Stefanie Kerker hat die Auswüchse des Optimierungswahns veralbert. Foto: avanti

Stefanie Kerker hat vor vollem Haus im Schlosskeller einen überzeugenden Auftritt hingelegt. Die Kabarettistin nahm die Leistungsgesellschaft auf die Schippe und lieferte dabei überraschende Pointen.

Marbach - Dem Imperativ unaufhörlicher Optimierung, dem gesellschaftlichen Zwang, sich ständig mit anderen zu vergleichen, kann keiner entkommen. Erst recht nicht ein Publikum bei Stefanie Kerker. Denn die Kabarettistin drehte zum Auftakt ihres Programms „Lizenz zum Trödeln“ den Spieß um: „Nach jeder Veranstaltung rate, also bewerte ich mein Publikum. Es ist mir ein Anliegen, dass Sie Ihr Bestes geben. Großbottwar neulich hatte fünf Sternchen . . .“

Unerwartete Perspektivenwechsel, überraschende Pointen und eine souveräne Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist des Immer-Besser-, Immer-Schneller-Werdens – das alles bot Stefanie Kerker. Volle zwei Stunden lang unterhielt die Künstlerin das Publikum im ausverkauften Marbacher Schlosskeller am Freitagabend bestens und hielt ihm einen Spiegel vor.

Kerker klagte nicht an, sie plauderte einfach über ihr Leben und das ihrer Freundinnen – hier Anke, die Öko-Orientierte und Antikapitalistin, da Katrin, die smarte Unternehmensberaterin, und deren Freund Steven. Sie alle schlagen sich durch ein Leben, in dem vor allem „Performance“, also volle Leistung, erwartet wird. Die ständig weiter aufgebesserte Lebensbilanz, so Kerker, zähle auch am Himmelstor. Dort entscheide jetzt eine Jury – „Petrus hat sich versetzen lassen“. Die Entscheidung falle nach dem Kriterium: „No Performance, no Paradise.“

Die Kabarettistin nahm Auswüchse des Optimierungswahns auf die Schippe. Großartig, wie sie übertriebene Besorgnisse zukünftiger Mütter durch den Kakao zog. Statt „neun Monaten Bummelschwangerschaft, Prae 9“ sei jetzt das beschleunigte „Prae 8“ angesagt, gelte es doch, möglichst bald und schnell „Kinder aus deutscher Wertarbeit“ in den weltweiten Wettbewerb zu bringen. Denn dort marschierten bereits „1,4 Milliarden Chinesen“ auf, und „die sind fit!“

Sehr breit das Spektrum: von neudeutscher Buddha-Spiritualität über die Worthülsen der schönen neuen Arbeitswelt – „wir haben keine Probleme mehr, wir haben Themen“ – bis hin zum Umweltsiegel, das in Supermärkten inzwischen allgegenwärtig sei. Mit Wortwitz setzte Kerker etliche Pointen: Sie stellte zum Beispiel das „Kategör“ vor, ein überaus praktisches Möbelstück mit Schubladen, in die man jeden schnell und bequem einsortieren könne. Das alles meisterte die Künstlerin im fliegenden Wechsel zwischen Monolog, Sketch und Songs. Sie spielte Ukulele sowie Blockflöte und hämmerte mit Boomwhackers, unterschiedlich langen bunten Plastikröhren, auf den Tisch. Zum Finale posierte die Kerker in einer Stellung wie einst James Bond, nur hielt sie statt der Walther PPK eine grüne Wasserpistole ans Kinn – um dann entfesselt auf alle die umherschwirrenden Satzfetzen loszuballern, die die Menschen zum nimmermüden Vergleichen und weiterer Optimierung bis in den Wahnsinn treiben. Sie hat sie alle erfolgreich abgeschossen, den Performance-Terror zum Schweigen gebracht – und verkündete strahlend, im 007-Sound, „I got the License to – chill“, also: Ich habe sie, die Lizenz zum Chillen, ich darf jetzt trödeln und die Beine hochlegen. Starker Beifall von den Zuschauern, und Stefanie Kerker bescheinigte ihnen zum Schluss mit einem Augenzwinkern: „Fünf Sternchen . . .“