Quo vadis Marbach? Der Bürgermeister-Wahlkampf gewinnt an Spannung. Foto: avanti

Die
Fraktion spricht sich für Timo Jung als Bürgermeister und damit gegen den Amtsinhaber aus. Andere halten sich offen, eine Empfehlung abzugeben, oder wollen dies nicht tun.

Marbach - Paukenschlag in der Schillerstadt. Die CDU-Fraktion im Gemeinde- und Ortschaftsrat stellt sich im Bürgermeister-Wahlkampf hinter den Herausforderer Timo Jung. Schon als es um die Stellenausschreibung im Staatsanzeiger ging, hatte die Fraktion beantragt, den üblichen Hinweis auf die Kandidatur des Amtsinhabers herauszulassen, und damit ein erstes Signal ausgesandt. Jetzt ist das zweite gefolgt.

Für Marbach ist das ein Novum – zumindest in der jüngeren Geschichte der Kommunalpolitik. Und auch in den umliegenden Gemeinden und Städten ist die öffentliche Unterstützung eines Bewerbers eher die Ausnahme. Vor allem wenn der Amtsinhaber wieder antritt. Nicht einmal in Steinheim, als Thomas Winterhalter den damaligen umstrittenen Rathauschef Thomas Rosner aus dem Amt fegte, hatten sich die Fraktionen schriftlich für den Herausforderer ausgesprochen – obwohl klar war, dass es hinter den Kulissen eine Unterstützung gibt. Lediglich in Erdmannhausen hatten CDU und SPD 2012 mit einem Schulterschluss für Aufsehen gesorgt, indem sie sich gegen eine zweite Amtszeit von Lutz Schwaigert aussprachen.

Kommunikativer Bewerber

Timo Jung habe sich in der Fraktionssitzung am Dienstag der CDU-Ortschaftsrats- und Gemeinderatsfraktion vorgestellt, teilt Sprecherin Heike Breitenbücher mit. Die Fraktion habe einen sehr kommunikativen Bewerber erlebt, der sich in die aktuelle Situation von Marbach bereits eingearbeitet hat und detaillierte Fragen zu stellen wusste. „Wir freuen uns, dass die Marbacher Bürger am 24. Januar eine echte Wahl haben werden. Eine gute Kommunalpolitik besteht aus mehreren Puzzleteilen: Visionen und Ideen für die Kommune, einer guten Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat und den Organisationen einer Gemeinde sowie einer starken Mannschaft hinter einem Bürgermeister im Rathaus. Die CDU-Fraktion traut Herrn Jung diese Aufgabe zu“, heißt es in der Pressemitteilung. Auf telefonische Nachfrage wird Breitenbücher konkreter. „Die Mitglieder des CDU-Gemeinde- und Ortschaftsrates haben sich für Herrn Jung ausgesprochen und werden ihn im Wahlkampf unterstützen. Neben seinem fachlichen Wissen überzeugt er durch seine kommunikativen Fähigkeiten. Neben den Finanzen wird die Kommunikation eine der größten Anforderungen an einen Bürgermeister in Marbach für die nächsten Jahre sein. Viele Projekte stehen in der Warteschleife, diese sind nur gemeinsam zu bewältigen. Dazu bedarf es einer guten Abstimmung mit allen Beteiligten – ein Schlüssel hierzu ist Kommunikation.“ Die Corona-Pandemie stelle sowohl den Herausforderer als auch den Amtsinhaber vor die Schwierigkeit, wie ein persönlicher Eindruck an die Bürgerschaft vermittelt werden kann. So habe auch die Fraktionssitzung sowie die Vorstellung von Jung online stattgefunden. „Wir hoffen, die Marbacher Bürger werden alle Angebote der Kandidaten nutzen, um sich ein umfassendes Bild für die Wahl im Januar zu machen“, erklärt der CDU-Mann Jochen Biesinger.

