Foto: Phillip Weingand

Im Waldkindergarten lernen die Kleinen viel über die Natur – und gleichzeitig, Verantwortung zu übernehmen.

Steinheim-Höpfigheim - Ein Mistkäfer“, ruft eines der Kinder aufgeregt. Tatsächlich: Ein schwarzes Insekt durchquert den Morgenkreis, der sich zwischen den beiden Bauwagen am Waldrand eingefunden hat. Doch niemand sagt „Iieh“, kein Fußtritt setzt dem Krabblerleben ein Ende. Stattdessen Interesse: „Wo ist der Käfer?“, fragt ein Nachwuchsforscher. „Was macht so ein Mistkäfer eigentlich?“, will ein anderer wissen. „Der lebt halt im Mist“, meint ein Altersgenosse. Währenddessen zieht der sechsbeinige Besucher weiter und verschwindet im Gebüsch. Der Morgenkreis kann weitergehen, und eigentlich geht es heute um die Spitzmaus. Erzieherin Sandra Hoffmann erklärt der staunenden Runde zum Beispiel, dass einige Spitzmausarten giftig sind und sogar Schlangen verzehren.

Seit 2001 kommen Kinder und Erzieherinnen morgens zu den beiden Bauwagen, die im Wald in der Nähe des GSV-Heims stehen. „Die Anfangszeiten waren nicht einfach“, sagt Sandra Weiß, die heutige Vorsitzende des Waldkindergarten-Vereins. „Jäger und Förster sahen eine Horde Kinder hier nicht so gern. Es musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.“ Aber das sei sicher auch an anderen Orten so gewesen – etwa in Pleidelsheim, wo es schon länger einen Waldkindergarten gibt.

Heute steht der Gemeinderat mehrheitlich hinter dem Verein. Das Gremium hat dem Waldkindergarten jüngst mehr Geld zugestanden: Land und Stadt bezahlen im kommenden Jahr 80 Prozent der Kosten statt wie bisher 64 Prozent. „Das kommt uns sehr entgegen“, meint Weiß. Denn der Waldkindergarten bekommt die aktuellen Änderungen bei der Kinderbetreuung zu spüren. „Wir sind froh, dass wir im nächsten Jahr mit 20 Kindern starten können“, sagt Weiß. Erst sah es so aus, als seien nur 16 angemeldet. „Ich vermute, es liegt an der ausgebauten Kleinkindbetreuung. Die Kinder bleiben auch später noch in ihren Einrichtungen“, sagt Weiß. Ursprünglich durften nur Steinheimer Kinder in den Wald, heute sitzen auch kleine Marbacher oder Kirchberger auf den Baumstümpfen im Morgenkreis. Und auch sonst, so Weiß, müsse der Waldkindergarten sein Angebot weiter ausbauen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Etwa mit verlängerten Öffnungszeiten oder dem Ausbau der Vorgruppe, in der sich Zwei- bis Dreijährige an den Tag im Wald gewöhnen können.

Die Kinder verschwenden an solche Dinge keine Gedanken. Sie haben Wichtigeres zu tun: etwa Ytong-Steine zerreiben. „Wenn man Wasser draufmacht, wird das wieder hart“, erklärt ein Nachwuchsbaumeister. Andere klettern auf Bäumen herum oder formen Spitzmäuse aus Ton. Marlon ist an diesem Tag fünf Jahre alt geworden und deswegen etwas aufgedreht: Als lautstarker Schwertransporter hilft er, eine Feuerstelle aufzubauen.

Für Sandra Weiß liegt der größte Vorteil des Waldkindergartens in der Bewegung in der Natur. „Der Lärm verliert sich zwischen den Bäumen. Und die Bewegung kommt leider in vielen anderen Einrichtungen und zu Hause oft zu kurz.“ Außerdem bekämen die Kinder ein stärkeres Umweltbewusstsein vermittelt: „Mein Sohn war auch hier. Er kennt noch heute viele Kräuter und Bäume. Wenn er eine Schramme hat, holt er sich Spitzwegerich zum Desinfizieren.“

Manche Eltern zögern erst, ihre Kinder in den Wald zu lassen – aus Furcht, der Nachwuchs könnte dort weglaufen oder im Winter frieren. „Uns ist aber noch nie jemand verloren gegangen“, so Weiß. Und bei Kälte sei der Bauwagen ja beheizt. „Manche verwechseln uns auch mit einem Waldorfkindergarten“, erzählt Weiß. „Doch wir sind ein ganz normaler Kindi – nur eben im Wald.“ Aber: Wer sein Kind in den Waldkindergarten gibt, muss Verantwortung übernehmen. Etwa regelmäßig volle Wasserkanister mitbringen. Und auch die Kleinsten lernen schon, etwas beizutragen und selbstbewusst vor der Gruppe aufzutreten. Heute ist die dreijährige Emma, das Nesthäkchen des Waldkindergartens, an der Reihe. Als Tageshelfer schlägt das Mädchen die Triangel an, damit die Kinder sich versammeln. Am nächsten Tag wird ein anderes Kind diese Aufgabe übernehmen. Dann geht es in den Wald, Raupen angucken.