Die Betreiber von Schuhläden müssen wie viele andere Einzelhändler ihre Kunden kontrollieren. Foto: dpa/Soeren Stache

Ladeninhaber müssen die 2G-Regel anwenden und damit Ungeimpfte ausgrenzen. Die Händler ziehen mit, weil sie froh sind, überhaupt öffnen zu dürfen.

Marbach/Bottwartal - Die Einzelhändler im Raum Marbach und im Bottwartal sind alles andere als glücklich mit der 2G-Regel, die nur den Geimpften und Genesenen den Einkauf bei ihnen erlaubt. Während der Pandemie mussten die Ladeninhaber zum Teil Mitarbeiter entlassen, selbst mehr arbeiten und die Corona-Hilfen aus den Lockdownstrotz hoher Umsatzeinbußen zurückzahlen. Jetzt legt ihnen der Staat noch die Kontrolle der Kunden auf. Das schmeckt nicht jedem – gleichwohl ziehen die Händler mit, weil sie als Alternative die Schließung ihrer Läden in einem neuen Lockdown oder empfindliche Strafen befürchten.

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Ein Einzelhändler aus dem nördlichen Landkreis Ludwigsburg hält sich bedeckt und will namentlich auf keinen Fall genannt werden. Er habe Angst davor, als Kritiker der Maßnahmen dazustehen, in ärgerliche Gespräche verwickelt zu werden und weitere Umsatzeinbußen hinnehmen zu müssen. Auch befürchte er, bei Stichproben des Ordnungsamtes hohe Strafen aufgebrummt zu bekommen. Deshalb lasse er sich von Kunden ohne Ausnahme den digitalen Impf- oder ihren Genesenen-Nachweis zeigen. „Die meisten Leute sind kooperativ – uns macht das alles natürlich keinen Spaß.“

Erbost seien nur wenige Kunden, wenn sie etwa ihren Impfnachweis gezeigt haben und ihn beim nächsten Besuch vergessen. „Ich muss ihn dann leider noch einmal verlangen und sie wegschicken.“ Der Ärger halte sich in Grenzen, „ich bin einfach nur froh, dass ich mein Geschäft öffnen kann.“

Trotzdem fragt sich der Händler zunehmend, ob die staatlichen Maßnahmen Sinn ergeben. In Niedersachsen habe das Oberverwaltungsgericht die 2G-Regel gekippt. Er erinnere sich noch gut an die Lockdowns, insbesondere von Mitte Dezember 2020 bis Mai 2021, „als die Merkelauf einmal die 30er-Inzidenz aus dem Ärmel geschüttelt hat“. Er habe das Vertrauen in die Kompetenz der Politiker teilweise verloren: „Immer mehr demonstrieren – das sind nicht nur rechtsextreme Spinner oder Corona-Leugner.“

Der Juwelier Michael Meder achtet in seinen Läden in Steinheim und Oberstenfeld auch darauf, dass nur Geimpfte und Genesene eintreten. „Inzwischen hat so gut wie jeder sein Zertifikat dabei – man muss nicht mehr so viel erklären.“ Der Staat habe ihn als Einzelhändler zum Kontrolleur gemacht. Außerdem müsse er Kunden auch erst Wissen vermitteln, da viele von ihnen offenbar die Regeln nicht immer gleich verstehen. „Das nimmt Zeit in Anspruch.“ So habe er einige Kunden in Steinheim erst mal in die Apotheke schicken müssen, als der gelbe Impfpass für unzureichend erklärt worden sei. Im Gespräch mache er jedes Mal deutlich: „Nicht wir wollen es, der Staat will es.“

Der 2G-Regel wird laut Meder offenbar nicht überall so streng gehandhabt wie in Baden-Württemberg. Bei einem Besuch in Bayern sei er kürzlich überrascht darüber gewesen, dass die Passanten in Geschäften ganz leicht mit einer FFP2-Maske eintreten durften – ohne einen 2G-Nachweis. Aus seiner Sicht sei es völliger Nonsens, zum Beispiel in einem Baumarkt ohne, in einem Einzelhandelsgeschäft aber nur mit einem solchen Nachweis einkaufen zu dürfen. Als Einzelhändler brauche er ein dickes Fell: „Wenn ich alles hinterfragen würde, hätte ich schlaflose Nächte.“

Penibel an die Regeln hält sich auch die Schuhhändlerin Kerstin Dietle mit ihrem Team in Marbach. Sie wisse, dass dies für die Kunden alles andere als angenehm sei, doch achte sie aus Überzeugung auf die Hygiene und Bestimmungen, zudem müsse sie im schlimmsten Fall mit anonymen Kontrollen rechnen. Sie sehe selbstverständlich auch, wie eng es in Hauseingängen zu Arztpraxen oder Versorgermärkten in Marbach zugehe und frage sich, ob von ihrem geräumigen Schuhgeschäft tatsächlich ein größeres Risiko ausgehe. Die Freude am Verkauf lasse sie sich aber nicht nehmen.

Dankbar dafür, dass sie ihr Modehaus Barth in Beilstein trotz hoher Inzidenzen öffnen kann ist die Inhaberin Christina Barth-Weigel. Sie und ihr Team stehen hinter den Corona-Vorgaben des Landes. „Wir sind alle geimpft, und ich selbst teste mich täglich – wir lüften auch immer gründlich.“ Natürlich sei es nicht einfach, ein Verkaufsgespräch lächelnd zu beginnen, wenn man erst den Impfnachweis, dann den Personalausweis kontrollieren und anschließend womöglich noch eine FFP2-Maske anmahnen müsse. Das Team habe die 200  Quadratmeter im Blick – immer noch kämen weniger Kunden, wohl auch, weil sie durch die 2G-Plus-Regel für Restaurants verunsichert seien. Hoffnung macht Christina Barth-Weigel, dass neben den treuen Stammkunden nun auch vermehrt neue Kunden kämen, die bewusst im eigenen Ort einkaufen wollten, um sich in größeren Städten keinem höheren Risiko auszusetzen. Wichtig in der Krise sei der Online-Handel, an dem aber eher Auswärtige teilnähmen.

Gerichtsurteil gegen die 2G-Regel

Urteil
 Kritiker der 2G-Regelung im Einzelhandel verweisen auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts von Niedersachsen im Dezember. Demnach wäre die 2G-Regel unangemessen.

Gründe
 Die 2G-Regel sei für das Erreichen der infektiologischen Ziele nicht notwendig, so die Richter. Die Masse der Kundenkontakte finde im Lebensmittelhandel statt. Zudem gebe es im Einzelhandel zahlreiche – fraglos erforderliche – Ausnahmen, wie etwa Banken, Optiker oder Bäckereien. Es fehlten „verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz“. Das Tragen einer FFP2-Maske senke das Infektionsrisiko, „dass es nahezu vernachlässigt werden könne“. Eine andere Bewertung gebiete auch die Omikron-Variante nicht.