Ein Waschbär wurde in Oberstenfeld gesichtet. Foto: privat

Ein Exemplar des Säugetiers ist in einem Wohngebiet in Oberstenfeld gesichtet worden. Der Nabu-Landesvorsitzende geht davon aus, dass die Allesfresser bald im ganzen Ländle anzutreffen sind.

Oberstenfeld - Der Siegeszug der Waschbären in Europa begann vor einigen Jahrzehnten, als die ursprünglich aus Nordamerika stammenden Säugetiere aus ihren Gehegen ausbüxten oder ausgesetzt wurden. Seitdem sind sie auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Andre Baumann, der Vorsitzende des Nabu in Baden-Württemberg, geht davon aus, dass die Allesfresser in rund 20 Jahren im Ländle flächendeckend anzutreffen sein werden, also auch rund um Marbach und im Bottwartal. Wobei die ersten Exemplare längst hier angekommen sind. So hat die Familie Ulmer aus Oberstenfeld am Sonntag sogar direkt vor der Haustür einen Waschbären entdeckt – und darüber nicht schlecht gestaunt. „Wir haben ihn um die Mittagszeit in einem Baum bemerkt. Er hat keinen scheuen Eindruck gemacht“, berichtet Annette Ulmer.

Willi Leible, der Vorsitzende des Oberstenfelder Nabu, hat das erste Exemplar der kleinen Raubtiere ums Jahr 2000 herum in der Gegend gesehen. „Ich dachte zuerst, das ist ein Dachs“, berichtet der Fachmann. Vor etwa zwei Jahren sei zudem am Forstberg ein Waschbär in eine Fotofalle getappt. Insofern sei bekannt gewesen, dass die Tiere im Bottwartal bereits heimisch geworden sind. Wie groß die Population ist, vermag Willi Leible aber nicht abzuschätzen. „Es nimmt auf jeden Fall noch nicht überhand“, erklärt er. Dafür spricht auch, dass beispielsweise Joachim Lösing vom BUND Marbach-Bottwartal selbst noch keinen Waschbären zu Gesicht bekommen hat.

Was nicht ist, könnte aber bald werden. Denn wenn sich die Tiere weiter vermehren, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie sich auf der Suche nach Futter in die Siedlungen vorwagen. Und dass sie sich weiter ausbreiten, steht für Andre Baumann außer Frage. „Sie sind sehr reproduktionsfreudig“, sagt der Vorsitzende des Nabu in Baden-Württemberg. Die Jäger könnten gar nicht so viele Tiere schießen, wie neue geboren werden. Zudem seien den Waidmännern in den Ortschaften die Hände gebunden. „Die Waschbären haben auch keine natürlichen Feinde“, fügt Willi Leible hinzu. Das führe in manchen Ortschaften zu regelrechten Plagen, wie der Oberstenfelder Nabu-Vorsitzende weiß. Hausbesitzer haben vor allem dann ein Problem, wenn die Tiere sich unter dem Dach eingenistet haben. Zudem geraten immer wieder Vögel in die Fänge der kleinen Räuber.

Das wird dann dramatisch, wenn sich die Waschbären über gefährdete Arten hermachen. Wobei das nicht nur für Vögel gelte, wie Andre Baumann erläutert. In Ostdeutschland gebe es beispielsweise Sumpfschildkröten, deren Eier zu den Leibspeisen der Waschbären zählten. Deshalb würden die Eier inzwischen mit Kaninchendrahtzaun geschützt. Aber auch das Gelege von Eidechsen sei vor den gefräßigen Säugern keineswegs sicher. Andre Baumann weist allerdings darauf hin, dass die Menschen nicht ganz unschuldig daran sind, dass sich die Waschbären so ausbereiten konnten. Die nachtaktiven Vierbeiner fänden nämlich in Komposthaufen und Mülleimern reichlich Nahrung. Speisereste sollten folglich nicht im Kompost landen, rät der Experte. Ferner empfiehlt er, Biotonnen zu verschließen oder den Deckel zumindest mit einem Stein zu beschweren. Katzen sollte man nicht auf der Terrasse oder dem Balkon mit Nahrung versorgen, weil das Futter auch von den Waschbären geschätzt werde. „Das Wichtigste ist, den Bestand über den Bauch zu regulieren“, fasst Andre Baumann zusammen.

Der Nabu-Vorsitzende macht allerdings auch darauf aufmerksam, dass die heimische Natur im Prinzip einen Neuankömmling wie den Waschbären verkraften müsste. „Der ist einfach da, womit wir eine Art mehr haben. Der Waschbär wurde auch von der Natur gemacht“, sagt Andre Baumann. Das Dilemma sei aber, dass die Bestände mancher Tierarten inzwischen zu niedrig seien. Da müsse man gegensteuern. Deshalb wünscht sich der Nabu-Mann beispielsweise, dass Gärten und Agrarlandschaften wieder naturnäher gestaltet werden – damit die Fauna mehr Entfaltungsmöglichkeiten bekommt.