Der Goldschmiedemeister Markus Wiesner stellt in seiner Beilsteiner Werkstatt außergewöhnliche Trauringe nach einem japanischen Verfahren her. Foto: KS-Images

Die Trauringe, die Markus Wiesner fertigt,sind außergewöhnlich. Er muss aber sehr sorgfältig arbeiten, damit sie nicht in der Scheidung landen.

Beilstein - Ganz ehrlich: Dieser Reportage-Termin hat meine Vorstellungskraft einige Male überfordert. Nun gut, Geometrie hat auch noch nie zu meinen Stärken gehört. Und so kann ich mir auch zunächst nicht erklären, wie man aus einem rechteckigen Stück aus verschiedenen Edelmetallen, das mit seinen Schichten an den Kuchenklassiker „Kalter Hund“ erinnert, einen Ring schmieden kann – und zwar ohne dabei die linke und rechte Seite zusammenfügen zu müssen und damit eine Fuge zu erzeugen.

Der Goldschmiedemeister Markus Wiesner vom gleichnamigen Schmuckgeschäft in Beilstein quittiert meine mangelnde Fantasie mit einem nachsichtigen Lächeln. Immerhin setzt er die Mokume Gane-Schmiedetechnik, die vor rund 400  Jahren von einem japanischen Schwertschmied entwickelt wurde, seit fast 15 Jahren ein und hat daher jede Menge Erfahrung. Und sich damit zugleich einen so guten Ruf erarbeitet, dass die Kunden nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland und zum Teil sogar aus dem Ausland kommen.

Palladium, Silber, Gelbgold, Rotgold und Platin – das sind die Metalle, aus denen das Band für das hoffentlich andauernde Eheglück geschmiedet wird. Dabei sind Variationen je nach Wunsch des glücklichen Paars möglich, weil Markus Wiesner auch das Ausgangsstück selber herstellt, indem er die verschiedenen Metalle miteinander verschweißt. Von manchen Ideen rät der Fachmann allerdings ab: „Nicht alle Kompositionen sehen gut aus“, weiß er. Nur wenige beherrschen diese Technik in Deutschland, weiß der ältere Bruder des Goldschmieds, Michael Wiesner, der für das Marketing zuständig ist. „Man braucht dazu ein gutes Auge und auch Fingerspitzengefühl“, betont er. Denn schon beim schichtverschweißten Ausgangsmaterial könne es schnell passieren, dass die einzelnen Schichten auseinanderbrächen. „Und dann müssen sie zum Scheidgut“, nennt er den Fachbegriff fürs Edelmetallrecycling. Was für ein trauriges Schicksal – statt einst als Ringe ein Paar miteinander zu verbinden, wird schon das Ausgangsmaterial geschieden . . .

Bei Markus Wiesner läuft aber alles wie am Schnürchen. Der Vierkant wird unter dem Gasbrenner erhitzt und ausgeglüht, dann abgeschreckt. So wird er weich und kann in sich gedreht werden. Dann wird daraus wieder ein Vierkant geschmiedet. Der Meister geht dabei wie ein normaler Schmied zu Werke: mit Hammer und Amboss. Dann folgt der entscheidende Schritt auf dem Weg zum Ring: Das Werkstück wird der Länge nach bis kurz vor die beiden Enden aufgeschnitten. Dieser Schnitt wird dann nach und nach aufgespleißt. Und unter unseren staunenden Augen wird sichtbar, dass sich eine Raute entwickelt, die später zum Ring geformt wird.

Immer wieder überprüft der Goldschmied bei den einzelnen Arbeitsschritten, wie sich das Material verhält. „Wenn es beginnt zu reißen und man es früh genug erkennt, kann man es noch retten“, erklärt er den Grund für die Sorgfalt. Falls nicht, droht wieder Scheidung statt Trauring – siehe oben.

