Dieses Transparent haben die Seiter-Brüder aufgehängt. Foto: Sandra Brock

Kulturschaffende in der Stadt wollen den Abriss des alten Kinos verhindern.

Marbach - Die Mitglieder im Technischen Ausschuss haben mehrheitlich für den Abriss des ehemaligen Kinos in der Güntterstraße gestimmt. Das letzte Wort in der Sache hat aber am Donnerstagabend das Gesamtgremium, das in Rielingshausen in der Gemeindehalle tagt. Und eines steht fest: Es wird spannend,denn sicher ist die Mehrheit nicht. Das wurde schon in der Ausschusssitzung deutlich. Den Pro-Stimmen von SPD und Freien Wählern samt Bürgermeister für den Abriss und das Schaffen von Intereims-Parkplätzen standen Nein-Stimmen von CDU, Grünen und Puls entgegen.

Der Antrag von Puls-Rat Hendrik Lüdke, eine Entscheidung zu verschieben, war abgelehnt worden. Morgen wird Lüdke erneut einen Antrag stellen. Geht es nach der Gruppe Puls, soll baldmöglichst eine offene Arbeitsgruppe gebildet werden, die dann Ideen entwickelt, wie das Gebäude im Interesse der Einwohner genutzt werden kann. Die Ideen und Ergebnisse sollen anschließend von der Verwaltung und gegebenenfalls von externen Fachleuten auf den Bedarf und deren Realisierungsmöglichkeiten hin analysiert werden. „Diese Analyse ist Grundlage für den Gemeinderat, über den Erhalt und Sanierung des Gebäudes zu entscheiden“, heißt es in dem Antrag.

Auch außerhalb des Ratsgremiums macht sich vor der Sitzung Widerstand gegen die Abrisspläne breit. Vor allem von Kulturschaffenden. So gibt es einen Brief an die Mitglieder des Gemeinderates von den beiden FSG-Lehrerinnen Anja Abele und Kerstin Sonnenwald sowie der Fachschaft des Kunstprofils intermediale Kommunikation und Theater (Kimko), der von Schulleiter Christof Martin unterstützt wird. In ihm bitten sie die Mandatsträger, sich für die weitere Interimsnutzung des alten Kinos als Kunst- und Kulturraum der Schulen und Vereine einzusetzen und derweil die Neuplanung des Areals inklusive eines Kulturzentrums angehen zu können. Seit 2015 wurden im Kino mit rund 250 Schülern verschiedene Projekte realisiert, erinnern Abele und Sonnenwald. Außerdem seien zwei Gastveranstaltungen von Externen umgesetzt worden und auch von weiteren Künstlern wie etwa dem Verein Südlich vom Ochsen sei der Raum intensiv genutzt worden. Auch in der „Nachtschicht Kunst“ sei es ein fester Bestandteil geworden. Das Friedrich-Schiller-Gymnasium könnte im alten Kino in Zukunft einen angemessenen Aufführungsraum finden, heißt es in dem Brief. Etwa für Kimko- oder Theater-AG-Produktionen. „Aber auch die anderen Schulen und Vereine sollten einen solchen Kunst- und Kulturraum nutzen können. Hier könnten Schularten übergreifende Projekte ihren Platz finden, Kooperationen mit Vereinen und vieles mehr.“

Besagte vorgeschlagene Nutzung sei eine sinnvolle Interims-Lösung, bis das von Dieter Baader und Hermann Püttmer vorgeschlagene Kulturzentrum entstehe (wir berichteten). „Wir wissen, dass dieses Konzept, nicht kostenneutral zu realisieren wäre und wir wissen auch, dass die Kommune in den letzten Jahren viel Geld insbesondere in die Sanierung des FSG gesteckt hat. Das schätzen wir und dafür bedanken wir uns. Dennoch möchten wir darauf aufmerksam machen, dass nach wie vor Räumlichkeiten fehlen, um die künstlerische, kreative Arbeit an den weiterführenden Schulen in geeigneten Räumen zu präsentieren und zu vernetzen oder Veranstaltungen mit mehr als 200 Schülern kostenfrei abzuhalten“, heißt es in dem Brief an die Gemeinderäte. Die Entscheidung über die künftige Nutzung des alten Kinos sei eine große und wichtige Chance, der kreativen, künstlerischen Arbeit an den Marbacher Schulen und den kulturell wirksamen Vereinen den dringend notwendigen Raum zeitnah zu verschaffen. „Das wäre ein wichtiges und großartiges Zeichen seitens der Kommune, den großen pädagogischen und gesellschaftlichen Wert dieser Arbeit anzuerkennen.“ Andererseits befürchte man, dass sich in absehbarer Zeit keine neue biete, da sowohl die innerstädtische Lage als auch die großzügigen Räumlichkeiten ihresgleichen suchen.

So sieht es auch der Vorsitzende des Vereins Südlich vom Ochsen, Mark Scheuerle. „Der Raum ist groß und bietet den Kulturschaffenden Möglichkeiten, die es anderswo nicht gibt“, sagt er. Sicher werde das Gebäude irgendwann einmal abgerissen werden müssen, aber auch dann sollte Raum für Kultur geschaffen werden. „Deshalb unterstützen wir die Pläne von Herrn Püttmer – wenn in der ersten Ebene ein Kulturzentrum entsteht. Leer stehende Läden haben wir genug und Parkplätze sind langweilig – zumal aus zwei Jahren leicht fünf werden.“ Seit vergangenen Dezember sind die beiden Brüder Felix und Manuel Seiter im alten Kino und bemalen dort Wände für die lange Kunstnacht. Auch sie setzen sich für den Erhalt des Gebäudes ein und drücken ihren Protest mit einem Banner aus, das am alten Kino angebracht ist. „Wer nichts waget, der darf nichts hoffen“, dieses Zitat von Friedrich Schiller haben sie auf das Transparent geschrieben. „Eigentlich ist mit dem alles gesagt“, so Felix Seiter. Bislang hätten alle, mit denen er geredet habe, mit Entsetzen und Unverständnis auf die Abrisspläne reagiert. Und sein Bruder Manuel fügt an: „Kultur braucht Freiraum, durch Freiraum entsteht Kultur.“