Nur wenige Fachärzte entscheiden sich für die Allgemeinmedizin. Foto: Archiv (dpa

Die medizinische Versorgung beschäftigt Gemeinden allerorten.

Benningen - Die Innenentwicklung in Benningen wird von einigen Gemeinderatsfraktionen speziell auch mit dem Thema „Ärztehaus“ verbunden. Die Fraktion der Freien Wähler hatte bei den Haushaltsberatungen im Februar den Antrag gestellt, „Mittel für die Planung eines Konzeptes für die medizinische Versorgung am Ort“ zur Verfügung zu stellen. Dabei wurde das ehemalige „Expressstüble“ ins Gespräch gebracht. Konkret geht es darum, an der Bahnhofsstraße bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und dabei auch die Möglichkeit einzuräumen, in einem neuen Gebäude Arztpraxen unterzubringen.

Der Benninger Bürgermeister Klaus Warthon sieht dies als eine Option. „Wir sind in Abstimmungsgespächen“, betont der Bürgermeister, der bei bestehenden Praxen das Problem der fehlenden Barrierefreiheit sieht. Als mögliche Standorte für die städtebauliche Entwicklung habe man die Bahnhofsstraße und das zentral gelegene Areal um die ehemalige Krone im Visier.

Der Benninger Allgemeinmediziner Gernot Rüter begrüßt zwar die Initiative der Gemeinde für ein Ärztehaus, hat aber Zweifel, ob damit Ärzte nach Benningen gelockt werden können. „Meiner Erfahrung nach liegt es nicht an Räumen, dass junge Ärzte und vor allem Ärztinnen keine eigene Praxis mehr gründen wollen, sondern eher an finanziellen und auch persönlichen Gründen.“

Laut der „Ärztezeitung“ vom 6. Mai geht die Zahl der Allgemeinärzte zurück. Das Durchschnittsalter betrage über 55 Jahre, junge Mediziner, sofern sie sich überhaupt für den Beruf des „Landarztes“ entscheiden, arbeiten lieber angestellt. Rüter ist selbst ein Hausarzt „vom alten Schlag“, der mit dem bevorstehenden 70. Geburtstag aber ans Aufhören denkt. Eine Nachfolge zu finden sei schwierig. Daher sei ein „Ärztehaus“ nicht die Lösung des Problems. „Was soll ich mit Gebäuden, wenn ich niemanden habe, der darin arbeiten will?“ Ein Zentrum mit mehreren Praxen lasse sich eher im städtischen Umfeld realisieren. Nur zehn Prozent der Fachärzte entscheiden sich für die Allgemeinmedizin. „Wir bräuchten aber 50 Prozent, um die medizinische hausärztliche Versorgung flächendeckend sicher zu stellen.“

Der Trend gehe zu größeren Praxen mit mehreren angestellten Ärzten. „Vor allem junge Frauen arbeiten lieber angestellt und in Teilzeit und wollen keine langfristigen Verpflichtungen mit einer eigenen Praxis eingehen.“ Arbeitsmöglichkeiten für den Lebenspartner, Schulen, und Freizeitangebote können hingegen Kriterien für die Standortwahl sein, welche die Gemeinden beeinflussen können, findet Rüter: „Das bedeutet enorme Umwälzungen für die Strukturen in den ländlichen Gemeinden. Wenn der Arzt geht, dann verschwinden auch die Apotheke, der Bäcker und der Metzger. Und wenn der Arzt nicht mehr vor Ort ist, dann müssen die Patienten fahren, was jedem modernen Verkehrskonzept widerspricht.“ Für 90-Jährige sei es nämlich schwierig, zum Arztbesuch in die nächste Kreisstadt fahren zu müssen.

Patentrezepte hat aber auch Rüter keine, der seine Praxis gerne in jüngere Hände übergeben würde. Ob ein von der Gemeinde zur Verfügung gestelltes Ärztehaus die medizinische Grundversorgung erhalten hilft, wagt er zu bezweifeln. „Welche Ärzte sollen da rein?“ Wer schon eine Praxis habe, wolle sicher nicht umziehen. In Beilstein wurde das Thema Ärztehaus zurückgestellt, nachdem von den bereits niedergelassenen Medizinern signalisiert wurde, dass kein Bedarf an neuen Räumen bestehe. Dies war einer der Gründe, warum man die Idee vorerst habe ruhen lassen, erklärt Bürgermeister Patrick Holl. Der Bedarf war am Ort nicht so hoch, da die bestehenden Praxen schon jetzt alle gut untergebracht sind.

Für die Neugründung einer Praxis sind vielen jungen Ärzten auch die finanziellen Hürden oft zu hoch. „Die Mieten in Ärztezentren überschreiten die Schmerzgrenzen“, hat Mediziner Rüter festgestellt. In Murr hat man beim Neubau der Häuser in der Hindenburgstraße Räume für eine Arztpraxis mit gebaut, die seit 2016 auch vermietet sind, so Bürgermeister Torsten Bartzsch. Es gebe also durchaus direkt vor der Haustüre ein erfolgreiches Beispiel, wie die Kommune bei der hausärztlichen Versorgung auch unterstützend eingreifen könne.

Mehr als die Räume zur Verfügung stellen können die Gemeinden aber eher nicht. „Ich habe auch schon auf Kongressen Bürgermeister gesehen mit einer Schärpe ,Hausarzt gesucht‘“, weiß Rüter zu berichten. Im Umkehrschluss bekommen die Rettungsdienste die Folgen der immer schlechter werdenden hausärztlichen Versorgung zu spüren. Weil es immer weniger erreichbare Arztpraxen vor Ort gibt, wird häufiger der Notruf gewählt.