Michael Seil kommt bei den jungen Leuten an. Foto: Avanti/Ralf Poller

Michael Seil hat als Jugendlicher zehn Jahre lang Drogen genommen. Heute hält er Präventionsvorträge, zuletzt im Jugendhaus Murr. Er erzählt Jugendlichen von seiner Sucht, was diese mit einem macht und wie er es geschafft hat, sie zu überwinden.

Mit neun Jugendlichen und zwei Sozialpädagogen sitzt Michael Seil gemütlich auf einem Sofa in den Räumen des Jugendhauses Murr. Er erzählt ihnen, wie er in der siebten Klasse angefangen hat, zu rauchen und Alkohol zu trinken. In der neunten Klasse kamen Drogen dazu. Zehn Jahre lang war er süchtig, erwischte einmal sogar eine Überdosis und wäre fast gestorben. Die Teilnehmer hören ihm aufmerksam zu.

Doch warum erzählt der heute 51-Jährige der Gruppe seine Geschichte? Seil hält bereits seit dem Jahr 2000 Vorträge zur Drogenprävention, in denen er jungen Menschen seinen Weg zur Sucht, aber auch wieder heraus, erklärt. Anschließend gibt es eine Diskussionsrunde über andere Arten der Sucht, die man bei sich selbst identifizieren soll. „Man ist gut darin, sich selbst zu verarschen. Aber wenn man ehrlich mit sich selbst ist, spürt man das“, sagt er.

Durch die Drogen gibt es keinen Normalzustand mehr

Das erste Mal kam Seil mit 16 bei einer Klassenfahrt mit Drogen in Berührung. Als er herausfand, dass sein ältester Bruder auch Drogen nahm, hat sich sein Konsum erhöht. Auch mit einem Kollegen in der Ausbildung habe er später Drogen genommen. Er merkte, dass er durch den Konsum alle negativen Gefühle und Unsicherheiten verlor, die er zuvor verspürte: „Du bist nicht cool, dünn, schön oder erfolgreich genug, das Gefühl ist auf einmal weg. Selbst wenn du bis dahin nicht wusstest, dass du so ein Gefühl hast, ist es erst mal weg.“

Doch dieses Gefühl sei nicht von langer Dauer. Denn neben jeder Hochphase gebe es auch eine Tiefphase sowie einen Normalzustand dazwischen. Durch die Drogen fehle dieser Normalzustand jedoch. Und das sei das Gefährliche. Man könne sich nicht sein ganzes Leben lang gut fühlen. „Irgendwann verselbstständigt sich die Sucht und schaut nur noch nach sich selbst. Ob du dabei kaputt gehst oder nicht, ist der Sucht egal.“

Trotz Rückfall war die Therapie erfolgreich

Immer wieder seien dem 51-Jährigen Zweifel gekommen, ob er sich sein Leben auf diese Weise vorgestellt habe – insbesondere nachdem er aufgrund der Drogenbeschaffung häufiger mit der Polizei in Berührung kam. Lange habe er diese Gedanken durch die Drogen verdrängt. Aber auch vor den Jugendlichen betont er: „Ein gutes Leben kriegst du nicht geschenkt, das musst du dir holen und etwas dafür tun.“

So beschloss er, gegen seine Sucht anzukämpfen. Dass er dafür therapiert werden muss, habe ihm anfangs überhaupt nicht gefallen. „Eine Therapie ist für kranke Leute zur Heilung. Bin ich krank, oder was?“ habe er sich gedacht. „Natürlich bist du krank, du bist suchtkrank“, hat er sich schließlich eingestanden. Neun Monate lang befand er sich damals in einer stationären Therapie. Zwar ist er danach wieder für ein Jahr rückfällig gewesen, bevor er endgültig aufhörte. Dennoch würde er seine Therapie als Erfolg bezeichnen.

Die Jugendlichen können sich mit ihm identifizieren

Heute ist Michael Seil froh darüber, dass er es geschafft hat, seine Sucht zu überwinden und statt dessen Präventionsarbeit leisten kann. „Dadurch habe ich das Gefühl, dass ich aus dem, was ich damals gemacht habe, etwas rausgeholt habe, um es besser zu machen.“ Seine Geschichte würde es den Jugendlichen auch erleichtern, sich mit ihm zu identifizieren. „Sie sehen, dass ich ein ganz normaler Mensch bin. Dass ich nicht in einer klischeemäßigen Umgebung aufgewachsen bin, wo man natürlich drogensüchtig werden muss“, sagt er. „Ich habe mich nicht geprügelt, mein Vater war kein Alki, ich bin ganz normal aufgewachsen. Und dadurch können sie sich mit mir identifizieren, weil ich auch nicht anders bin als sie.“