Das unheilvolle Spiel um Macht, Gier, Schuld, Vernebelung, Verführung, aber auch Liebe und Freundschaft hat überzeugt. Foto: avanti

Der Theaterhaufen Bottwar fasziniert bei der Premiere von „Krabat“ die Zuschauer. Die düstere Version des Klassikers von Otfried Preußler ist mit Licht- und Soundeffekten beeindruckend in Szene gesetzt worden.

Steinheim-Kleinbottwar -

Warum nach Stuttgart fahren, wenn sich mit dem Theaterhaufen Bottwar ein Ensemble bietet, das in Kombination mit dem Jungregisseur Philipp Wolpert zu wahrlich ungeheuren Theatererfahrungen aufruft? Diese Frage findet spätestens seit der Premiere am Mittwochabend ihre Berechtigung. Mit seiner Aufführung von Otfried Preußlers „Krabat“ hat nämlich der über 20-köpfige Haufen an geradezu unfassbar talentierten Laienschauspielern für Furore in der Kleinbottwarer Alten Gutskelter gesorgt.

Klar, Preußlers Vorlage des armen, elternlosen Jungens, der als Lehrling der schwarzen Magie seines Müller-Meisters zunächst auf den Leim geht, bot schon immer genügend Gesprächsstoff und hat die Gemüter bewegt. Doch die weitere Bearbeitung der Theaterfassung von Nina Achminow, die von Philipp Wolpert und seinem Cousin Tobias Frühauf geleistet wurde, hat einen zusätzlichen, düster-fesselnden Charme und eine intensiv-bedrängende, oft nicht einmal verbal artikulierte Aussage in die Inszenierung gebracht.

Mystisch, mit blau angeleuchtetem Nebel beginnt das unheilvolle Spiel um Macht, Gier, Schuld, Vernebelung und Verführung, aber auch um Freundschaft und Liebe. Wie in einen dunklen, unergründlichen Schlund wird der Zuschauer tief in das Bühnengeschehen hineingezogen, ohne sich dagegen wehren zu können. „Krabat komm´ nach Schwarzkollm in die Mühle, es wird nicht zu deinem Schaden sein“, so hört das Publikum zu Beginn die magischen Worte aus dem Off und das Spiel nimmt seinen Lauf. Es lebt von der entblößenden Darstellung dessen, was anfangs vermeintlich gut gemeint, sich schließlich aber ins Gegenteil verkehrt. Die Müllersburschen erleben, dass aus Gehorsam das Aufgeben des eigenen Willens wird. Aus dem Prozess des Lernens wird das Eintrichtern von Informationen; aus geistiger Klarheit ein kollektiv ausgeübtes Wegschauen und Schweigen.

Immer wieder unbequeme Fragen stellt jedoch Krabat, der neue Lehrling, dessen Rollenprofil hervorragend durch Jan Schneider gefüllt wird. Ihm zur Seite ist die ebenso prachtvoll agierende Leah Wewoda, als vermeintlich dummer Müllersbursche Juro gestellt. Ihr Bühneneinsatz ist ein optischer wie mimisch ausdrucksstarker Glücksgriff. Das Mädchen spielt nicht, sie fühlt, denkt, agiert wie die Rolle es vorgibt. Und beide wirken meisterhaft darin. Gemeinsam mit Alex Ilic, als dunkler, bedrohlicher Meister und Tobias Frühauf als Krabats Freund und Helfer Tonda, schafft es das Team, sich mit seinem mitreißenden, manchmal gar atemberaubenden Spiel, direkt im Zentrum des Zuschauer-Empfindens festzubeißen und dort schauerliche Faszination zu wecken. Dass am Ende alles gut geht und die Liebe schließlich gewinnt, das verkörpert Karishma Stutz, die glaubhaft sanft und liebenswert die Kantorka mimt.

Wolperts gelungenes Gesamtkonzept weist zudem ausgelassene Trinkgelage, turbulente Keilereien, auch auf dem Boden, sowie hohntriefende Szenen auf, die bewusst auf eine menschenverachtende Wirkung zielen. Hier setzt aussagekräftig auch das mimisch-ruppige Spiel der Gesellen an – überzeugend dargestellt von Gunnar Schwarm, Melvin May und Kai Keller sowie Thomas Feyerabend. Um dies abzufedern, gibt es Szenen, die das Spiel geschmeidiger machen, es humorig stimmen und dem Bedürfnis der Zuschauer nachkommen, auch mal lachen zu dürfen. Weitere kluge Schachzüge sind die Kombination des Musikers Stephen Elzenbeck, der bisweilen in die Rolle des Gevatters Tod schlüpft sowie die drei „Stimmen“, gespielt und gesprochen von Lilly Bock, Rebecca Falkenburger und Sarah Scholl. Sie verdeutlichen dem Zuschauer das Geschehen auf emotional dichte und recht skurrile Weise.Und sogar bis zum Ende hin bleibt der durchgängig angesetzte Gänsehaut-Charakter konstant: Sarah Scholl setzt einen gesanglichen Glanzpunkt, der noch lange danach den Heimweg begleitet.

Für die beachtlichen Leistungen auch der hier nicht genannten Spieler, zollt das Publikum schließlich zum Abschluss der Premiere stehend Beifall und viel Anerkennung.