Die Teilnehmer der „Leseräume Oberstenfeld“ machen es sich mit ihren Büchern an ungewöhnlichen Orten gemütlich. Foto: Andrea Ertl

Bei„Leseräume Oberstenfeld“ schmökern Kinder gemeinsam an ungewöhnlichen Orten in der Gemeinde. Dieses Mal haben es sich die Bücherwürmer im Sitzungssaal des Rathauses bequem gemacht.

Oberstenfeld - Zwanzig Kinder nehmen am Samstag den Sitzungssaal im Oberstenfelder Rathaus ganz für sich ein. Zwei Mädchen liegen rücklings in der Mitte des Raumes auf dem Boden – mit angewinkelten Beinen lesen sie in ihrem Buch. Andere Kinder sitzen an den Tischen, wie sonst die Gemeinderäte bei ihren Sitzungen. Manche nutzen auch den Platz für die Pressevertreter. Viele sitzen zum Lesen auf den mit Teppich bezogenen Zuschauerreihen – zwei Mädchen kuscheln sich dabei an Lisa König und lassen sich von ihr vorlesen.

„Lisa gibt gerade für Mädels ein wunderbares Rollenvorbild ab“, erklärt Jan Boelmann lächelnd. Der Oberstenfelder ist Professor für Literarisches Lernen an der Pädagogischen Hochschule (PH) Ludwigsburg und hat gemeinsam mit Suzana Krahl, der Leiterin der Bibliothek, dem Freundeskreis Asyl Oberstenfeld und dem Stuttgarter Medienpädagogen Robert Rymes das Projekt „Leseräume Oberstenfeld“ (LESOB) ins Leben gerufen. Lisa König ist Doktorandin an der PH und hilft ehrenamtlich mit.

Insgesamt sechs Stationen besuchen die 24 Kinder, um dort gemeinsam zu lesen: die Bibliothek, das GroMusle, den Bauernhof Kori, die Burg Lichtenberg, das Rathaus und die Krypta der Stiftskirche, Projektstart war im Februar. „Die Idee war, dass Kinder in ungewöhnlichen Räumen zusammenkommen, um dort zu lesen“, berichtet Jan Boelmann. Als weiteren wichtigen Aspekt nennt Suzana Krahl: „Wir wollen Kinder aus Flüchtlingsfamilien zum gemeinsamen Lesen mit Kindern aus Oberstenfeld einbeziehen.“ Das Interesse an dem Angebot sei groß gewesen, „wir hatten eine lange Warteliste.“ Jan Boelmann freut sich, dass sich die Kinder durch das Projekt nähergekommen sind: „Das merkt man auch, wenn sie sich im Ort begegnen“.

Heute ist als fünfte Station der Besuch des Rathauses geplant. Bürgermeister Markus Kleemann sagt: „Ich war gleich begeistert, als ich von dem Projekt erfahren habe.“ Jan Boelmann bestätigt: „Er war der erste, der sich auf unsere Anfrage hin gemeldet und seine Zusage gegeben hat.“ Und so treffen sich die Kinder in der Bücherei, um sich ein Buch auszusuchen und machen sich danach auf den Weg ins Rathaus.

Joshua darf heute am Schreibtisch von Bürgermeister Markus Kleemann sitzen. Jana und ein anderes Kind filmen diese Szene, genau wie alles andere, was an diesem Tag passiert. Medienprofi Robert Rymez dreht mit den vier Kindern, die an diesem Tag zur Mediengruppe gehören, einen Trailer – mit wenig Wortanteil, aber viel Action und spannender Musik. Etwa drei bis vier Stunden bearbeiten die Kinder ihre Aufnahmen. „Die Kinder sollen Spuren hinterlassen“, sagt dazu Jan Boelmann, „gerade auch die Flüchtlingskinder, von denen keiner weiß, wie lange sie bleiben können.“ Und beim Fleckenfest im Juni sollen dann alle Bürger diese Spuren als virtuelle Schnitzeljagd abwandern können.