Der nächste Schritt lässt Geräusche ertönen, die ein bisschen wie beim Zahnarzt klingen: Nun wird nämlich gefräst, um die Kanten, die vom Sägeschnitt übrig geblieben sind, zu entfernen. Eine Brille mit fünffacher Vergrößerung sorgt dafür, dass den Augen des Meisters kein noch so kleiner Rest entgeht. Nun sieht das Ganze schon recht ordentlich aus. Selbst das Muster, das sich aus den verschiedenfarbigen Edelmetallen bildet, ist inzwischen ganz gut erkennbar. „Mokume Gane heißt übersetzt etwa holzgemasertes Metall“, erklärt Michael Wiesner, und man versteht den Vergleich auf einen Blick. Was sich beim Schmiedevorgang ebenfalls bildet, ist eine Art Sternenmuster. „Manche haben das Muster innen, andere außen“, erläutert der ältere Bruder weiter. Für letzteres werde der Ring dann umgestülpt. So langsam wundert mich fast nichts mehr. Aber eben nur fast. Denn der Ring ist so groß, dass er ohne weiteres auch eine Serviette umfassen könnte. Um den als Mensch tragen zu können, bräuchte man also ganz schöne Wurstfinger.

Die Größe hat aber einen praktischen Grund: „Dann kann man noch mit Fräsen in die Bemusterung eingreifen“, verrät der Goldschmiedemeister. Die Späne, die dabei entstehen – rund 50 Prozent vom Ausgangsgewicht – werden sorgfältig im sogenannten „Fell“, einer Art Ledersack, gesammelt und später wieder geschieden.

Was vom Ring noch übrig ist, wird nun „gestaucht“. Markus Wiesner verwendet dazu konische Formen in verschiedener Größe, in die der Ring eingepasst wird. Ein kräftiger Schlag, und schon ist er wieder ein bisschen kleiner. Immer wieder wird dazwischen geglüht, immer kleinere Formen kommen zum Einsatz, bis das Schmuckstück am Ende die gewünschte Größe hat. So werden übrigens auch andere Ringe vergrößert oder verkleinert, wenn sie nach vielen Jahren nicht mehr richtig passen.

„Das Muster der Mokume Gane-Ringe verändert sich bis zum Schluss“, erzählt der Goldschmied. „Ein Stück weit kann man das steuern, ein bisschen ist aber auch immer Überraschung.“ Und auch das passt ja eigentlich ganz gut zu einem Ehering . . .

Für die Augen eines Laien sieht das Ergebnis schon super aus. Doch der Fachmann ist damit noch lange nicht zufrieden: „Man kann den Ring am Schluss noch ätzen und so 3-D-Strukturen erzeugen, man kann ihn mit winzig kleinen Glasperlen strahlen oder matt bürsten“, erklärt Markus Wiesner. Es kommt also durchaus auch filigraneres Werkzeug als Hammer, Amboss und Fräse zum Einsatz.

Was der Fachmann nicht so gern verarbeitet, ist Altgold, beispielsweise aus den Eheringen der Großeltern. „Es kommt immer darauf an, wie sauber das Material ist“, meint er. Gar nicht geeignet seien hingegen Ketten: „Bei denen sind die einzelnen Glieder miteinander verlötet. Und weil das Lot einen anderen Schmelzpunkt hat, gibt das dann Blasen und insgesamt kein schönes Ergebnis.“ Manche Legierungen wiederum seien nur zum Gießen geeignet. „Das ist auch das Problem beim Zahngold“, weiß Markus Wiesner.

Zum Schluss dürfen wir noch einen Blick ins Nachbarzimmer werfen. Dort geht es im wahrsten Sinne des Wortes richtig heiß her: Im etwa 800 Grad heißen Ofen wird das Ausgangsmaterial verschweißt. Die exakte Temperatur wird übrigens nicht verraten. „Das ist Betriebsgeheimnis, denn davon hängt das Ergebnis ab“, schmunzelt Michael Wiesner.