Die Unterstützung der Christdemokraten hat der 31-Jährige also sicher, aber was machen die anderen Fraktionen? Allen voran die SPD? Denn Timo Jung geht zwar am 24. Januar wie er betont parteiunabhängig ins Rennen, doch der Stuttgarter hat ein SPD-Parteibuch. Die Erfahrung aus der Stuttgarter OB-Wahl lehrt jedoch, dass dies nicht unbedingt bedeutet, dass die Genossen vor Ort den Parteifreund unterstützen. „Bei uns ist noch alles offen“, erklärt Ernst Morlock auf Anfrage. Kommenden Montag habe man sowohl mit Jung als auch mit Trost ein digitales Meeting. Dann wolle man noch den Bewerberschluss abwarten und dann entscheide man sich. Für einen Bewerber? „Entweder für einen Bewerber oder wir geben keine Empfehlung ab – beide Optionen sind denkbar“, so Morlock.

Am Mittwochabend ist Timo Jung beim Grünen Ortsverband zu Gast – virtuell. Dieser Vorstellung wolle man hinsichtlich einer Empfehlung nicht vorgreifen, betont die Fraktionschefin Barbara Eßlinger. „In der Fraktion gibt es aber eine Tendenz“, kündigt Eßlinger an.

Ganz anders bei den Freien Wählern. Man habe beide Kandidaten zu Gesprächen getroffen und sei ergebnisoffen, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Dr. Michael Herzog. „Wir haben zwei gute, ernsthafte Kandidaten, und das hat die Stadt Marbach auch verdient.“ Eine Empfehlung für einen Bewerber werde seine Fraktion nicht abgeben.

Ebenso wenig wie die Gruppe Puls. „Puls hält die Bürger für mündig genug, sich selbst eine Meinung zu bilden“, erklärt Hendrik Lüdke. Seine Gruppe werde den Kandidaten schriftlich Fragen stellen, die diese auch schriftlich beantworten sollen. Von einem virtuellen Zusammentreffen hält der Stadtrat nicht besonders viel. „Da lernt man niemanden kennen, denn man sieht das Gegenüber nicht in Gänze und erlebt es auch nicht wie in Präsenz, was Mimik und Gestik angeht.“

Trost ist enttäuscht, Jung freut sich

Und was sagen die beiden Bewerber zu der jüngsten Entwicklung? Über die Empfehlung der CDU freue er sich sehr, erklärt Timo Jung. „Dies – wie auch der erlebte große Zuspruch in der Bevölkerung – geben meiner Kandidatur Rückenwind und motivieren mich. Gleichzeitig werde ich weiter überparteilich und unabhängig für meine Person und meine Ideen für die Stadt Marbach werben.“ Jan Trost ist enttäuscht. Er habe allen Fraktionen beziehungsweise der Gruppe Puls schriftlich ein Gesprächsangebot unterbreitet. Die CDU habe sich als Einzige nicht gemeldet. „Deshalb kommt die Wahlempfehlung für mich überraschend. Ich denke, dass man allen Kandidaten die gleichen Rahmenbedingungen geben sollte, sich zu präsentieren. Natürlich enttäuscht mich diese Vorgehensweise.“ Nichtsdestotrotz sei die Bürgermeisterwahl eine Persönlichkeitswahl und er habe in den letzten Wochen sehr viel positives Feedback für seine Arbeit und seine erneute Kandidatur bekommen, betont Trost. CDU-Chefin Heike Breitenbücher räumt ein, bislang eine Antwort schuldig geblieben zu sein. „Wir wollten eigentlich mit beiden Kandidaten Präsenzsitzungen machen, was aber unter den verschärften Bedingungen nicht mehr möglich war, deshalb hatten wir am Dienstag den Online-Termin mit Herrn Jung und danach war für uns klar, dass wir ihn unterstützen wollen. Herr Trost kennen wir. Er hatte acht Jahre lang Zeit, sich und seine Arbeitsweise zu präsentieren.“

Zur Themenseite "Bürgermeisterwahl in Marbach"