Historisches am Ufer. Foto: Marbacher Ruderverein

Eine Gruppe aus der Schillerstadt ist über die Gewässer Berlins gerudert. Unter anderem wurde der Wannsee erkundet.

Marbach
Eine kleine Gruppe des Marbacher Rudervereins hat über Fronleichnam einige Tage lang die Berliner Rudergewässer erkundet. Der Entschluss, in Berlin zu rudern, kam spontan. Fast zu spontan, um die Fahrt noch geordnet organisieren zu können. Doch über Fronleichnam war es dann soweit. Wie unter Wanderruderern üblich bekommen wir für ein kleines Entgelt beim Potsdamer Ruderclub Germania ein Boot geliehen und sparen uns so den lästigen Bootstransport.

Der erste Rudertag führt uns über den Großen Wannsee und an der Pfaueninsel vorbei. Die kulturellen Highlights und geschichtsträchtigen Bauten an den Ufern sind der Konzentration und dem Ruderstil der Mannschaft nur wenig zuträglich, aber man muss einfach hinschauen, kommt man doch aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Unter dem westlichen Joch der Glienicker Brücke lauerten vor gar nicht allzu langer Zeit noch Grenzschutzboote der NVA und beobachteten den westberliner Freizeitverkehr. Wir nehmen sicherheitshalber das mittlere Joch, passieren die Babelsberger Enge mit ihrem starken Schiffsverkehr und gelangen ins Stadtgebiet von Potsdam. Mittagspause machen wir bei der Potsdamer Rudergesellschaft am Olympiastützpunkt.

Gestärkt geht es weiter die Havel entlang; wir nehmen die Abkürzung in den Schwielowsee, den Wentowgraben, eine schmale Durchfahrt, die eher an den Spreewald erinnert und für ein Ruderboot eigentlich schon zu schmal und zu flach ist.

Kurz nach Umrundung der Inselstadt Werder versuchen wir übermütig, einen neuen Streckenrekord auf der Regattastrecke aufzustellen; nach 700 m müssen wir völlig entkräftet aufgeben und beschließen, das Regattarudern doch lieber den „richtigen“ Ruderern zu überlassen.

Die Sonne brennt gnadenlos vom wolkenlosen Himmel, die Wasservorräte werden knapp, und so sind wir froh, das Tagesziel Ketzin zu erreichen. Wir haben uns für ein Standquartier in der Jugendherberge am Wannsee entschieden, was nun die Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nötig macht. Hier, tief im Brandenburger Hinterland, verkehren die Busse nur im Stundentakt, kein Vergleich zum Berliner Stadtgebiet.

Am nächsten Tag fahren wir durch den Havelkanal weiter Richtung Hennigsdorf. Der Kanal, von der DDR gebaut, ermöglichte es den DDR-Schiffen vom Norden Berlins Richtung Elbe zu fahren, ohne dabei die westdeutschen Gewässer um Potsdam befahren zu müssen. Der Kanal ist lang, verläuft weitgehend schnurgerade und obwohl der Kanal durch schöne Landschaft verläuft, zieht sich dieser Rudertag, wiederum in sengender Hitze, endlos dahin.

Am darauffolgenden Morgen starten wird in Hennigsdorf zum letzten Tag unseres Rundkurses: Die langgezogene Inselkette, die den Nieder-Neuendorfer See zu teilen scheint, ist in Wahrheit eine Reihe von versenkten Lastkähnen, die - zusammen mit der (Wasser-) Grenzübergangsstelle Hennigsdorf, vorwitzige DDR-Kapitäne an der Flucht in den westdeutschen Teil des Sees hindern sollten. Wir lassen den Tegeler See links liegen, passieren Spandau und statten dem Zitadellengraben mit dem Ruderboot einen Besuch ab. Die Schleuse Tegel lehnt es ab, uns zu schleusen, so müssen wir die Bootsschleppe benutzen. Im Südhafen von Spandau lockt „Kleinvenedig“ zu einem Abstecher: Das Dorf Tiefwerder ist von einer Reihe schmaler Kanäle durchzogen, durch die sich unser Vierer mit viel Müh’ und Not hindurch schlängeln kann.

Schließlich gelangen wir wieder in den großen Wannsee: Bei deutlich mehr Schiffsverkehr als am ersten Tag durchkreuzen wir gründlich die Pläne einer Segelregatta. Am Grunewaldturm und dem Strandbad Wannsee vorbei erreichen wir schließlich wieder unseren Heimathafen.

Der letzte Tag ist als Kulturtag vorgesehen. Während die meisten der Gruppe die Liebermann-Villa und verschiedene andere Potsdamer Museen besichtigen, entschließe ich mich zusammen mit Wanderruderwart Jürgen Stalbohm zum sportlichen Alternativprogramm: Der Tegeler Ruderverein nimmt uns bereitwillig zu einer Ausfahrt auf den Tegeler See und den Hohenzollernkanal mit. Bis Berlin-Plötzensee sind wir an diesem Tag unterwegs.

Schließlich ist man ja zum Rudern hier und dafür ist Berlin immer eine Reise wert! An vier Tagen ist der Marbacher Ruderverein insgesamt 132 km gerudert.