Noch ist unklar, wie es auf dem Gesundheitscampus konkret weitergeht. Foto: Werner Kuhnle

Der Landrat Rainer Haas will auf dem Marbacher Gesundheitscampus eine Privatklinik durch einen Investor bauen lassen – doch die Stadt weigert sich, die Baugenehmigung zu erteilen.

Marbach - Eigentlich ist Rainer Haas als Landrat in diesen Tagen enorm entspannt. Im jährlichen Ringen um die Kreisumlage, die ungeliebte Abgabe der Kommunen ans Landratsamt, schlägt er erst gar nicht vor, diese zu erhöhen. Und ab dem 1. Januar, wenn sein Nachfolger amtiert, will er erst einmal Skifahren und eine Auszeit nehmen. Doch ein Konflikt kocht kurz vor Ende der 24-jährigen Amtszeit des Landrats hoch.

Es geht um den Klinikstandort Marbach. So wie in Vaihingen wird der Standort aufgegeben, um alle Kapazitäten in den großen Kliniken der Regionalen Kliniken Holding (RKH) in Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen zu konzentrieren. Als Ersatz wurde den Marbachern stets ein Gesundheitscampus zugesichert. Doch dieser lässt schon einige Zeit auf sich warten, obwohl er schon vor Jahren angekündigt worden ist.

Der Grund liegt in einem Zwist zwischen Rainer Haas und dem Marbacher Bürgermeister Jan Trost. Der Landrat steht nach eigener Aussage in den Startlöchern, ein Seniorenwohnheim der Kleeblatt-Gruppe und eine psychosomatische Tagesklinik auf dem Areal zu bauen. Dazu soll, so die Idee des RKH-Klinikverbundchefs Jörg Martin, ein Pflegehotel kommen – für Patienten, die nach der Operation zwar entlassen sind, aber noch eine Versorgung wünschen. „Wir verhandeln sogar mit den Kassen darüber, dass ein Teil der Kosten gedeckt wird“, sagt Rainer Haas.

Doch die Marbacher zögern mit der Baugenehmigung. Der Grund: Sie wollen erst dann grünes Licht geben, bis das gesamte Gelände bis auf den letzten Quadratmeter verplant ist. Der Gemeinderat sieht das als „Faustpfand“ dafür, dass anstelle des schmerzlich vermissen „Kreiskrankenhauses“ auch etwas Hochwertiges von großer Dimension entsteht.

Als Stückwerk sieht der Marbacher Bürgermeister Jan Trost den Vorstoß des Landrats an. „Während es klar ist, wie es am Klinikstandort Bietigheim weitergeht, hängt der Gesundheitscampus Marbach weiterhin in der Luft“, sagt er und bezieht sich auf einen Beschluss des Kliniken-Aufsichtsrats, die Standorte Bietigheim und Marbach gleichzeitig voranzutreiben. Es müsse verbindliche Klarheit geben, wie es auf dem Gesundheitscampus weitergehe. Dazu zählt laut Trost die Zukunft der Belegklinik, ein zweites Ärztehaus, aber auch eine endoskopische Praxis sowie die private psychosomatische Praxis. Die Entscheidungen darüber seien bislang vom Klinikenaufsichtsrat und vom Landrat immer verschoben worden. Über die Zukunft der Belegklinik etwa solle erst im zweiten Halbjahr 2020 entschieden werden. „Somit liegt der Ball im Spielfeld des Landrats – wenn er im Aufsichtsrat die entsprechenden Beschlüsse herbeiführt, wird es sehr zügig auf dem zukünftigen Gesundheitscampus weitergehen.“

Den Beschluss zur Belegklinik hatte Haas verschoben, weil der Bund möglicherweise plane, die Krankenhausfinanzierung zu ändern. Dies hatte er im Interview mit dieser Zeitung im Dezember 2017 mitgeteilt. Für Belegkliniken seien laut Haas etwa Mindestmengen, Qualitätszuschläge und -abschläge sowie Anforderungen an die Klinikstruktur im Gespräch. Eine Begründung, die aus Sicht von Olaf Sporys, Geschäftsführer der RKH für die orthopädische Klinik in Markgröningen, zutrifft. So solle der Bau und Betrieb der chirurgischen Belegklinik erst mit dem Unternehmensplan 2021 beschlossen werden.

