Die gekündigten Werzalit-Mitarbeiter müssen vorerst draußen bleiben. Foto: Oliver von Schaewen

Das Landesarbeitsgericht muss entscheiden, ob Jochen Werz ein Zwangsgeld zahlen muss. Ein Urteil soll bald gefällt werden.

Die Lage ist festgefahren, es geht hart auf hart zu – aber so will es offenbar Herr Werz“, sagt Jan Willem Riezebos, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Fertigungsgesellschaft Holz Kunststoff (FHK). Er vertritt die Interessen von 50 Mitarbeitern, die auf Wiedereinstellung bei Werzalit und dessen Geschäftsführer Jochen Werz klagten – und am 8. Mai zum größten Teil vor dem Arbeitsgericht Stuttgart in Ludwigsburg Recht behielten. Doch damit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Auch wenn Riezebos und die anderen Arbeitnehmer hoffen dürfen, wieder als Werzalit-Arbeitnehmer eingestellt zu werden: Ausgestanden ist der Rechtsstreit noch lange nicht.

Im Gegenteil. Die Bandagen, mit denen der juristische Konflikt zwischen Werzalit und den gekündigten Arbeitnehmern der Fertigungsgesellschaft Holz Kunststoff geführt wird, sind noch härter geworden. Das Landesarbeitsgericht in Stuttgart muss jetzt darüber entscheiden, ob Werzalit ein Zwangsgeld von 10 000 Euro pro Mitarbeiter zahlen muss, sollten FHK-Arbeitnehmer nicht wieder von Werzalit eingestellt werden. Das Zwangsgeld hatte das Arbeitsgericht in Ludwigsburg in erster Instanz verfügt, nachdem die DGB Rechtsschutz GmbH als Klägerin von 50  Mandanten die Zwangsvollstreckung des ersten Urteils beantragt hatte.

Das Arbeitsgericht hatte Werz auf Wiedereinstellung verpflichtet, nachdem es den „nicht gelebten“ Betriebsübergang für ungültig erklärt hatte. Als Grund gab das Gericht an, die FHK-Leute hätten immer noch in Werzalit-Kleidung gearbeitet und agierten für ihre alte Firma nach außen (wir berichteten). In einigen anderen Fällen sah das Arbeitsgericht einen Betriebsübergang als vollzogen an, doch habe die FHK Formfehler bei der Kündigung begangen, da sie mit dem Gesamtbetriebsrat hätte verhandeln müssen. Alle Fälle gehen jetzt in die zweite Instanz. Dort soll Anfang nächsten Jahres entschieden werden.

Das Landesarbeitsgericht in Stuttgart bekommt also zu tun. „Auf uns kommen in nächster Zeit viele Verfahren zu“, sagt der Pressesprecher und Vorsitzende Richter des Landesarbeitsgerichts, Ulrich Hensinger, auf Anfrage. Zunächst gelte es, über die Rechtmäßigkeit des verhängten Zwangsgeldes zu entscheiden. „18 Fälle hat das Arbeitsgericht in Ludwigsburg schon entschieden, 32 noch nicht“, erklärt Hensinger. Das Urteil terminiert er auf „Ende September bis zur ersten Oktoberhälfte“. Dass es am Ende bei einer weiteren Weigerung zu einer Zwangshaft von zehn Tagen pro Kopf kommen könnte, hält der Richter für „sehr unrealistisch – das habe ich in meiner 30-jährigen Laufbahn noch nicht erlebt“. Hensinger: „Nur sehr wenige Betriebe lassen es überhaupt so weit kommen, ein Zwangsgeld zu zahlen.“ In den meisten Fällen würden Mitarbeiter wieder eingestellt.

Enttäuscht vom Verhalten des Werzalit-Geschäftsführers ist Thomas Martin, Gewerkschaftssekretär der IG Metall in der Region Stuttgart. „Es ist das gute Recht von Jochen Werz, alle juristischen Mittel auszuschöpfen, doch wenn er sogar Rechtsentscheidungen nicht anerkennt, zeigt das, dass er nicht gewillt ist, etwas anderes zu akzeptieren, sagt Martin, der betont, schon viele gängige Lösungen im Konflikt angeboten zu haben. Letztlich wolle Werz Lohnkosten senken, indem er Mitarbeiter kompromisslos in Gesellschaften ausgliedere.

Beide Seiten stehen sich also unversöhnlich gegenüber – so musste der Betriebsrat darauf klagen, überhaupt seine Räume im Werzalit-Werksgelände betreten zu dürfen. Darüber wird in einem anderen Verfahren in zweiter Instanz verhandelt. „Ein Betriebsrat kann nur als Gremium Beschlüsse fassen, deshalb müssen sich alle Räte versammeln können und nicht nur zwei oder drei“, sagt Thomas Martin. Werz verhalte sich nicht lösungsorientiert, wenn es dem Betriebsrat nicht zumindest so lange eine Arbeit ermögliche, wie noch nicht geklärt sei, ob der FHK-Betriebsrat auch für Werzalit zuständig sei.

Misstrauisch beäugen die Mitarbeiter jetzt auch das Auftreten eines Investors, der die FHK kaufen will. „Das könnte ein Lichtblick sein, wenn der Investor die Betriebsübergänge annehmbar gestaltet“, sagt Martin. Damit rechne aber niemand. Wahrscheinlicher sei ein Manöver der Werzalit-Geschäftsführung, durch dass die Arbeitnehmer weitere Rechte verlieren könnten, so der Tenor im Betriebsrat.

Jochen Werz war in dieser Woche für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Werz sei in China, sagte der FHK-Geschäftsführer Jürgen Kreiter. Er bestätigte, dass es einen Kaufinteressenten gebe. „Er gibt den Leuten die Chance, eine Lösung zu finden“, erklärte Kreiter, wollte aber keine Angaben über die Art des Angebots machen. Kreiter äußerte sich verwundert darüber, dass das Arbeitsgericht in Ludwigsburg die Betriebsübergänge zur FHK innerhalb weniger Wochen unterschiedlich bewertet habe.