Die spanischen Schnellzüge sind schneller als die deutschen ICE. Foto: privat

Der Murrer Otto Hartmann unternimmt jährlich eine längere Bahnreise, diesmal war er in Südfrankreich und Spanien. Sein Fazit: Die ausländischen Züge sind besser.

Murr - Pünktlich, sauber und kundenfreundlich – so lautet das Fazit von Otto Hartmann nach seiner Bahnreise durch Südfrankreich und Spanien. „Die Deutsche Bahn AG kann sich an diesen Zügen ein Beispiel nehmen“, urteilt der ehemalige Stellwerker, der sich seit einigen Jahren im Sommer auf den Weg macht, um bei seiner Reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bewusst den Zustand der Bahn in den Ländern mit der in Deutschland zu vergleichen.

Im Vorjahr bereiste Hartmann unter anderem Bordeaux, Lissabon, Madrid und Barcelona – diesmal waren Marseille und Valencia dran. Außerdem erkundete der 77-Jährige die andalusische Millionenstadt Sevilla.

Beeindruckt habe ihn vor allem der Mix aus Pünktlichkeit und Schnelligkeit der französischen und spanischen Bahnen. „Die Züge kamen fünf bis zehn Minuten vor Plan am Zielbahnhof an.“ Die Geschwindigkeiten betrugen laut Hartmann meistens zwischen 250 und 320 Kilometer pro Stunde. Dagegen sei der ICE auf der Rückfahrt von Paris nach Stuttgart größtenteils nur mit 120 bis 190 Stundenkilometern unterwegs gewesen. „Die Klimaanlagen der TGV- und AVE-Züge funktionierten immer – und das bei 40  Grad.“ Ständig kümmere sich genügend Servicepersonal um die Sauberkeit in den Zügen.

Kein gutes Haar lässt Hartmann dagegen am Zustand der deutschen Eisenbahn. Seit der Privatisierung im Jahr 1994 habe die Deutsche Bahn AG etwa die Hälfte des Personals im Außendienstbereich abgebaut. „Es gab früher immer genügend Mitarbeiter für die Zugsteuerung, den Gleisbau und die Fahrzeugtechnik“, blickt Otto Hartmann auf den Staatsbetrieb Bahn zurück und erinnert an die Verschlammung und die Absenkung des Gleises bei Burgstall, was zu einer Entgleisung eines Güterzuges am 8.  August 2014 führte. „Die Schäden dort hätten sofort behoben werden müssen“, ist er sich sicher und vermutet, dass die Bahn AG bei kleinen Schäden öfter darauf wartet, bis es zu einer Ganzerneuerung kommt. Bei solchen Ausbesserungen im großen Stil werden dann der Bund und damit der Steuerzahler zur Kasse gebeten – das Privatunternehmen Deutsche Bahn spare damit Kosten. Das alles hat Hartmann bei der Bahn im Großraum Stuttgart selbst erlebt.

Aber Otto Hartmann reist nicht nur, um die Deutsche Bahn zu kritisieren. In den drei Städten sah er Licht und Schatten. Ein großes Problem haben alle: „Sie leiden unter dem starken Autoverkehr.“ Marseille versucht, sich mit Metro, Stadtbahnen und Bussen dagegenzustemmen. „Die Autoflut ist trotzdem zu groß.“

Am schlimmsten sei es in Valencia gewesen, erzählt Hartmann. Zwar bildeten zwei Metro-Hauptlinien, mit ein paar Abzweigungen, eine gute Grundlage. „Oberirdisch fahren aber fast nur laute, stinkende Dieselbusse.“ Auf den dreispurigen Einfallstraßen fahre niemand nur mit Tempo 50. Bei Nacht und grüner Welle sei es offenbar normal, mit 100 durch die Stadt zu rasen – noch lauter seien die Motorräder. „Ich halte die Stadt fast für nicht bewohnbar.“

Ähnlich überflutet von Autos ist Sevilla. Immerhin: Eine zwei Kilometer lange Stadtbahn beruhigt die City um die Kathedrale, hat der Gast aus Deutschland beobachtet. Otto Hartmann denkt unweigerlich an die schwäbische Heimat – und die ablehnende Haltung des Ludwigsburger Oberbürgermeisters Werner Spec zu einer Stadtbahn durch die Ludwigsburger Innenstadt. „Auf Busse zu setzen, zieht die Leute nicht weg vom Auto.“ In einem Gelenkbus etwa werde der Passagier ständig durchgeruckelt – „das Fahrgefühl in einer ruhigen Niederflurbahn wie in Sevilla ist ein ganz anderes.“ Hartmann hätte sich gewünscht, dass die Stadtbahn von Markgröningen nach Remseck mit einer solchen Technik auch durch die Ludwigsburger Stadtmitte fahren würde.

Kurios wirkte auf den Reisenden die 100-Stufen-Treppe vor dem Marseiller Hauptbahnhof Saint Charles in Richtung Stadtzentrum. „Es gibt dort keinen Aufzug oder Rolltreppen – die Leute müssen mit ihren Koffern die Treppen bewältigen.“ Ansonsten sei Marseille stark bewacht: Er habe Militärposten mit Maschinenpistolen an allen Ecken angetroffen. Trotz dieser Begleitumstände konnte Hartmann seinen Aufenthalt in der südfranzösischen Stadt genießen. „Morgens verkaufen Fischer ihre Fänge direkt an ihre Kunden – das ist ein schönes Bild.“ Gute Badeplätze am Meer zu finden, sei kein Problem. Als Höhepunkt empfand der Gast seine Wanderung vom alten Hafen zur Basilika Notre-Dame de la Garde, hoch über Marseille, „mit toller Aussicht auf Stadt und Meer.“