Eile ist aus Sicht von Rainer Haas dagegen beim Bau der psychosomatischen Klinik und des Pflegehotels geboten. „Wir müssen jetzt loslegen, damit die Betreiber nicht wieder abspringen“, sagt er. Der Landrat will gar nicht die ganze Fläche des Geländes verplanen. Nicht nur, weil er das für unrealistisch hält. „Wer auf die ganz große Lösung wartet, der wartet auf Godot“, zitiert Haas das bekannte Theaterstück von Samuel Beckett, in dem zwei Landstreicher warten und warten – und Godot niemals auftaucht.

Der Kreischef will einen Teil der Flächen auch ausdrücklich für die Zukunft reservieren. „Wenn wir im Bietigheimer Klinikum das neue Zentrum für Geriatrie anbauen, ist dort kein Platz mehr für Erweiterungen“, erklärt der 63-Jährige. Deswegen sei es sinnvoll, in Marbach Flächen vorzuhalten. „Wir haben diese in den vergangenen Jahren in handtuchgroßen Stücken erworben“, sagt Haas.

Rainer Haas sich mit Jan Trost und den Fraktionschefs im Marbacher Gemeinderat treffen, um eine Lösung auszuloten. „Der Landrat hat unsere Fraktionsvorsitzenden und mich im Dezember zu einem Abschlussgespräch zu sich ins Landratsamt eingeladen“, erklärt Trost. Dabei wolle er mit ihnen seine Sicht der Dinge besprechen, um eine Lösung für den Gesundheitscampus Marbach zu finden. Die Sorge des Landrats, dass nach einer Gesamtverplanung des Areals nicht mehr genügend Reserveflächen für Bietigheim zur Verfügung stünden, teilt Trost nicht. Das zweite Ärztehaus und besonders die Endoskopie seien für die Bevölkerung in Marbach und der Umgebung wie auch dem Bottwartal von großer Bedeutung. Es gebe schon jetzt lange Wartezeiten, wenn Patienten etwa eine Magen-Darm-Spiegelung außerhalb vornehmen lassen wollten. Der Raum Marbach und das Bottwartal seien einwohnerstark und würden weiter wachsen. In Marbach gebe es weitere niedergelassene Ärzte, die Erweiterungsbedarf haben. Die geplante Belegklinik sichere etwa Knie- und Hüftoperationen von Marbacher Ärzten und sei ein großer Wunsch. „Über diese Bausteine brauchen wir Klarheit.“

Offenbar ist Rainer Haas längst nicht der einzige Ansprechpartner für die Marbacher, wenn es um die Zukunft des Campus geht. Er sei mit allen Kandidaten, die sich auf die Nachfolge des Landrats beworben haben, im Gespräch, teilt Jan Trost mit. Die Resonanz sei durchweg positiv. Alle Kandidaten hätten erklärt, im Falle ihrer Wahl das Thema „Gesundheitscampus Marbach“ zeitnah zu fixieren. Einer von ihnen, der Kornwestheimer erste Bürgermeister Dietmar Allgaier, hat bei einer Diskussion gesagt: „Der Gemeinderat in Marbach und die Bürger haben ein Recht darauf, zeitnah zu erfahren, wie es weitergeht.“

Der Konflikt in Marbach ist nur ein Teil der großen Krankenhausdebatte. Diese prägen auch die Diskussion um den Kreisetat, die am Freitag mit der Haushaltsrede von Rainer Haas begonnen hat. Der Schuldenstand der Kliniken beträgt allein 100 Millionen Euro, Tendenz weiter steigend. An den Akutkrankenhäusern Bietigheim und Ludwigsburg sowie in Marbach sind 50 Millionen Euro weitere Investitionen geplant. Daher haben die Kreispolitiker schon im Verwaltungsausschuss diese Woche entschieden, eine Rücklage von zehn Millionen Euro für die Kliniken zu bilden. Finanziert wird dies aus Überschüssen von 2018. Diese Strategie hatte man schon im vorigen Sommer so beschlossen. Damals schlug Haas vor, die Kreisumlage von 27,5 auf 28 Prozent zu erhöhen, um für die Kliniken vorzusorgen. Die Fraktionen lehnten das ab – sicherten aber zu, künftige Überschüsse auf die hohe Kante zu legen. „Wir sind jetzt froh, dass wir damals diese Diskussion vom Zaun gebrochen haben“, sagt Haas nun, ein Jahr später. Und bedankt sich dafür im Kreistag.