach dem geplanten Abzug der Inneren Abteilung aus dem Marbacher Krankenhaus im Juli 2020 mit einem Kollegen diese Grundversorgung am Standort weiter leisten wird.

Jetzt wird es spannend: Gründlich durchkämmt Weimann mit dem drehbaren Endoskop die Darmwindungen. Alles sieht gut aus, nur an einer Stelle ist eine kleine punktuelle Wölbung erkennbar. Ein Minipolyp. Durchschnittlich einer von 15 Patienten hat solche Wucherungen. Sie gelten so lange nicht als gefährlich, wie sie früh genug erkannt und entfernt werden. Renate Wolz spannt einen Draht mit einer Mikrozange ins Endoskop ein. In Windeseile entfernt Dirk Weimann den Polypen. Das Gewebe wird eingeschickt.

Nach etwa einer Viertelstunde ist die Untersuchung beendet. Renate Wolz spricht Herbert Müller an, der langsam wieder zu sich kommt. Seine Frau wartet draußen schon auf ihn. Sie wird ihn nach Hause fahren. Nach der Narkose brauchen die Patienten auf jeden Fall eine Betreuung, denn ein kreislaufbedingter Schwächeanfall kann immer vorkommen. Wer die Prozedur ohne Polypen überstanden hat, braucht zehn Jahre nicht mehr zu kommen. Ansonsten greifen Vorsorgeprogramme, bei denen die Patienten in kürzeren Intervallen zur Darmspiegelung kommen müssen.