Das Steinheimer Jugendhaus muss umziehen. Foto: Sandra Brock

Die Tage des Steinheimer Jugendhauses in der Ludwigsburger Straße sind gezählt – einen neuen Standort gibt es noch nicht. Das macht den Nutzern Sorgen.

Steinheim - In ziemlich exakt einem Jahr ist im Steinheimer Jugendhaus Schluss. Ende Januar 2017 müssen Mitarbeiter und Nutzer mitsamt ihren sieben Sachen draußen sein (wir berichteten). Wohin es geht, weiß derzeit keiner. Neue Räume sind nicht in Sicht – und genau das ist ein großes Problem für die Jugendlichen. „Wir haben Angst, dass es dann in Steinheim gar kein Jugendhaus mehr gibt“, sagt Evin Bal. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt sie.

Die 17-Jährige kommt gerne und oft ins Steinheimer Jugendhaus, genauso wie ihre Cousine Azade Bal, die 16 Jahre alt ist. Und warum gerade das Jugendhaus? „In Steinheim gibt es sonst keine Orte, wo man als Jugendlicher einfach mal chillen kann“, sagt Evin und Azade ergänzt: „Jugendliche kommen hierher, um mal nicht zu Hause zu sein. Hier sind auch Leute, mit denen man reden kann, wenn man Fragen oder Probleme hat.“ Damit meint sie Stefan Maier und Constanze Mansur. Maier ist seit 2008 Jugendhausleiter, Mansur arbeitet als Schulsozialarbeiterin und ist gleichzeitig Mitarbeiterin im Jugendhaus. „Die Kids können mit jedem Scheiß zu uns kommen“, bestätigt Maier.

Auch der Jugendhausleiter ist von der derzeitigen Situation um die Einrichtung wenig begeistert. „Es ist mehr als fünf vor zwölf“, sagt er. Selbst wenn jetzt „ein Ölscheich mit Millionen um die Ecke käme“, wäre die verbleibende Zeit für einen nahtlosen Übergang in ein neues Gebäude schon kaum mehr machbar. Zumal er sich auch keinen Illusionen hingeben möchte. „Wir sind realistisch und keine Sozial-Utopisten. Ein Neubau, beispielsweise auf dem Campus-Areal, wäre das Optimum. Aber die Stadt hat ja noch ein paar andere Aufgaben zu stemmen.“

Stichwort Flüchtlinge. Wobei für Stefan Maier genau vor diesem Hintergrund ein Jugendhaus am Ort auch besonders wichtig ist. „Wir hatten schon etliche Flüchtlingskinder und junge Erwachsene hier“, sagt der Jugendhausleiter. Denn einfach mal in eine Kneipe zum Billardspielen können die Flüchtlinge schon aus finanziellen Gründen nicht. „Da geht gar nichts anderes als das Jugendhaus“, sagt Evin, die gemeinsam mit Azade auch bei den Deutschkursen für die Ankömmlinge mithilft und sich bei Spielenachmittagen für Flüchtlingsfamilien engagiert.

Insofern wäre der jetzige Standort des Jugendhauses in der Ludwigsburger Straße ebenfalls eine gute Lösung für den Jugendhausleiter. „Von der geplanten Flüchtlingsunterkunft am Bahnhof müssen die Leute ja quasi nur noch umfallen, dann sind sie hier“, sagt Maier lachend. Er rechnet in der Jugendarbeit diesbezüglich mit einer Schwerpunktverschiebung.

Ein Alternativstandort wäre ein Gebäude ganz in der Nähe des jetzigen Jugendhauses gewesen. Die Jugendlichen waren auch schon eingeweiht und haben Pläne geschmiedet. Dass dann nichts daraus wurde, „hat sie ziemlich enttäuscht“, berichtet Constanze Mansur. Sie findet durchaus, dass das Steinheimer Jugendhaus stiefmütterlich behandelt wird. Stefan Maier stimmt ihr zu. In den umliegenden Orten könne man sehen, wie sich die Jugendarbeit weiterentwickelt. „Nur hier in Steinheim stagniert es. Dabei ist das Hinübergleiten der Jugendlichen ins Erwachsenenalter oft mit Problemen behaftet, die eine gute Jugendarbeit auffangen kann.“

