Foto: Sandra Brock

Johan Söderström ist ein Jahr lang als Austauschschüler bei der Familie Lammerskitten zu Gast. Unterschiede zu seiner Heimat gibt es nicht nur im Schulsystem.

Steinheim - Familie Lammerskitten ist groß. Zu ihr gehören neben den Eltern Elmar und Jeanette Lammerskitten die Kinder Daria (zwölf Jahre), Bastian (13), Jana (16), Sarah (19) und Franziska (25). Letztere wohnt zwar nicht mehr im elterlichen Haus in Steinheim, dafür ist dort vor einigen Wochen Johan Söderström eingezogen. Der 17-Jährige ist ein Austauschschüler aus Finnland. Den Humor seiner Gastfamilie scheint er jedenfalls zu mögen. Alle lachen herzlich, als Mama Jeanette augenzwinkernd sagt: „Einer mehr fällt bei uns nicht auf.“

Das allein ist aber nicht der Grund gewesen, warum Lammerskittens einen Austauschschüler aufgenommen haben. „Es war mal wieder an der Zeit“, sagt Elmar Lammerskitten. Er war selbst vor 25 Jahren als Austauschschüler in den USA. Für die Organisation Youth For Understanding (YFU), mit der auch Johan Söderström nach Deutschland gekommen ist, arbeiten er und seine Frau schon lange ehrenamtlich. Und sie wissen: „So etwas ist eine echte Bereicherung fürs Familienleben. Wenn es gut passt, macht das auch großen Spaß.“

Und mit Johan macht es Spaß. Das wird deutlich, wenn man mit der Familie bei Kaffee und Keksen auf dem Sofa sitzt. Es wird viel gelacht und erzählt. „Ein weiterer Sohn verändert auch die Familiendynamik“, berichtet Elmar Lammerskitten augenzwinkernd und seine Frau fügt mit Blick auf ihren Jüngsten hinzu: „Bastian genießt das auch sehr, einen großen Bruder zu haben.“

Auch Johan gefällt’s. Ungewohnt ist das Leben in einer großen Familie für ihn ohnehin nicht. Er hat zu Hause drei Geschwister. Das Austauschjahr wollte er machen, weil „Deutschland in Europa sehr wichtig ist“, so der 17-Jährige. Fließend Englisch konnte er schon, also wollte er Deutsch lernen. Was gut gelingt. Anfangs hatte man sich noch mit Englisch beholfen, wenn die Verständigung nicht klappte. Seit dem Ende der Herbstferien ist Englisch im Hause Lammerskitten tabu. „Es ist unglaublich, welche Fortschritte er in der kurzen Zeit gemacht hat“, sagt Elmar Lammerskitten.

Damit erweitert sich der Sprachschatz von Johan Söderström noch ein Stück. Obwohl in Finnland aufgewachsen, ist die Muttersprache des Schülers nämlich eine andere. Johans Familie gehört zur schwedischen Minderheit in Finnland. Für ihn ist Finnisch daher eine Fremdsprache.

Das und vieles weitere über Finnland haben Lammerskittens inzwischen gelernt. Zum Beispiel, dass dort jeder ein Sommerhaus am Meer oder an einem See hat. Oder wie Lebkuchen gebacken werden. „Da werden wir zu Weihnachten natürlich Rezepte austauschen“, sagt Jeanette Lammerskitten. Rund um den Lebkuchen gab es in der Familie übrigens schon ein nettes sprachliches Missverständnis. „Leberkuchen“ nannte Johan die finnische Spezialität anfangs – was für entsprechendes Gelächter sorgte. Inzwischen weiß der Austauschschüler auch, dass „zerschnitzeln“ nicht zwingend etwas mit dem „Schnitzel“ – seinem Lieblingsessen – zu tun hat.

Das Erlernen der Sprache geht aber letztlich ganz nebenbei – im Alltag zu Hause, in der zehnten Klasse der Erich Kästner Realschule, im Vereinssport in Höpfigheim oder bei Aktivitäten mit der Gastfamilie. „Wir haben schon eine ganze Menge unternommen“, berichtet Jeanette Lammerskitten. So war die Familie mit Johan bereits im Europapark, beim Wandern in der Schweiz, im Schwarzwald, am Bodensee und im Ludwigsburger Barockschloss. Kommende Pfingsten ist ein gemeinsamer Familienurlaub auf Kreta geplant. Im Winter geht es – natürlich – zum Skifahren. Schnee ist Johan ohnehin gewohnt. „Das Wetter ist hier viel milder als zuhause“, ist ihm schnell aufgefallen.

Und das ist nicht der einzige Unterschied. In der Schule zum Beispiel, so hat er beobachtet, „ist alles viel stärker vorgeschrieben, wie man etwas zu tun hat“. Das deutsche Schulsystem sei strenger und habe mehr Regeln. Überhaupt gibt es in Deutschland mehr Regeln, weiß inzwischen auch die Familie Lammerskitten. Stichwort Sauna. Auch hier werden die Unterschiede zwischen den beiden Ländern deutlich. Die finnische Sauna ist heißer, erklärt Johan. „Und es gibt keine Saunaregeln“, fügt Elmar Lammerskitten lachend hinzu.