Ungewöhnliche Hilfe: bei der Lese kommt auch ein Esel zum Einsatz. Foto: Werner Kuhnle

Die Rosinen wirken etwas unansehnlich – doch genau auf die haben es die Weingärtner Bad Cannstatt abgesehen. Sie lesen sie für die Trockenbeerenauslese auf.

Steinheim - Der Blick aufs Refraktometer zeigt stolze 180 Grad Öchsle. Jetzt wissen Thomas Zerweck, der Kellermeister der Bad Cannstatter Wengerter, und Mitglied Helmut Jenner aus Rielingshausen, dass sich das Warten gelohnt hat. Gestern wurde im Weinberg von Jenner am Steinheimer Burgberg Riesling gelesen. „Eine Beerenauslese wird es auf jeden Fall, vielleicht auch eine Trockenbeerenauslese“, erklärt Zerweck am Nachmittag. Erst abends beim Abpressen der Trauben hatte er die Gewissheit.

Hängenlassen hatte man den Riesling am Burgberg, weil „das Jahr sehr gut war“, wie Zerweck erklärt. Seit dem Herbst waren die Beeren nun „eingeschnurzelt“ wie Rosinen. Und auch optisch waren sie keine Augenweide mehr. Zerweck: „Sie sind gezeichnet, haben Edelfäule, sind blau unterlaufen – aber das ist ja genau das, was wir wollen.“

Die luftoffene Lage am Steinheimer Burgberg sei sehr geeignet dafür, Trauben länger hängen zu lassen, so der Kellermeister der Weingärtnergenossenschaft, die sich seit Sommer Weinfactum Bad Cannstatt nennt. In dem Weinberg in Steinheim „bleiben die Trauben gesund und mit Helmut Jenner haben wir einen sehr verlässlichen Winzer“. Schließlich gehe es auch darum, die Qualität im Vorfeld zu steigern, unter anderem werden die Reben eingenetzt. „Da muss sich auch jemand dafür bereit erklären“, erklärt Thomas Zerweck. Zumal es auch immer ein wenig ein Experiment sei, ob es mit der Trockenbeerenauslese auch klappt. Zerweck: „Da geht man ein Risiko ein.“

Eigentlich hätte die Lese am Steinheimer Burgberg schon in der vergangenen Woche stattfinden sollen. „Aber da hat es entgegen aller Ankündigungen geregnet“, so der Kellermeister. Also wurde die Lese um eine Woche verschoben, „was der Qualität aber sicher keinen Abbruch getan hat“.

Der Ergebnis wird sich mit ziemlicher Sicherheit sehen lassen können. „Man muss natürlich abwarten, aber ich denke, das wird etwas richtig Gutes.“ Und etwas richtig Seltenes: Eine Trockenbeerenauslese hatten die Bad Cannstatter Weingärtner zuletzt vom Jahrhundertjahrgang 2003 hergestellt. Und diesmal ist es auch nur der Weinberg am Steinheimer Burgberg, in dem der Versuch gestartet wurde, Trauben für eine Trockenbeerenauslese zu lesen. Keine weitere Lage der Bad Cannstatter Genossenschaft wurde ausgewählt. Und eine riesige Menge wird es auch nicht geben: 500 bis 600 Liter hat der Kellermeister aus dem Lesegut gewonnen.

Ungewöhnliche Unterstützung gab es zudem bei der ungewöhnlichen Lese. Zu den rund 35 menschlichen Helfern aus der Genossenschaft wurden auch zwei Esel eingesetzt. Sie gehören einem Mitglied und vor einiger Zeit sei man darauf gekommen, dass man mit den Tieren auch mal eine schöne Winterwanderung machen könnte. „Auch die Weinlese wäre ein schöner Aufhänger“, fand Helmut Jenner – und so gab es tierische Unterstützung im Weinberg. „Die beiden Esel haben gut mitgeholfen – und ein bissle ein Gag war es auch“, so Helmut Jenner.