Der riesige Faun mit wildem Haar, nacktem Oberkörper und Fellhosen hat Blicke auf sich gezogen. Foto: KS-Images.de

Der 13. Historische Markt in Großbottwar hat am Wochenende Freunde des Mittelalters in die Stadt gelockt.

Großbottwar - Gar seltsame Gestalten sind es, die die Straßen und Gassen von Großbottwar bevölkern. Frauen in langen Gewändern aus grobem Tuch, Männer mit prächtig verzierten Wämsern, Burgfräulein mit bunten Bändern im Haar. Auf einem hölzernen Laufrad, das vorne mit einem riesigen Rinderschädel geschmückt ist, fährt ein Ritter in voller Rüstung mitten durchs gaffende Volk. Und da, über die Köpfe aller anderen, erhebt sich ein riesiger Faun mit wildem Haar, nacktem Oberkörper und Fellhosen. Seltsam sieht es aus, wie er sich auf seinen Stahlfedern fortbewegt, und ein Kind bleibt mit riesengroßen Augen stehen und starrt die gefährlich aussehende Gestalt an. „Solche Menscha hot’s früher gäbba“, erklärt die Oma ihrem Enkelkind nicht ganz korrekt, aber auf alle Fälle beruhigend.

Den einen oder anderen Hund zu beruhigen, der angesichts der seltsamen Figuren in erschrockenes Warngebell ausbricht, fällt nicht ganz so leicht. Einer bewahrt jedoch die Ruhe. Der kleine Fellträger sitzt in der Kiepe seiner Herrin und beobachtet aus dieser für ihn ungewohnten Höhe herab mit aufmerksamen Knopfaugen das Geschehen. Sicherheitshalber ist aber auch er gut gewappnet: Er trägt ein Geschirr aus vielen kleinen Lederplatten, an der Seite ist ein Mini-Köcher angebracht, in dem zwei winzige Pfeile stecken. Man kann ja nie wissen, was bei einem solchen Gedränge, wie es am Wochenende auf dem historischen Markt geherrscht hat, passiert.Auch der Bengal-Uhu, den eine Besucherin in prächtigem türkisfarbenen Gewand auf einem ledernen Handschuh trägt, betrachtet das Geschehen aus großen bernsteinfarbenen Augen mit einem gewissen Misstrauen, denn da geht es doch etwas anders zu als in der gewohnten Falknerei.

Es ist kennzeichnend für den Markt von Großbottwar, dass nicht nur die Gaukler und Händler, sondern auch viele der Besucher historisch anmutende Gewänder tragen. Wer noch keines hat oder einfach nur ein neues haben möchte, findet bei den zahlreichen Händlern genügend Auswahl, um sich neu einzukleiden. Auch für Accessoires ist gesorgt. Darf es ein Holzschwert für die Knappen oder doch eher ein englischer Langbogen aus der Handwerkergasse sein? Auch wer auf Edelsteine, Gewürze aus fernen Ländern oder ein neues Trinkhorn aus ist, wird fündig. Kurz gesagt: Bei dem, was die rund 85 Händler alles mitgebracht haben, sind die Taler und Silberlinge in den Geldkatzen in großer Gefahr, den Besitzer zu wechseln. Kostenloses Vergnügen bieten dagegen die Musiker auf der Bühne und in den Gassen, die mit historischen Instrumenten wie der gitarrenartigen Quinterna oder der geigenartigen Schlüsselfiedel nicht nur Gruppen wie Danza MAGica, sondern auch die Besucher zum Tanz einladen. Auch die Fahnenschwinger, die Schaukämpfe oder die Feuershow am Samstagabend bringen das Volk zum Staunen, ohne dass es sich vom sauer verdienten Lohn trennen muss.

Durch die Ringstraße wabert der Duft von Weihrauch und anderem edlen Räucherwerk, an anderen Stellen sprechen die Düfte eher die Geschmacksnerven an. Spanferkel und Hanffladen, Schandflecken und Lustrollen, Zuckergespinn, Fleischfetzen oder ein Obelix-Festmahl, das nicht aus Wildschwein, sondern aus einer ganzen Lachsseite mit Rosmarinkartoffeln besteht und entweder für einen Obelix oder für vier bis sechs Gallier reicht, machen die Auswahl schwer. Dazu gibt’s Met, Gersten- oder Rebensaft, aber auch Alkoholfreies.

Eine neue Attraktion für Kinder ist das Ritterturnier, an dem auch die Eltern ihre Freude haben, die in Trauben das Turniergelände direkt an der Stadtmauer umlagern. Mit Helm, einem tuchbehängten Steckenpferd und Lanze ausgerüstet, versuchen die Jungen und Mädchen aus dem Lauf heraus den Kopf eines Ungeheuers zu treffen oder den gefüllten Rupfensack an einer beweglichen Stange zum Drehen zu bringen. Auch der Herold, der alles kommentiert, sorgt trotz seines ziemlich ruppigen Umgangstons für Gelächter. Gelächter gibt es auch, als der amtierende König und seine Gemahlin den Heldinnen und Helden des Turniers die Wangen küssen. Denn das ist diesen so peinlich, dass sie die Küsse verstohlen wieder abwischen.