Vivi Vassileva weckt mit ihrem Spiel verschiedenste Emotionen. Foto: avanti

Die Percussionistin Vivi Vassileva ist am Samstag zu Gast im Bürgerhaus Kelter gewesen.

Affalterbach - Sie schlägt, streicht, schnipst, entlockt ihrem Vibraphon vielschichtige Klänge, wenn sie ihr Instrument mit vier Schlägeln gleichzeitig bespielt. Ganz nebenbei, als scheinbar leichteste Übung, erfüllt sie den Bühnenraum mit Strahlen – und zieht damit in ihren Bann. Am Samstagabend hat Vivi Vassileva mit Pianistin Carina Sylvia Madsius im Bürgerhaus Kelter in Affalterbach im Rahmen des ortseigenen Kulturprogramms gespielt.

Ihre Ausstrahlung fesselt, schnell baut die Percussionistin eine Beziehung zu den 70 Zuhörern auf, man möchte am liebsten jede einzelne Bewegung, die einen Klang mit sich bringt, mit den Augen und Ohren aufsaugen. Die 24-Jährige füllt die gern zitierte Begrifflichkeit von „den Rhythmus im Blut haben“, hebt sie auf eine neue Ebene. Auf dem Programm stehen Werke von Komponisten des 20. Jahrhunderts, wie Guillo Espel oder Eric Sammut.

Vivi Vassileva erzählt mit ihrem Spiel, ganz ohne Worte, echt und aus nächster Nähe. Mit jedem Mal, als der Schlägel das Vibraphon zum Klingen bringt, versprüht die junge Musikerin mit Wurzeln im Balkan Leichtigkeit, die tiefe Klangwelten birgt. Der Atem spielt dabei für sie eine essenzielle Rolle: „Klar, Atem ist Leben“, erzählt sie mit strahlenden Augen. Vom Atem geht in ihrem musikalischen Tun viel aus, er ist Hilfsmittel und Elixier, wenn sie mit Wucht das Metall zum Klingen bringt.

Die Bandbreite der durch die Musik übermittelten Gefühle an diesem Abend ist in Worten kaum zu fassen. Mal euphorisch und hoffnungsvoll, mal verzweifelt und wütend. „Wütend auf das Instrument, nein, das könnte ich nie sein“, stellt sie fest. „Aber wenn wütend energisch heißt, ist das für mich ein großes Kompliment.“ Ihr Anliegen ist es, authentisch zu sein, sie bettet jeden Ton im Spielmoment in ein Gefühl. Das gelingt, im Nu springt der Funke über. Immer wieder betont sie die Neuartigkeit ihres Instruments und dessen Interpretation, „wir Schlagzeuger können eben nicht auf jahrhundertelang archivierte Literatur zurückgreifen“. Das, so scheint es, lässt sie mit doppelt geschärftem Blick durch den Alltag gehen. Überall verbirgt sich Musik – spielgewandt lässt sie eine Plastikwasserflasche zum Instrument aufleuchten. Ein Alltagsgegenstand, alles andere als alltäglich betrachtet, in ihrer Interpretation der Improvisation „Soul of a bottle“ von Alexej Gerassimez. Mit ihren Fingernägeln kreist sie über den Flaschendeckel, schnipst gegen den Hals und Flaschenbauch.

Dem Soloteil folgt der Duoteil mit Pianistin Carina Sylvia Madsius. Die beiden Musikerinnen ergänzen einander hervorragend. Der Höhepunkt ist eine Uraufführung des Stücks „Zwischen den letzten Lichtern“ von Christoph Verworner. Einmal mehr legt Vivi Vassileva Spielgewandtheit und Experimentierfreude an den Tag: Für die Mehrheit aller Zuhörer dürfte es das erste Mal gewesen sein, einem mit Kontrabassbögen gestrichenen Vibraphon zu lauschen. Ein Gesamtwerk, das jeden Zuhörer mit geschärftem Blick für uns täglich umgebende Klangpotenziale entlässt.