Es sind noch vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Foto:  

Einem 22-Jährigen wird vorgeworfen, in der S-Bahn zwischen Erdmannhausen und Marbach eine Frau unsittlich berührt zu haben. Doch das ist nicht das Einzige, was ihm zur Last gelegt wird.

Erdmannhausen - Es begann wild und es endete wild: Erst wollte der 22-jährige Hauptangeklagte am Freitagmorgen gar nicht neben seinem Verteidiger Platz nehmen, schrie wild umher und versuchte trotz Hand- und Fußfesseln immer wieder, die Justizangestellten abzuschütteln, gegen Ende des ersten Verhandlungstages wollte er dann gar nicht mehr aufhören zu reden und fiel dem Richter und einem Zeugen immer wieder ins Wort. Der Prozess-Auftakt gegen ihn sowie zwei weitere Angeklagte im Alter von 30 und 35 Jahren – alle drei Geflüchtete – vor dem Landgericht in Heilbronn war geprägt von chaotischen Zuständen und wirren Aussagen.

Dem 22-Jährigen wird vorgeworfen, am 13. Mai in der S-Bahn zwischen Marbach und Erdmannhausen sexuelle Handlungen an einer Frau gegen deren Willen vorgenommen zu haben. Dabei soll er sich in einem menschenleeren Abteil unerwartet an sie gedrückt, mit der linken Hand festgehalten und mit der rechten Hand die Jacke der Frau geöffnet haben. Er soll dann seine Hand unter ihren BH geschoben und sie schmerzhaft an der Brust berührt haben. Danach soll seine Hand in Richtung Genitalbereich gewandert sein und sie unsittlich berührt haben. Laut Anklage habe er erst von ihr abgelassen, als die S-Bahn Halt in Erdmannhausen machte.

Des Weiteren wird dem Mann vorgeworfen, dass er zwischen dem 12. und 13. Februar in einer Asylunterkunft in Bietigheim-Bissingen randaliert und diese trotz eines Hausverbots am 26. März erneut betreten haben soll. Bei diesem Vorfall soll er dann auch noch einen Bewohner mit einem Tretroller geschlagen haben, als dieser ihn zum Verlassen der Asylbewerberunterkunft aufgefordert hatte. Gemeinsam mit den zwei anderen Angeklagten muss sich der 22-Jährige zudem dafür verantworten, am 15. August vergangenen Jahres in einer Asylbewerberunterkunft in Bietigheim-Bissingen einem anderen Mann das Mobiltelefon entwendet zu haben und dabei bedrohlich eine Flasche als Schlagwerkzeug geschwungen zu haben. Die Angeklagten sollen die Beute eingesteckt und zudem Nacktaufnahmen als Druckmittel erzwungen haben.

Zum Auftakt des Prozesses standen vor allem die beiden Vorgänge in den Asylunterkünften im Fokus. Die Vorwürfe in der S-Bahn werden zu einem späteren Zeitpunkt behandelt. Sich ein Bild von den Geschehnissen zu machen, war jedoch schwer. Nicht nur ob der Sprachbarriere – es musste durchweg alles auf Englisch übersetzt werden –, sondern auch, weil jeder etwas anderes zu erzählen hatte und manche Fragen zum Teil ganz unbeantwortet blieben. Bereits zu Beginn, als sich der Richter ein Bild über die Angeklagten machen wollte, zeichnete sich dies ab. Während der 30-jährige, aktuell in Bietigheim wohnende Angeklagte jegliche Aussage zu seiner Person und dem Vorfall verweigerte, machte der Hauptangeklagte mehrere wirre Aussagen. „Ich bin in der Welt geboren“, sagte er beispielsweise. Kurz darauf erzählte er, dass er in einem Kriegsgebiet in Afrika geboren wurde. Im Alter von acht, neun Jahren seien seine Eltern und Geschwister aufgrund eines Streits um Rohöl auf dem eigenen Land erschossen worden. Er sei anschließend vom Fahrer seines Vaters weggebracht worden. Erst nach Benin, später nach Libyen. Anschließend sei er nach Europa gekommen – übers Meer, wo neben ihm Menschen gestorben seien. „Ich wollte hier in die Schule, aber dann hatte ich Probleme mit meinem Gehirn“, erklärte er. Auf eben diese Probleme verwies er auch später immer wieder, schrie während des Prozesses nicht nur ab und an und schlug auf den Tisch, sondern verlangte auch nach Tabletten. Dass er aufgrund seiner Probleme regelmäßig Marihuana konsumiert und auch schon andere Drogen wie LSD oder MDMA genommen hat, gab er auf Nachfrage unumwunden zu.

An den Vorfall mit dem Handy könne er sich nicht erinnern, meinte er erst. Nachdem der 35-jährige Mitangeklagte jedoch einiges über den Tag erzählt hatte, hatte er dann doch einen „Flashback“. Auf einmal sprudelte es aus ihm heraus – allerdings seien nicht sie drei Schuld an allem gewesen, sondern der andere Junge. Dieser hätte das Handy des 30-Jährigen kaputt gemacht und habe dann nicht für die Reparatur aufkommen wollen. Er selbst habe nur zu schlichten versucht, doch dann habe der Junge auch noch sein Handy geklaut. Nach vielen weiteren Diskussionen und einem letztlich eigentlich friedlichen Auseinandergehen habe der andere Junge dann plötzlich die Polizei gerufen und die Vorwürfe in die Welt gesetzt. An diesen sei aber nichts dran.

Zu klären versuchte das Gericht am ersten Verhandlungstag zudem, wie es zu zwei verwüsteten Wohneinheiten in der Asylunterkunft in Bietigheim-Bissingen gekommen ist und was es mit der Auseinandersetzung am 26. März auf sich gehabt hat. Bei Letzterem platzte dem Richter aber selbst bei dem als Zeuge geladenen Hausmeister der Unterkunft der Geduldsfaden, als er auf keine Frage eine klare Antwort gab. Am Ende des ersten Verhandlungstages schloss er deshalb passenderweise mit den Worten: „Beenden wir das Theater für heute.“

Der Prozess wird nun am 16. November fortgesetzt.