„Wir brauchen das lokale Handwerk Foto: privat

Stefan Dietl demonstriert weltweit: Das System der Dualen Ausbildung ist effektiv und einmalig.

Steinheim - Stefan Dietl lebt zwar in der Urmenschstadt, ist aber häufig im Ausland in Sachen Ausbildung unterwegs. Sein ambitioniertes Engagement hat ihm und der Firma Festo, für die er als nationaler und internationaler Ausbildungsleiter tätig ist, 2018 den Gewinnerpreis der Deutschen Personalwirtschaft eingebracht. Und der gehört zu den renommiertesten und traditionsreichsten Auszeichnungen in der Human-Resources-Szene und wird vom Wolters Kluwer-Verlag für gleich sechs Kategorien ausgelobt.

„Dies freut uns natürlich sehr und zeigt, dass auch die Fachwelt unser Engagement entsprechend würdigt“, kommentiert der Experte den ersten Preis, der heuer erstmalig in der Kategorie Ausbildung vergeben wurde. Festo ist ein innovatives Unternehmen mit Sitz in Esslingen, das Automatisierungslösungen mit elektrischer und pneumatischer Technologie in der Fabrik- und Prozessautomation anbietet. Deren auf mehrere Jahre ausgelegtes Projekt zur Internationalisierung der Dualen Ausbildung, kürt nun die Gewinnerriege.

Für den Technologiekonzern steht schon längere Zeit fest, dass es national und international zu Personalengpässen kommen wird. Da die internationalen Standorte stark wachsen und auch dort die Personalsuche nicht immer einfach ist, wurde das deutsche Modell der Dualen Ausbildung – in enger Kooperation mit den jeweiligen Schulen im Ausland – installiert. Bestes Beispiel ist China, wo die dort dreijährige Ausbildung bereits im Jahr 2011 mit 28 Auszubildenden begonnen wurde. „Bedeutend ist für uns dabei, dass wir unseren Ausbildungsplan in die jeweilige Bildungslandschaft integrieren“, betont Dietl die Absicht, die Zahl der Mitarbeiter, wie auch deren Güte, jeweils vor Ort aufzubauen. „Denn sie sollen ja schließlich einmal die Maschinen Instand halten und etwaige Probleme analysieren können“.

In Ländern wie Indien, Ungarn oder in den USA beträgt die duale Ausbildungszeit nur zwei Jahre. In China aber besuchen die Lehrlinge im ersten Jahr ausschließlich eine Vollzeitschule, in der ihnen auch gesellschaftliches- und politisches Wissen vermittelt wird. Ohne diesen Spagat gehe nämlich gar nichts, weiß der Manager, der alle Azubis mit zwei Zertifikaten beglückt: ein deutsches und eines, das im eigenen Land Gültigkeit hat. Außerdem wird bei der Ausbildung nach deutschem Vorbild auf die jeweilige Kernkompetenz des Standortes eingegangen. „Etwa, ob es sich um Einzel- oder Massenanfertigung handelt“, erläutert Stefan Dietl, der bei dem Projekt besonders auf Nachhaltigkeit und Perspektiven für die späteren Mitarbeiter setzt. Die nämlich durchlaufen im Rotationsverfahren je nach Land unterschiedlich viele Abteilungen und sollen auch nach dem Abschluss ein breites Wissen haben sowie Wertschätzung und Aufstiegschancen erfahren. „Der non-monetäre Aspekt spielt eine ganz große Rolle“, betont Dietl die Bedeutung, „auch als Mensch wahrgenommen zu werden“.

Was die Berufsschulpartner betrifft, da lobt der Manager„ die enorme Offenheit und das große Interesse“ der ausländischen Schulen. „Ich bin begeistert, wie schnell es etwa klappt, tragfähige Ausbildungs- und Lehrpläne zu entwickeln und das neue Ausbildungskonzept in den dortigen Schulalltag einfließen zu lassen“. Beeindruckt ist er, wie offen beispielsweise die Kollegen in Indien dem Aspekt der Digitalisierung gegenüberstehen. In Deutschland dagegen seien die Berufsschulen, was das betrifft, teilweise noch zurückhaltend.

Für Dietl ist nicht nachvollziehbar, weshalb man sich in Deutschland so schwer damit tut, die Lehrerausbildung an den Fortschritt anzupassen. „Wir haben zwar ein tolles Ausbildungssystem, aber die anderen schlafen auch nicht“, warnt Dietl. In puncto Wissenstransfer sieht er hingegen wenige Probleme. „Ich halte es für wichtig, dass wir unser Wissen und unsere guten Erfahrungen mit der Dualen Ausbildung weltweit weitergeben. Andere Länder wie Finnland, die Schweiz oder Österreich machen das auch“. Was den Manager jedoch den Kopf schütteln lässt, ist die sogenannte „Bacheloritis“. Alle meinen, man könne nur mit einem Studium Karriere machen. Für Dietl ein wahrer Irrglaube, der sich in fatalen Entwicklungen äußert. „Es ist bedenklich, wie viele Studienabbrecher wir haben“. Und auch an den Gymnasien zeige sich, wie fehlgeleiteter Ehrgeiz die Kinder ins Schwanken bringen kann. Für Dietl steht angesichts schwindender Ausbildungsvertrags-Zahlen in Deutschland eindeutig fest: „Die Perspektiven der Dualen Ausbildung werden momentan komplett unterschätzt. Wir brauchen das lokale Handwerk“.