Das Symbolbild zeigt eine zerbrochene Bierflasche – nicht mehr zu kitten ist das Verhältnis von Täter und Opfer, das die Entschuldigung der 29-Jährigen abgelehnt hat. Foto: Fotolia

Eine 29-Jährige pöbelt mit einem Freund in der S-Bahn zwei Flüchtlinge an und verletzt einen von ihnen.

Benningen - D as Amtsgericht Ludwigsburg hat am Donnerstag die 29-Jährige aus Benningen zu neun Monaten Haft verurteilt. Sie hatte im September vorigen Jahres einem 27-Jährigen gebürtigen Afghanen in der S-Bahn am Kornwestheimer Bahnhof mit der Faust und mit einer Bierflasche in Gesicht geschlagen. Außerdem hatte die Frau mit einem 40-jährigen Begleiter den Flüchtling beschimpft und bespuckt, als er blutend am Boden lag.

Die Tat ereignete sich an einem Samstagabend gegen 18  Uhr, als der 27-Jährige mit einem ebenfalls aus Afghanistan stammenden Freund mit der S 5 von Ludwigsburg nach Stuttgart fuhr. Die S-Bahn war voll besetzt, als die damals 28-Jährige und ihr Begleiter die beiden Flüchtlinge unter anderem bezichtigten, ihnen eine Zigarettenschachtel gestohlen zu haben. „Die haben uns beklaut“, gab die 29-Jährige vor Gericht die Worte ihres Begleiters wieder, der wegen eines epileptischen Anfalls nicht zur Verhandlung nach Ludwigsburg gekommen war und dessen Fall deshalb noch einmal gesondert vom Amtsgericht verhandelt wird. In der S-Bahn eskalierte die Situation, als der 27-Jährige sich weigerte, sich von dem Duo durchsuchen zu lassen. Während der 40-Jährige den Afghanen festhielt, schlug die Frau zu und fügte ihm mit der Bierflasche eine klaffende drei Zentimeter große Risswunde zu, die stark blutete. Der Begleiter des Opfers rief mit dem Handy die Polizei, die kurz darauf eintraf und am Bahnhof die Personalien der beiden mutmaßlichen Täter festhielt.

Die angeklagte Benningerin war zum Zeitpunkt der Tat mit 1,4 Promille im Blut alkoholisiert. Sie gab vor Gericht an, sich an Einzelheiten der Tat nicht mehr zu erinnern. Im Verlauf der Verhandlung wurde deutlich, dass sie schon im Alter von zwölf Jahren Heroin nahm und ein massives Drogenproblem hat. Sie leide an einem Trauma, ihr sei einmal ein Messer ans Hals gehalten worden, erklärte sie zu Beginn des Prozesses. „Es tut mir von Herzen leid, ich bin keine Rassistin“, betonte sie. Das Vorstrafenregister der Benningerin ist lang und weist mit Delikten wie Diebstahl, Urkundenfälschung und Hausfriedensbruch Merkmale einer Beschaffungskriminalität auf, wie sie typisch für Drogenabhängige ist. Zum Zeitpunkt der Tat hatte sie zwei Bewährungen offen.

Das Opfer, der 27-jährige Chemie-Ingenieur aus Bietigheim-Bissingen, konnte vor Gericht nicht fassen, warum die Frau und der Mann ihn und seinen Begleiter angegriffen hatten – man könne doch miteinander reden. Er habe mit Kopfschmerzen eine Woche lang zu Hause bleiben müssen und viel Zeit verloren. „Nein, ich kann die Entschuldigung nicht annehmen“, sagte er, als die Täterin ihn um Verzeihung bat. „Ich bin fremd hier und habe Respekt vor dem Gesetz“, hielt er ihr entgegen. Sie hingegen habe ihm noch ins Gesicht gespuckt, als er am Boden lag. „Der ganze Zug war voll. Niemand ist gekommen, um zu helfen.“

Der Begleiter des Opfers stützte als Zeuge dessen Aussagen. Ihr Emigranten seid Diebe, habe die Angreiferin gesagt. „Es war eine Situation, in der wir nicht wussten, was wir tun sollten.“ Die Frau habe sehr viel geschrien und nicht zugehört. Er habe den Streit schlichten wollen, aber das habe sie verhindert.

Als Zeuge trat auch ein Polizist auf. Es seien offenbar Sätze wie „Das hier ist Deutschland – ihr dürft hier nicht sein“, gefallen. Die Angeklagte habe während der Vernehmung „eine relativ aggressive Grundstimmung“ an den Tag gelegt und aus der halbvollen Sektflasche einen Schluck genommen.

Die Richterin machte bei der Urteilsverkündung keinen Hehl daraus, dass sie die Tat für verwerflich hält. „Dass Sie jemanden, der friedlich in einer S-Bahn sitzt, angreifen, ihn bespucken und mit ausländerfeindlichen Sprüchen beschimpfen, ist ein Unding.“ Aufgrund ihres regelmäßigen Alkoholkonsums könne sie die 1,4 Promille im Blut nicht als verminderte Schuldfähigkeit werten. Es sei Glück im Unglück, dass durch den Schlag mit der Bierflasche nicht noch mehr passiert sei. „Er hätte sein Sehvermögen verlieren oder sterben können“, hielt die Richterin der Angeklagten vor. Dann hätte die Anklage sogar auf versuchten Totschlag lauten können.

Eine Bewährungsstrafe komme bei derartig gravierenden Umständen nicht infrage, erklärte die Richterin, auch könne sie für die Angeklagte keine günstige Sozialprognose abgeben. „Sie können aber in der Haft gut mitarbeiten und eher entlassen werden – und dann gleich in die Drogentherapie gehen.“ Die Staatsanwaltschaft hatte für zehn Monate Haft, der Verteidiger für acht Monate auf Bewährung plädiert.