Gehäkelt und gestrickt wird so ziemlich alles – auch Handtaschen. Foto: Michael Raubold Photographie

Beim offenen Handarbeitstreff steht auch die Kommunikation im Mittelpunkt.

Steinheim - Der Lautstärkepegel im Raum ist beträchtlich. Rund 15 Damen an zwei großen Tischen unterhalten sich prächtig. Das Klappern der Stricknadeln hört man kaum. Aber sie klappern – und das unermüdlich. Außer das Gespräch mit der Nebensitzerin wird allzu intensiv. Dann werden Wolle und Nadeln auch mal beiseitegelegt.

Bei „Wolle trifft Buch“, einem offenen Handarbeitstreff im Erdgeschoss der Bücherei, geht es genau darum. „Unter dem Dach der Stadtbibliothek treffen sich Handarbeitsbegeisterte, um zusammen zu stricken, häkeln, sticken . . .“, so wird im Blättle geworben. Und: „Jeder ist herzlich eingeladen, sich gemeinsam mit Gleichgesinnten zu treffen, zusammen zu arbeiten, zu plaudern, Neues zu erlernen, Erfahrungen auszutauschen…“.

An diesem Freitagvormittag wird zum Beispiel eifrig an einigen Socken gearbeitet. „Das ist am einfachsten“, sagt Gisela Löhle augenzwinkernd. „Beim Sockenstricken muss man nicht so aufpassen und kann gut nebenher schwätzen.“ Eine der Damen strickt aber auch gerade an einem Pullover mit hübschem Muster. Eine andere arbeitet an Hüttenschuhen, und eine weitere zeigt ihrer Nachbarin gerade eine besonders schöne Häkelarbeit, die sie mitgebracht hat.

Seit drei Jahren gibt es „Wolle trifft Buch“. Gisela Löhle hat es ins Leben gerufen. Die Steinheimerin war im Bastelkreis der evangelischen Kirche aktiv und hatte erfahren, dass es in Bietigheim einen Strickkreis der Volkshochschule gibt. Den hat sie sich dann gemeinsam mit einer Freundin mal angeschaut. Dort hat sie sich zwar „nicht so richtig willkommen gefühlt“. Die Idee an sich ließ Gisela Löhle dann aber doch nicht los. „Ich bin eine Weile damit schwanger gegangen und habe überlegt, in welchen Räumen man so etwas machen könnte. Da ist mir die Bücherei eingefallen.“

In der Stadtbibliothek rannte Gisela Löhle quasi offene Türen ein. „Das passt prima“, sagt Ursula Frei-Henninger, Mitarbeiterin in der Bücherei. Der Raum der Begegnungsstätte im Erdgeschoss ist am Freitagsvormittag frei, die Bücherei hat geöffnet und kümmert sich ansonsten um die Werbung für „Wolle trifft Buch“. Frei-Henninger: „Und wir freuen uns, dass die Damen uns beim Tag der offenen Tür unterstützen und beispielsweise in den Ferien Workshops für Kinder anbieten.“

Die Bücherei – und die Bürgerstiftung Steinheim – profitieren aber auch in finanzieller Hinsicht von „Wolle trifft Buch“. Denn die Damen stricken und häkeln nicht nur für sich, auch wenn das der ursprüngliche Gedanke bei dem Projekt war. Aber: „Wir bekommen immer wieder Wollreste geschenkt“, berichtet Gisela Löhle. Und daraus entstehen dann hübsche Dinge, die auf dem Weihnachtsmarkt verkauft werden.

Dieses Jahr werden das unter anderem kleine, weiße Sterne sein, die man an den Weihnachtsbaum oder an Geschenke hängen kann. „Wir hatten so viel Baumwollgarn“, erklärt Gisela Löhle. Sie hat überlegt, was man daraus machen kann und kam auf die Häkelsterne. Also häkeln die Damen zwischen zwei Socken oder einfach mal so noch ein paar Sterne für den Weihnachtsmarkt.

Auch einige bunte Patchwork-Decken sind so schon entstanden. Eine davon ist riesig, farblich nicht ganz so aufregend wie die anderen. „Wir hatten ganz viel grüne Wolle bekommen.“ Sechs Frauen haben daraus 40 Zentimeter lange Streifen gestrickt. Gisela Löhle hat sie am Ende versetzt zusammengenäht – und so eine tolle Decke gestaltet.

Der Steinheimerin gehen die Ideen nicht aus. Einkaufsnetze haben die Damen schon gehäkelt, aber auch Handtaschen und mehr. Vergangenes Jahr wurden für die Jungs und Mädchen des Waldkindergartens Handschuhe und Stulpen gestrickt. „Und danach gab es Zucchinisuppe“, erzählt Löhle. Das Miteinander sei sehr wichtig. Manchmal lassen die Frauen deshalb auch das Stricken und Häkeln einfach sein. Kürzlich haben sie die Schwaben-Ausstellung im Alten Schloss in Stuttgart besucht. Oder man geht nach getaner Arbeit einfach noch ein Eis essen.

Das Strickzeug haben einige der Damen übrigens immer dabei und packen es nicht nur bei „Wolle trifft Buch“ aus. Gisela Löhle zum Beispiel nimmt Nadeln und Wolle mit zum Bergsteigen. Da sie im Gegensatz zu ihrem Mann nicht jeden Gipfel erklimmen will, setzt sie sich dann hin und strickt. „Im Rucksack ist das viel leichter als ein Buch“, sagt sie.

Oder Karin Dietze aus Höpfigheim. Sie ist schon von Anfang an bei „Wolle trifft Buch“ dabei. Schon früher habe man sie im Urlaub die Strickliesel genannt, berichtet sie lachend. Sie gibt aber zu: „Ich stricke und häkle alles. Ohne mein Strickzeug gehe ich nicht aus dem Haus. Das ist schon fast wie eine Sucht.“