Es geht Maier nicht nur darum, dass sich das Jugendhaus der Urmenschstadt seit gut 15 Jahren im Stadium eines Provisoriums befindet. Man hat sich weitgehend arrangiert, auch wenn der Standort ebenfalls nicht gerade einfach ist und die Räumlichkeiten schon bessere Zeiten gesehen haben. Das Motto lautet: „Wir machen das Beste draus.“ Dabei fänden es Evin und Azade Bal „schon schön, wenn wir ansprechendere Räume hätten. Das wäre auch gut für die Eltern, damit sie ein gutes Bild vom Jugendhaus bekommen.“

Für die Jugendlichen ist die Ungewissheit, wo es hingeht mit ihrem Jugendhaus, sehr problematisch. „Viele warten auf den Neuanfang“, sagt Constanze Mansur. „Wir würden am liebsten jetzt schon anfangen zu planen“, sagt Evin. „Wenn wir etwas machen könnten, würden sich noch viel mehr engagieren“, ist sich Azade sicher.

Die Stadt sucht weiter neue Räume

„Wir haben derzeit noch nichts Neues“, sagt der Steinheimer Ordnungsamtsleiter Rolf Englert. Und: „Ich habe große Sorge, wie es weitergeht.“ Im Mai 2015 kam die schlechte Kunde in Sachen Jugendhaus im Rathaus an: „Der Mietvertrag wurde uns gekündigt“, so Englert.

Die Kündigung sei nicht angekündigt gewesen, allerdings war es schon im Vorfeld lange Zeit so, dass der Mietvertrag immer nur um ein oder zwei Jahre verlängert wurde. Dass die Räume in der Ludwigsburger Straße nur ein Provisorium waren und nichts Endgültiges, sei immer klar gewesen. Aber wenn etwas läuft, gebe es meist wenig Veranlassung, etwas zu ändern, so der Ordnungsamtsleiter.

Doch jetzt läuft es nicht mehr. „Nach der Kündigung haben wir uns auf die Suche gemacht und verschiedene Objekte angeschaut“, berichtet Rolf Englert. Etliches sei nach interner Prüfung ausgeschieden. Lediglich eine mögliche Unterkunft sei übrig geblieben. Letztlich habe der Gemeinderat aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen, so Englert.

Bei dem Alternativstandort handelt es sich um ein Objekt in der Nähe des jetzigen Jugendhauses, der aber laut einem Bericht in unserer Zeitung vom vergangenen Dezember wohl damals schon aus dem Rennen war. Der Bürgermeister Thomas Rosner erklärte dies mit den extrem hohen Nebenkosten und der Tatsache, dass eine Freifläche für Sportangebote am Haus beziehungsweise in der Umgebung fehlen würde.

Dass die Zeit drängt, sei ihm „voll bewusst“, wie der Leiter des Steinheimer Ordnungsamtes betont. Das sei letztlich auch der Haken in Sachen Neubau. „So ein Ding schüttelt man nicht aus dem Ärmel.“ Wolle man es richtig machen, müsse man die Jugendlichen an dem Projekt beteiligen. „Das soll und darf dann auch Spaß machen. Aber da reicht uns jetzt die Zeit für den reinen Bau des Hauses nicht mehr.“

Heißt: So oder so müssen für Februar 2017 Räumlichkeiten für das Jugendhaus gefunden werden – egal ob diese dann endgültig sind oder nur übergangsweise, falls es doch einen Neubau gibt. Und falls nichts gefunden wird? „Dann sehe ich die offene Jugendarbeit in großer Gefahr“, so Englert.

Ein Neubau des Jugendhauses könnte wohl am besten auf dem Gelände des Schulcampus realisiert werden, lautet der allgemeine Tenor. Wobei auch der Bürgermeister einschränkt: „Selbst wenn die Kosten ,erträglich’ wären, schaffen wir es jetzt nicht mehr, innerhalb von zwölf Monaten einen Gemeinderats-Beschluss herbeizuführen, Planungen anfertigen zu lassen, den Bau auszuschreiben, zu bauen und umzuziehen. Die Kosten stehen deshalb nicht mehr an erster Stelle. Wir konzentrieren uns inzwischen auf die Suche nach schneller umsetzbaren Alternativen. Bisher bietet sich aber noch nichts an.“