Volker Wirtz dirigiert die Boote, um zum Beispiel Kollisionen zu vermeiden. Foto:  

Bei der 53. Marbacher Regatta standen wie gewöhnlich die Ruderinnen und Ruderer im Mittelpunkt. Doch wie in vielen anderen Sportarten geht auch hier nichts ohne die Kampfrichter.

Marbach - Vom Ufer aus wirkt alles so ästhetisch. So elegant, so leicht. Wie das schmale Boot durchs Wasser schneidet, zwei Oberkörper, die synchron vor- und zurückschnellen, vier Ruderblätter, zwei rechts, zwei links, die ein- und austauchen, ohne Spritzer, ohne Fehler. Wie eine gut geölte Maschine gleiten die Doppelzweier in der Klasse Junioren-Mixed bei Sommerwetter im Herbst an diesem Samstagnachmittag durch den Neckar bei der 53. Ruderregatta in Marbach. Im Boot sieht’s anders aus. Da wird gepumpt und gekeucht. Die Arme brennen, die Oberschenkel sind schwer wie Blei, die Lunge ist leer, das Herz hämmert, das Laktat lähmt. Die Zuschauer bekommen davon wenig mit und sehen nur die geschmeidigen, fließenden, aufeinander abgestimmten Bewegungen, die das Rudern so faszinierend machen.

Sophie Stadler kann diese Abläufe aus einer ganz besonderen Perspektive bewundern, denn sie fährt in einem motorisierten Katamaran hinter dem Rennen her. Seit 2016 ist die 28-Jährige Wettkampfrichterin. Sie genießt diesen Moment, es ist ihr erster Einsatz seit fast zwei Jahren, weil es während der Pandemie keine Rennen gab. Deshalb geht sie die Aufgabe auch sehr konzentriert an. Sie steht in dem kleinen Boot mit einem Megafon in der Hand, um einen guten Überblick über den Rennverlauf zu haben. Vier Boote kämpfen um den Sieg in dieser Klasse. Bojenketten, welche die Bahnen voneinander abgrenzen, gibt es keine. Das erhöht die Schwierigkeit für die Athletinnen und Athleten, die sich schwerer orientieren können, aber auch für die Wettkampfrichter. Beim Rudern ist es ähnlich wie beim Fußball – ein Schiedsrichter sollte möglichst nicht auffallen. Das erfordert Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Beides bringt die Frau vom Heidelberger Ruderklub mit. Sie war selbst lange aktive Ruderin und Steuerfrau. „Da kann man sich besser reindenken in die Sportler“, sagt Sophie Stadler.

Eingegriffen wird nur bei gravierenden Verstößen.

Sie greift also nur bei gravierenden Verstößen ein - beispielsweise bei einer belangreichen Behinderung. Diese liegt vor, wenn ein Boot seinen Kurs in der Weise ändert, dass wiederum eine oder mehrere andere Teams vom eigenen Kurs abweichen müssen, beim Überholen behindert werden oder einen Zusammenstoß mit einer anderen Mannschaft oder einer Streckenmarkierung verursacht. Sofern ein Schiedsrichter eine belangreiche Behinderung feststellt, kann er eine Zeitstrafe von 60 Sekunden über die verursachende Mannschaft verhängen oder diese ausschließen. Sophie Stadler muss in diesem Rennen nicht aktiv werden und hebt erst im Ziel die weiße Flagge, um den Teilnehmern zu signalisieren, dass alles korrekt abgelaufen ist. Gleich ist sie noch beim Junioren Einer AII/III im Einsatz – aber auch hier gibt es keine Zwischenfälle. An diesem Samstag kentert aber auch schon mal ein Boot. Der Schiedsrichter kümmert sich dann um die Bergung des Bootes, während die DLRG sich des gestrandeten Ruderers annimmt.

Die Taktung bei der Regatta ist eng. 64 Rennen müssen die Organisatoren vom Marbacher Ruderverein allein am Samstag möglichst im Zeitplan durchführen. Damit auch bei den Wettkampfrichtern alles klappt koordiniert Elke Rittner als Wettkampfoberfrau ihre acht Kollegen und Kolleginnen. Das ist eng bemessen, daher könnte es sein, dass auch Rittner selbst noch eine Schicht übernehmen muss. Rudern ist seit fast 40 Jahren die Leidenschaft der Marbacherin. Für sie ist es der schönste Sport überhaupt, weil man Kraft, Technik und Gefühl in eine Balance bringen muss. Und deshalb engagiert sie sich ehrenamtlich. „Wir sind in unserem Sport auf Augenhöhe mit den Athletinnen und Athleten“, sagt sie. Vor allem der Nachwuchs, der noch mit jeder Menge Respekt aufs Wasser geht, ist froh über die Anweisungen der Schiedsrichter, wenn das Boot dem Ufer oder dem Konkurrenten zu nahekommt. Von einem guten Miteinander berichtet auch Tim Thiele vom Ruderverein Nürnberg. Der 18-Jährige wurde vor zwei Jahren Deutsche Meister im Doppelvierer bei den B-Junioren und Teamsportler des Jahres in Nürnberg. „Letztlich profitieren alle davon, wenn die Schiedsrichter rechtzeitig eingreifen“, sagt Thiele. Das haben sie bei der 53. Marbacher Regatta zum Glück nicht allzu oft tun müssen und die Rennen am Ende allesamt gut über die Bühne beziehungsweise über den Neckar gebracht.